Let’s talk about the weather
Einst war es eine sichere Bank: Der Talk about the weather – das unverfänglichste aller Themen in dem allseits beliebten und oft komplett unnötigen Smalltalk, wie er vor allem auf der britischen Insel zelebriert wurde.
Übers Wetter reden – keine heikle Sache, da kann man nichts falsch machen. Doch!
In Zeiten des Klimawandels ist selbst das banalste aller Wettergespräche schnell ein Minenfeld – nicht zuletzt, weil es unter den Klimawandelleugnern genug Kanditaten (vor allem am äußerst rechten Rand) gibt, die in all ihrer Borniertheit und hartnäckigen Bildungsvererweigerung oder -leugnung noch immer nicht den Unterschied zwischen Wetter und Klima begreifen. Dabei sind die Fakten übers Wetter und übers Klima evident. Aber darum geht es hier nicht.
In den vergangenen Wochen habe ich oft übers Wetter geredet, im Smalltalk natürlich. Im realen Leben wie den sozialen Medien. Ich gehörte dabei zu den wenigen, die immer wieder die Sorge zum Ausdruck gebracht haben, dass das extrem milde Winterwetter, so schön es sich auch anfühlt, für Natur und Umwelt sehr gefährlich ist und uns üble Folgen bescheren wird.
Als zum Beispiel im Dezember in bester Smalltalk-Manier und mit gebührender Bestürzung angesichts der verheerenden Brände in Australien jemand bei FB meinte, es wäre so furchtbar, Australien brauche dringend Regen (so weit richtig) und man solle doch von dem vielen Regen hier welches den Australiern abgeben (technisch sicher einfach zu lösen), erlaubte ich mir die Anmerkung, dass wir mitnichten zu viel sondern auch hierzulande diesen Winter viel zu wenig Niederschläge hätten.
Jedes frohlockende Gefühl angesichts der Temperaturen von 10 °C und mehr, strahlendem Sonnenschein, knospenden Blüten, aus der Erde auftauchenden Frühblühern, dem Gesang der Vögel und dem Surren der Insekten hätte ich am liebsten entgegen gehalten, dass da draußen um uns herum gerade etwas furchtbar schief läuft. Es ist verständlich, dass wir das schöne Wetter genießen, dass viele sagen, sie könnten auf den Winter und vor allem auf den Schnee verzichten.
Bei aller Freude über das schöne Wetter, die ich niemandem nehmen wollte/will, bereitet es mir doch zutiefst Unbehagen, wenn ich auf die Folgen dessen schaue: „Ja – wir könnten vielleicht schon darauf verzichten. Aber die Natur nicht! Es herrscht fataler Wassermangel!“
Auch darüber sollte man manchmal nachdenken – nicht alles, was sich schön und wunderbar anfühlt, ist es auch am Ende. Aber auch das ist nicht neu: Φοβοῦ τοὺς Δαναοὺς καὶ δῶρα φέροντας.
Ich verweise auf die extremen Wasserniedrigstände in den Flüssen wie dem Inn, das Niedrigwasser in Seen und Weihern. Der Großteil der Kiesflächen am Inn zum Beispiel steht normalerweise unter (!) Wasser:
Im heimischen Weiher steht das Wasser derzeit so niedrig wie im Sommer 2018.
Die Antworten beim Talk about the weather aber sind klassische Beispiele anekdotischer Evidenz und typischer Whataboutism: „Also bei uns hat es genug geregnet. Die Erde ist doch total nass und matschig!“ Was zählen schon bundesweite wissenschaftliche Untersuchungen, wenn man selbst ganz andere Erfahrungen in seinem überschaubaren Lebensbereich gemacht hat?
Natürlich stimmt das auf verschiedene Regionen unseres Landes bezogen, natürlich ist derzeit oberflächlich betrachtet die Erde nass. Ich habe selbst bei herrlichstem Wetter am Freitag einen kleinen Spaziergang gemacht (davon ein anderes Mal mehr) und diesen mit mächtigen Lehmklumpen an den Schuhen beendet.
Aber wie sieht es einen halben Meter tiefer aus? Wie tief ist der Grundwasserspiegel schon wieder abgesunken? Wo sind die Schneemassen, die das Wasser in den Boden abgeben?
