Vom falschen Zögern – See Nr. 113

Zugegeben, es gibt zig gute Gründe, zu zögern und ausgerechnet heute nicht schwimmen zu gehen, zumindest nicht in irgendeinem Freiwasser. Als da wären

  • Es könnte regnen und ich kann meine Sachen nicht regensicher am Ufer deponieren
  • Es könnte sogar gewittern, da wäre schwimmen töricht
  • Es könnte weder regnen noch gewittern sondern wunderbares Wetter haben, da ist es dann bumsknackevoll im Weiher
  • Es könnte, wenn es bumsknackevoll ist, keine Parkplätze geben
  • Es könnte niemand da sein, wenn ich wen brauche, der meinen Neo schließt (ist zur Zeit aber nicht nötig)
  • Es könnte vor Ort Mücken zu Tausenden geben
  • Es könnte Stau bei der Anfahrt geben
  • …oder bei der Rückfahrt
  • Es könnte
  • Es könnte
  • Es könnte

Scheiß drauf. Auf alle Gründe und auf alles Zögern.
Ich geh trotzdem.
Der See, den ich mir als Nr. 113 ausgesucht habe, befindet sich im Chiemgau und heißt nicht ohne Grund Schlosssee: Schloss Hartmannsberg, heute ein Veranstaltungszentrum, liegt an seinem Ufer.
Im vergangenen Jahr wollte ich schon in den See, fand aber auf die Schnelle am südlichen Ufer keinen Zugang, nur eben das namensgebende Schloss hinter hohen Mauern und Toren und damit den Weg zu dem Badeplatz versperrt. Nun liegt dem Schloss auf der anderen Straßenseite gegenüber der Langbürgner See. Der ist sowieso der Beste, also ging ich eben da schwimmen und plante, mich in Ruhe schlau zu machen, wie und vor allem wo ich in den Schlosssee komme. Denn dass es auch einen für Jedermann erreichbaren Badeplatz geben muss, habe ich auf Fotos auf Facebook gesehen. Und was da steht, stimmt. Ausnahmslos.
Im Februar näherten wir uns per pedes dem Schlosssee von Norden her, als meine Töchter mit mir an sieben Seen auf einen Streich entlang spazierten. Seitdem weiß ich, wie ich zum Badesteg komme und seitdem steht der See auch auf der Liste unbedingt zu besuchender Gewässer; allen Widrigkeiten und Eventualitäten zum Trotz.
Ein Fußweg führt mich jetzt im Sommer vom Weiler Stephanskirchen hinunter zum Badesteg im Wald.

Kaum habe ich den lichten Fichtenwald betreten, schmeiße ich wie ein Hystericus meinen Rucksack mit den Schwimmsachen zu Boden und schlüpfe geschwind in ein Sweatshirt, dass ich dabei habe, denn es ist einigermaßen frisch draußen. Nicht dass mich friert. Ich schütze mich vor hunderten von Mücken, die nur darauf gewartet haben, dass wieder so einer daher kommt, den man aussaugen kann. Einigen gelingt es tatsächlich, einen Stich zu machen, aber mehr als einem Dutzend Mücken kostet es auf den rund 200 Metern bis zum Badesteg das Leben, dass sie es überhaupt gewagt haben.

Der Steg liegt in der Sonne, es ist einfach niemand da… außer eben den Mücken.
In Windeseile bin ich entkleidet, in der Badehose und im Wasser, das die Stiche, die zu jucken beginnen, wunderbar abkühlt.

Die zuschwimmende Strecke, die ich mir ausgedacht habe, führt natürlich am Ufer entlang nach Süden. Wenn nicht von der Land- dann werde ich mich eben von der Wasserseite Schloss Hartmannsberg nähern. Was Anderes geht hier sowieso nicht, davon mal ganz abgesehen.

Und kaum bin ich im Wasser, weiß ich wieder, dass es vollkommener Blödsinn ist, sich von allen Bedenken und Zögerlichkeiten abhalten zu lassen. Das Wasser ist warm – kein Mensch weit und breit, es ist, als schwimme man vergnügt vor sich hin irgendwo auf der Welt, nicht unbedingt „nur“ in Oberbayern.

War es wirklich nur Blödsinn zu zögern? Der Wind hat aufgefrischt, dunkle Wolken ziehen schnell von Westen heran. Es sieht verdammt nach Regen aus. Das wäre dann jetzt auch egal. So lange es nicht blitzt und donnert, bleibt alles chic.

Doch so schnell die dunklen Wolken gekommen sind, sind sie auch wieder weg. Schloss Hartmannsberg liegt vor mir am Ufer. Hallo! Falls Ihr Knalltüten geglaubt habt, Eure Mauern, Zäune und Tore könnten mich abhalten, im Schlosssee zu schwimmen – drauf gesch… (Na, Sie wissen schon!)

Äußert vergnügt, zutiefst befriedigt und bereit für hemmungslos viele Selfies mache ich mich auf den Rückweg. Eines dieser Bilder soll als #FotoDerWoche das Thema Auszeit bedienen. Was Anderes ist mir nicht in den Sinn gekommen und was Besseres hätte ich mir in dieser Woche als Auszeit auch nicht einfallen lassen können. Schwimmen im Schlosssee. Weil ich es kann!

Als ich am Steg zurück bin, spricht sich unter den Mücken schnell rum, dass da wieder einer ist, der fette Beute verspricht. Ein Festmahl…

…übrigens nicht nur unter den Mücken. Kaum verlasse ich das Wasser und laufe mich abtrocknend den Steg auf und ab, tauchen mehrere feiste Karpfen auf, dazu Dutzende Rotfedern. Auch sie scheinen hier mächtig angefüttert zu werden. Von mir allerdings nicht.


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