Spaziergänge (#52): Die Zufriedenheitsrunde rings um Traxl
„Lügenpresse“ skandieren sie, ein Teil der rund 10.000 Demonstrant:innen, die sich am letzten Januarsonntag in München auf der Theresienwiese versammelt haben. Der Veranstalter nennt es die Demonstration der Unzufriedenen.
Ich gehe nicht dorthin, denn ich gehöre nicht zu den Unzufriedenen. Nicht weil ich satt und zufrieden in Trägheit verharre oder mir sowieso alles egal ist, sondern weil ich vielleicht mein Anspruchsdenken und das Maß der Zufriedenheit in einem größeren Kontext einordne. Und weil ich grundsätzlich schon mal zufrieden sein kann, wenn am Sonntag die Sonne scheint und ich einfach irgendwo spazieren oder wandern gehen kann, wo ich meine Ruhe habe…
Zum Beispiel rings um Traxl.
Das ist ein kleiner Ort, der zur Gemeinde Ebersberg gehört, rund 25 Häuser gibt es dort, eine Bushaltestelle und eine gotische Filialkirche, die der heiligen Anna gewidmet ist und deren Erbauung auf das Jahr 1492 zurückgeht, also aus der Zeit stammt, in der Kolumbus in Amerika landete.
Auf Traxl kommen wir, als wir Wanderrouten für einen Sonntag suchen und Outdooractive uns dort eine Tour vorschlägt: Siebeneinhalb Kilometer, zwei Stunden (ohne Fotostopps). Das ist genau das Richtige. Irgendwo im Nirgendwo mit möglichst Nirgendwem
Also machen wir uns auf den Weg zu unserer ganz persönlichen sonntäglichen Zufriedenheit. Das lüftet das Hirn und das Gemüt.
Ländlicher Duft umweht uns, als wir das Auto am Waldrand abstellen und uns auf den Weg machen. Es riecht nach Kuhdung und frisch gesägtem Holz – unverwechselbar Landaroma nicht nach Jedermanns Gusto aber eben charakteristisch, das gehört nun mal dazu.
Der erste Weg führt uns durchs Dorf vorbei an freilaufenden Hühnern, die auf dem Misthaufen was Fressbares suchen, in der Sonne sitzen oder gern mal auf die Straße marschieren.
Es geht hinauf zu St. Anna. Schade, dass die kleine Kirche verschlossen ist, ich hätte den Innenraum gern gesehen. Es soll dort besonders schöne Kirchenfenster geben.
Weiter führt uns der Weg zwischen Feldern und waldigen Abschnitten. Es ist ein beständiges Mütze auf – Mütze ab, Schal fester ziehen – Schal lockern, Winterjacke etwas öffnen – Winterjacke schließen. Denn auf den sonnigen und zugleich windstillen Wegabschnitten ist es richtig warm.
Fast meint man, eine Ahnung vom Frühling zu bekommen. Aber es ist erst Ende Januar und auf den Bergen 40 Kilometer weiter südlich liegt noch viel Schnee. Das Wetter ist trügerisch, zum richtigen Frühling dauert es sicher noch einige Wochen.
Kaum sind wir im Wald liegt der Reif auf Gräsern, Ästen und Blättern. Die Pfützen sind noch gefroren, dort wo die Sonne nicht hinscheint. Es ist kalt. Also Mütze wieder auf.
Immer wieder sehen wir auf dem Weg die kleine Kirche St. Anna.
Manchmal ist es auch der Turm der Kirche St. Johannes der Täufer in Englmeng. Das ist auch so ein Ort, von dem ich an diesem Wochenende das erste Mal höre, dass es ihn überhaupt gibt. Das ganze Gebiet östlich von München und südlich der B 304 rings um Aßling ist weitestgehend eine Terra incognita für mich. Vermutlich liegt das daran, weil es dort keine Seen oder Weiher zum Schwimmen gibt, bin ich noch nie dort hingefahren, höchstens mal durchgefahren.
Im Wald entdecke ich ein Motiv, das ich quasi im Vorbeigehen fotografiere. Ich nehme mir aber vor, mich dem öfter zu widmen. Es sind die Zacken und Splitter eines frisch gefällten Baumes. Ganz neu ist das nicht, angeregt durch eine Fotoausstellung, die ich in Rosenheim gesehen habe, habe ich diese Inspiration abgebrochener Bäume schon öfter umgesetzt , aber diese kleinen, wenige Zentimeter hohen Zacken, wenn der Baum nach dem Absägen fällt, sind dann noch mal etwas anderes.
Aber dafür brauche ich Ruhe und Muße. Da muss ich viel ausprobieren. Das aber nicht heute.
Eine unglaubliche Stille liegt über dem Land, kaum ein Auto, kaum ein Wind in den Bäumen, erst recht kein Fluglärm ist zu hören. Hin und wieder weht das Bellen eines Hundes herbei, irgendwo in der Ferne brummt eine Drohne in der Luft. Ach ja, bevor ich es vergesse: Manchmal kräht auch ein Hahn.
Es ist wunderschön, sich in der Sonne auf eine Bank zu setzen, den Blick Richtung Wendelstein, und sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Einfach nur da sein, den Spaziergänger:innen und Radfahrer:innen zu- und nachsehen. Mehr braucht es nicht.
Das ist Landleben, das ist Zufriedenheit.
Vielen Dank fürs Lesen.
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