Sonntag, das ist… (12) Egoprobleme aushalten können

Sonntag, das ist, Egoprobleme der Anderen aushalten zu können.
Einer, der ein solches Problem hat, ist Nachbars Hahn. Jeden Sonntag muss er der versammelten Vorstadt kund tun, wer der Herr in der Vorstadt ist. Also kräht er aus Leibeskräften. Dass das knapp 70 Meter vor sperrangelweit geöffnetem Schlafzimmerfenster geschieht, ist dabei die Kehrseite der Medaille. Der Hahn kräht zwar auch wochentags, da aber bin ich normalerweise schon längst aufgestanden. Sonntags allerdings ist das eher selten der Fall, also sorgt der Gockel immer wieder für unnötig frühes Erwachen.
Aus zuverlässiger Quelle und dem ländlichen Newsboard Nr. 1, also einem Besuch beim Friseur, weiß ich, dass die Hahnbesitzerin anfangs große Sorge hatte, dass der Hahn den gesammelten Zorn der Nachbarschaft auf sich zieht. In der Tat hatte ich anfangs überlegt, dem Federvieh mal diskret und anonym einen Werbeflyer von KFC durch den Zaun zu stecken mit der unverhohlenen Drohung, wenn er nicht bald den Rand hält, wäre er der Nächste, der in der Crispy Menue Box landen wird. Aber das ist eigentlich gar nicht mein Stil.
Dass der Hahn kräht, ist naturgeben und Teil des Landlebens. Dass er sein übersteigertes Ego aber damit befriedigt, den Hahn, der rund 100 Meter weiter westlich sein Zuhause hat, niederzuplärren, ist eher unschön. Denn wenn der Eine seine Vormachtstellung kund tut, meint der andere aus sicherer Instanz das Gegenteil zu behaupten und schon befindet man sich unvermittelt inmitten des akustisch ausgetragenen Hahnenkampfs. Wer kann länger, wer lauter und wer kräht das letzte Wort?
Letztlich aber ist das alles nicht mein Problem. Meiner schier grenzenlosen Langmut verdanke ich, dass ich mich über diese Schreierei schon lange nicht mehr aufrege. Wie auch nicht über das Gekläffe der kleinen Fußhupenhunde zwei Häuser weiter, wenn da wer vorbeigeht und die hysterisch alles zusammenbellen. Auch das Gequengel und Gezeter kleiner Kinder im Supermarkt oder Restaurant kann ich gut aushalten. Das alles ist ja nicht meine Baustelle. Ich muss mich nicht kümmern, nicht mal mich aufregen.Herr Hahn hat Egoprobleme
Ich weiß, aufs Land zugezogene, vormalige Städter prozessieren gern gegen Kirchenglocken, Froschquaken, Kuhglocken, Grillfeiern, Wirtschaften und Hahnenschreie in der neuen Nachbarschaft. In ihrem mühsam bausparfinanzierten Domizil soll alles perfekt sein, bloß keine Störung von nebenan, die das Idyll in Frage stellen könnte. Nicht unerheblich ist dabei die Denke, dass man sich hier schließlich für den Rest des eigenen Lebens einquartiert hat, da muss man frühzeitig Grenzen abstecken und so ein Terror-Federvieh eben mund-schnabeltot machen. Sonst nimmt das am Ende Überhand.
Nicht meine Denke. Also lass ich den Hahn sein übersteigertes männliches Ego ausbreiten. Soll er doch.
Zum dreimaligen Verleugnen ist es, wenn ich ihn höre, ohnehin zu spät. Dann hat der Hahn ja dank seiner Egoprobleme längst gekräht.


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