Das ganze sauge ich mir nicht aus den Fingern sondern bediene mich der auf Spektrum.de veröffentlichten Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen. Der dort abgebildete Dürremonitor für Januar 2020 zeigt ein klares Bild.
Wir brauchen Wasser – Regen, Schnee. Wie es sich für den Winter gehört. Viel Wasser.
Es wurde Zeit zu handeln. Es gibt genau zwei Mittel, die mir zur Verfügung stehen, zuverlässig für Regen zu sorgen:
- Fenster putzen
- Mit dem Auto durch die Waschstraße fahren
Wirken tut beides, Fenster putzen ist jetzt nicht so mein Ding. Bleibt die Waschstraße. Notwendig wäre es sowieso, also los…
Bei der anschließenden digitalen Smalltalk-Runde wird mir in Erinnerung gerufen, dass es zumindest früher noch eine dritte Möglichkeit gab, das Wetter zu beeinflussen. Den Teller nicht leer essen. Wenn Kinder nämlich nicht schön brav aufessen, gibt es am Folgetag schlechtes Wetter. Eine altbekannte Drohung.
Es scheint da tatsächlich einen gewissen Zusammenhang zu geben: Angesichts der vielen übergewichtigen Kinder heutzutage wäre die eigentliche Ursache des ausbleibenden Regens geklärt. Ein Eindruck, den ich bei meinen vielen Besuchen im örtlichen Schwimmbad durchaus bestätigen kann (Scherz am Rande auf Kosten der Dicken natürlich. Bodyshaming bzw. Bodyblaming vom Feinsten).
Kaum verlasse ich die Waschstraße, zeigen sich die ersten Wolken am Himmel.
Und tags drauf: Das lang ersehnte Nass. Erst Regen, dann Schnee. Na also! geht doch!
Meinen Teil jedenfalls habe ich beigetragen.
Viel ist es nicht, was runterkommt. Aber es reicht, dass die ersten Städter schon wieder in den sozialen Netzwerken stöhnen. Drei Gramm Schnee sorgen ja zuverlässig dafür, dass in den Metropolen am Montag Morgen der Verkehr vollkommen zusammenbrechen wird.
Aber denen ist es ja auch egal, wie tief der Grundwasserspiegel absinkt, bei denen kommt das Wasser ja aus dem Hahn in Bad und Küche…
Talk about the weather? Einfach nur mühselig. Dafür werde ich in Zukunft ganz einfach öfter mal in die Waschstraße fahren. Mein Auto und die Pflanzen draußen werden es mir danken.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Alles meine Worte. Genauso sehe ich das auch. Schon lange schreibe ich Änliches immer wieder auf meinem Blog. Aber sofort kommen Antworten wie: „Bei uns hat es gestern geregnet.“ Oder: „Unsere Wiese steht unter Wasser“. Ich mag darauf nicht mehr antworten. Global gesehen, kommt da einiges auf uns zu. Ob die Tragweite von den meisten Menschen erkannt wurde? Ich bezweifele es.
Ja, den gleichen Zweifel habe ich auch. Es ist ziemlich aussichtslos, mit Zeitgenossen zu diskutieren, die mit ihrem „Ja, aber…“ankommen. Trotzdem ist es immer wieder notwendig, darauf hinzuweisen, dass es eben mitnichten nur „schön“ ist, wenn man im Januar ein Wetter wie Ende März hat.
Ja, von wegen Small-Talk. Hat mich immer etwas gewundert, weil mir Wetter, obwohl ich eine Großstadtpflanze bin, immer wichtig war. Weather makes my Day – so oder so. Die Klimaentwicklung tut mittlerweile das Ihrige hinzu. Dennoch mag ich mich über Sonne weiterhin freuen. Wichtig scheint mir, jeden Tag jede einzelne Gewohnheit zu überprüfen. Muss ich die Heizung wirklich anmachen, das Licht, das heiße Wasser – zum Beispiel. Also, worauf kann ich verzichten, was kann ich eventuell ersetzen usf. Das wird nicht reichen. Dafür bin ih aber eben vor zwei Jahren auch in eine Partei eingetreten, um mich mit politischer Arbeit auch auf höherer Ebene einzubringen. Und klar, weiter drüber reden 😉