Mediatipps (Teil 42): „Duden Vielfalt“ herausgegeben von Sebastian Pertsch

Einen Duden von vorne nach hinten, also buchstäblich von A-Z zu lesen – das kann man machen. Außer für eine kleine Anzahl spezieller Freaks halte ich das aber für eine ziemlich alberne Idee.
Und das gilt auch für den Duden Vielfalt in dem 100 Autor:innen auf jeweils einer Doppelseite 100 Begriffe erklären, über die derzeit intensiv diskutiert, wenn nicht gerungen wird.

Dabei liest sich das Verzeichnis der Verfasser:innen dieser Beiträge wie ein Who is who der Vieltexter:innen in den sozialen Medien. Wer viel und regelmäßig auf X unterwegs ist oder war, auf Mastodon oder auf BlueSky wird viele bekannte Namen wiederfinden: Mario Sixtus, Natascha Strobl, Mela Eckenfels, Marina Weisband, Ismael Küpeli, Julia Probst, Ferda Ataman, Raul Krauthausen, Eliyah Havemann, Michael Blume, Johannes Hillje…

Das sind zumindest in den einschlägigen Communities sehr bekannte Stimmen von Journalist:innen, Aktivist:innen, Publizist:innen – und alle vereint in diesem Duden eines: Sie haben genau zwei Seiten Platz, um über das Thema, in dem sie bestens bewandert sind, zu erklären: Was ist Ableismus, was Zionismus, was sind leichte Sprache, Neurodiversität, queer, Sensitivity reading, Autismus, Bias, gendern, woke oder Klassismus?

100 Menschen, die wissen, wovon sie reden (und schreiben), schlüsseln 100 Schlagwörter auf, die in endlos vielen gesellschaftsrelevanten qDiskursen und Diskussionen wieder und wieder genutzt werden, meist mit enorm viel Meinung und erheblich weniger Ahnung, geschweige denn Kenntnis.
Viele Populist:innen bedienen sich dieser Begriffe erstaunlich oft vollkommen falsch, zum Teil absichtlich zur Stimmungsmache, zum Teil, weil sie nur nachplappern, was sie meinen, was Volkes Stimme oder Stimmung sei.
Die Duden Redaktion ist angetreten, hier Klarheiten zu schaffen und es war ein kluger Zug, Expert:innen zu Wort kommen zu lassen – und zwar Menschen, die mit/in dieser Thematik leben und nicht welche, die sie von neutralem Posten aus „studiert“ haben.

Auch diesen Duden kann man kaum von vorne bis hinten durchlesen, das ist nicht gerade genussvoll und wirkt trotz des Autor:innen-Ensembles irgendwann ermüdend. Zumindest empfand ich das so. Er lädt mehr zum stöbern ein als zum durcharbeiten – was aber kein Nachteil ist; und ihn immer wieder zur Hand zu nehmen und sich selbst zu vergewissern, ob man Begriffe wie Befriedungsverbrechen oder Gaslighting richtig verstanden und korrekt verwendet hat oder ob ein Nachschärfen sinnvoll wäre.
Zugegeben: Von einigen Wörtern hatte ich noch nie etwas gehört – manche Thematiken, die sie betreffen, spielen oder spielten in meiner Lebenswirklichkeit und in meinen Diskussionsumfeldern kaum eine Rolle (z.B. Death gain), was nicht heißt, dass das immer so bleiben muss. Und dann ist es gut, darüber Bescheid zu wissen, bevor falsche Informationen oder Vorurteile sich festsetzen können. In mancher Diskussion in den sozialen Medien, von der man möglicherweise eher zufällig etwas mitbekommt, versteht man erst ein wenig, wenn man zum Beispiel verstanden hat, was TERF eigentlich bedeutet und woher diese Frontstellung gegen TERFs rührt.

Sprache verändert sich permanent. Sie ist ein stets wandelnder Prozess, ob es nun Leuten wie Söder & Co gefällt oder nicht. Und dann ist es gut, sich damit auseinanderzusetzen, auf dem Laufenden zu bleiben und zu verstehen, wovon gerade geredet wird. Darum habe ich mir dieses Buch gekauft und lese immer wieder darin. Es lohnt sich.


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Pertsch, Sebastian: Duden Vielfalt – 100 Wörter – 100 Menschen – 100 Beiträge

Softcover / 272 Seiten / Duden Verlag / 11. Dezember 2023 / Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3411756018

Preis: 28,00 €

Auch als Kindle-eBook erhältlich


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