Lyrik auf der Sportbahn
Es gibt wenig, was so erschütternd ist wie Zeilen von Amateur-Dichtern, die sich noch dazu krampfhaft bemühen, humorvoll zu sein. Sie tragen ihre Reime auf Geburtstagen, Jubiläen, Familienfesten und Vereinsfeiern vor – die Zuhörer schütteln sich innerlich vor Grausen, bewahren aber Haltung und spendieren gelegentlich ein mildes Lächeln. Jeder wartet auf den Tusch, wie man ihn von Karnevalsveranstaltungen kennt. Denn dort ist es genauso. Erzwungene Endreime, asymmetrisches Versmaß mit mal zu vielen, mal zu wenig Silben. Und jeder sehnt ein Ende herbei. Gut gewollt heißt eben nicht gut gekonnt. Und die scheinbare Leichtigkeit wirklich guter Lyriker ist vermutlich harter Arbeit entsprungen.
Gelegentlich quäle ich die Facebook-Gruppe Bist Du heute schon geschwommen nach meinem Schwimmen mit selbstgeschmiedeten Versen, wie es in VHS-Kursen und unter Zuhilfenahme grober Werkzeuge (z.B. Brechstangen) nicht erbärmlicher gereimt werden könnte – und mit allergrößter Unverfrorenheit auch noch in einer Mundart, die nicht mal die meine ist.
Vom ersten Meter auf der Bahn bis zum letzten zermartere ich mir mein Hirn, was sich auf „schwimmen“, „Bahn“, „Strecke“, „Spind“ alles reimen könnte, oder auf „Beckenrand“ und „Beinschlag“. Ich zimmere Limericks zusammen, von denen ich erst mal hätte googeln sollen, wie das Versmaß ist, begehe ein abscheuliches Verbrechen an der Gattung Sonett und sorge dafür, dass alle, die sich ernsthaft um Poesie bemüht haben, im Grabe rotieren , so sie nicht mehr unter den Lebenden weilen – denen dreht sich vermutlich erst das Auge nach innen und dann der Magen nach außen.
Ich weiß nicht, wie groß die Kohärenz zwischen der Lust am Schwimmen und am Dichten ist – meine ist im Moment riesig und alle müssen darunter leiden. Denn es fehlt das Talent – sowohl am einen, wie auch am anderen. Wovon Sie sich im Nachgang überzeugen können. Hier einige der geistigen Ergüsse aus den vergangenen Wochen. Meine Schamgrenze ist niedrig genug, sie hier noch einmal zu wiederholen. Sehen und würgen lesen Sie selbst:
Draußen liegt Schnee,
Ihr könnt es erahnen.
Doch drinnen is schee,
dort schwimm ich die Bahnen.
doch dann wurd es leerer,
drum warn’s 4k heit,
i kunnt a no mehra…
Es war ein bayerischer Schwimmer,
bei dem wurde es immer schlimmer,
wenn der Privatspind belegt
und er sich gar schrecklich erregt,
drum ging er ins Schwimmbad gar nimmer.
Ich tobe empört durch stockschwarze Nacht,
denn ich wurde um meinen Privatspind gebracht,
das macht mich stinksauer, das könnt ihr mir glauben,
wie kann so ein Depp den Schrank mir wegrauben?
danach griff ich beherzt zu den Waffen,
den Dieb zu stellen und dann zu erdolchen,
das macht man nun mal mit solch bösen Strolchen.
Der Dieb war schon weg, der zog wohl noch Leine.
Und ich stand da wie ein Depp, so ganz alleine.
Um große Freude zu kosten,
schwimm ich gegen alles an,
brauch dazu die leere Bahn,
die finde ich im Münchner Osten.
Denn fern der Stadt, auf flachem Land,
drängt’s Städter nicht ins Schwimmbad rein,
ich bin nicht selten fast allein,
schwimm ich entspannt von Rand zu Rand.
Gedränge will ich gern vermeiden,
denn darin müssen alle leiden,
der Spaß am Sport stirbt schnell dabei.
Drum weich ich auf den Morgen aus,
viel leerer ist es dann im Haus,
wenn ich dann Bahn an Bahnen reih.
Vielen Dank fürs Durchhalten.
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