Verbotene Bücher – Eine Ausstellung
„Meinungsfreiheit ist die Freiheit, von der alle anderen Freiheiten abhängen.“
Salman Rushdie
Religion – Moral – Politik
Das sind die drei großen Triebfedern, die dazu führen, dass Bücher verboten werden. Letztlich aber steht immer das Gleiche dahinter: Die Erhaltung der Macht und die ungemein große Angst, dass Literatur bestehende Strukturen, Wertvorstellungen und daraus resultierende Gesellschaftsordnungen radikal in Frage stellen können.
Die Macht der Bücher, ob nun tatsächlich oder befürchtet, ist für autokratische, repressive, diktatorische aber auch religiös fundamentalistische Staaten ein immenses Problem, und das seit Jahrhunderten.
Die simpelste Lösung, die diese Regimes parat haben: Der Literatur und den Autor:innen den Kampf anzusagen, was heißt deren Bücher zu verbieten, Autor:innen in Haft zu nehmen oder wie im Fall Salman Rushdies die im Exil lebenden Autoren mit dem Tod zu bedrohen.
Zahlreiche Beispiele zeigt im Moment die aktuelle Ausstellung Verbotene Bücher im Münchner Literaturhaus.
Das ist genau das Richtige für einen trüben, verschneiten Wintertsonntag. Kultur tanken und anschließend im Café ein Törtchen essen und wieder einmal froh und dankbar zu sein, in was für einem freiheitlichen Land wir leben. Und ich möchte, dass es so bleibt.
Vor allem wird das deutlich, wenn man immer wieder vor Augen geführt bekommt, in welchen Ländern welche Bücher aus welchen Gründen verboten waren oder es noch sind; Werke die hier frei erhältlich sind und nicht wenige davon stehen bei uns im Regal. Es ist, auch das macht die Ausstellung deutlich, mitnichten so, dass verbotene Bücher nur ein Thema in den wie oben skizzierten totalitären Staaten ist. Erschreckend finde ich, wie viele Bücher aus Schulen und Bibliotheken in diversen Staaten der USA verbannt wurden, sei es, weil sie rassistisch motivierte Gewalt gegen People of Color thematisiert haben, sei es, weil sie den fundamentalistisch-religiösen Vorstellungen evangelikaler Kreise entgegen laufen. Das fängt bei Klassikern wie Harper Lees Wer die Nachtigall stört an, geht über den Holocaust-Comic Maus von Art Spiegelman und endet bei Harry Potter. Und das ausgerechnet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das ist dann wohl eine davon.
Es gibt ein wunderbares Zitat von Stephen King, das in diesen Zusammenhang passt:
„What I tell kids is, Don’t get mad, get even. Don’t spend time waving signs or carrying petitions around the neighborhood. Instead, run, don’t walk, to the nearest nonschool library or to the local bookstore and get whatever it was that they banned. Read whatever they’re trying to keep out of your eyes and your brain, because that’s exactly what you need to know“
(Was ich den Kindern sage, ist: Seid nicht böse, sondern revanchiert euch. Verschwendet keine Zeit damit, Schilder zu schwenken oder Petitionen durch die Nachbarschaft zu tragen. Lauft stattdessen, und schlendert nicht nur, zur nächsten außerschulischen Bibliothek oder zum örtlichen Buchladen und holt euch das, was sie verbannt haben. Lest alles, was sie von Euren Blicken und Eurem Verstand fernhalten wollen, denn das ist genau das, was ihr wissen müsst)
Und hierzulande?
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auch in Deutschland das Thema verbotener Bücher eine unrühmliche Historie hat: Sei es beispielsweise der Kampf in den 20ern gegen die Theaterstücke von Frank Wedekind, seien es die Bücherverbrennungen der Nazis, sei es in der DDR die Blockade der Veröffentlichungen der Bücher von Reiner Kunze, Günther Kunert oder die Causa Biermann. All das bereitet die Ausstellung auf.
Und dann wären noch in bundesrepublikanischer Geschichte Klaus Manns Mephisto und Maxim Billers Esra, deren Veröffentlichungen nicht nur wie bei indizierten Werken eingeschränkt war, sondern die höchst richterlich untersagt wurden. Das allerdings geschah weder aus religiösen, politischen oder moralischen Gründen sondern schlicht wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Mephisto ist übrigens mittlerweile erhältlich, Esra in seiner ursprünglichen Fassung noch immer nicht, zumindest nicht offiziell. Und zugegeben: Ich bin damals um die öffentliche Debatte zum Gerichturteil auf das Buch überhaupt erst aufmerksam geworden und hätte es gern gelesen. Das will ich heute noch, blättere aber keinen mittleren dreistelligen Betrag für eines der wenigen Exemplare hin, die vor
Den Abschluss dieser kleinen aber ungemein gehaltvollen Ausstellung bildet das Thema Cancel Culture, höchst spannend und brandaktuell. Cancel Culture wird immer wieder überbordend emotional, trotzig, zornig, empört und wütend in den Sozialen Kanälen diskutiert, wenn Verlage aus ihren Büchern das N-Wort streichen oder bei Klassikern das Thema der kulturellen Aneignung zur Sprache kommt; oder wenn über Wolfgang Koeppens Tauben im Gras Kanonisierung als Abiturstoff gestritten wird. Dann wird lautstark von Zensur gepoltert und der Vorwurf der Cancel Culture erhoben.
Spätestens hier lohnt es sich für mich, eine Sitzpause einzulegen und den Texten im Audio Guide zu lauschen. Allein die fünf Minuten Tweets zum Thema, die von verschiedenen Sprecher:innen vorgelesen werden, haben es in sich und zeigen mit aller Deutlichkeit, dass der Diskurs wie so viele andere längst aus allen Fugen geraten ist. Aber eines, so lerne ich, haben die Diskussionen um Cancel Culture, Political Correctness, Wokeness und kultureller Aneignung den Büchern zumindest gebracht: Sie werden wieder gelesen. Und zwar mit großer Aufmerksamkeit.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Gut geschriebene Rezension, die Lust auf einen Besuch der Ausstellung macht. Wenn ich dir einen Tipp geben darf: du solltest noch erwähnen, dass die Ausstellung im Literaturhaus gezeigt wird.
Das Café im Oskar MariaGraf mag ich sehr, auch wenn es die Tarte aux Pommes, die ich so gerne gegessen habe, nicht mehr gibt.
Aber das steht doch auf dem Plakat im Beitrag.