Wilde Geister am Kolumbustag
Wenn einer eine Reise tut… so heißt es doch. Dann kann er was erzählen.
Über Geister zum Beispiel.
Das ist ein mächtig überstrapaziertes Zitat von Matthias Claudius und ein Falsches noch dazu. Zu seiner Zeit, ja, da gab es viel zu erzählen. Da hingen die Leute an den Lippen der Reisenden, denn sie selbst kamen oft nicht weiter als bis in die nächste größere Stadt.
Heute ist das anders.
Klar kann ich von einer Reise viel erzählen, in 26 Blogbeiträgen von der Reise kreuz und quer durch Bosnien und Herzegowina. Was aber, wenn man zum wiederholten Mal an einem Ort ist, sich zwar immer wieder was Neues, was anderes ansieht, die Kamera voll ist, das Geschichten-Kästchen aber nicht?
So ungefähr erging es mir im Oktober nach unserer Rückkehr von Mallorca. Viel haben wir gesehen, viel habe ich fotografiert, einiges erlebt, aber gab es wieder erzählenswerte, blogtaugliche Geschichten? Nur sehr wenige, da wäre die vom Erklärmichel zum Beispiel, über den ich mich immer noch herzlichst amüsieren kann.
Aber da gab es noch den Kolumbustag. Ein wildes Spektakel am 12.10., also dem Tag, an dem Kolumbus die Neue Welt „entdeckt“ haben will, was in der historischen Rückschau vielleicht weniger eine Glanztat war als der Anfang verschiedenster verheerender Entwicklungen, vor allem für die indigene Bevölkerung.
In Spanien ist der Kolumbustag ein Nationalfeiertag, also auch auf Mallorca, und er wird gebührend gefeiert. Ein ganz großes Spektakel vollzieht sich im sehr von Deutschen bevölkerten Badeort Peguera. Ein Spektakel, dass in ähnlicher Form auch hierzulande zelebriert wird. Wie schön, auf Vertrautes im Urlaub zu treffen: Schnitzel, Thüringer Bratwurst, Altherrenwitze, besoffene Junggesellenabschiede und Trekkingsandalen sind damit weniger gemeint. Aber das wilde Treiben.
Maskierte Gestalten ziehen durch die Stadt, begleitet von einer Gruppe Trommler.:innen. Sie machen ohrenbetäubenden Radau, „erschrecken“ Zuschauer:innen und deren Kinder, dem Einzug der Moosgeister am Faschingsdienstag in Erding oder der Aufmarsch der Druden in den Raunächten nicht unähnlich.
Sehr, sehr ähnlich sind die Masken samt der Widderhörner; sehr, sehr ähnlich sind auch die Gewänder aus Tierfell.
Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied: Die Gruppe Geister (ich nenn die mal so, ich finde nichts im Netz, wie die wirklich heißen) auf Mallorca lässt es auf dem Weg richtig krachen. Links und rechts stehen Absperrgitter. Feuerwehr, Erste Hilfe und Polizei stehen für den Fall des Falles bereit, als die Geister ihr Ziel, einen kleinen Platz am Strand erreicht haben und dort erst richtig aufdrehen.
Dort ist eine Bühne aufgebaut, dort wird es anschließend ein Konzert einer (eher mittelmäßigen) Coverband geben. Jetzt aber zünden die Geister ihr Feuerwerk. Funken sprühen aus eigenartigen Konstruktionen. Es wird getanzt, gewirbelt, geschrien, alles für Einheimische und Tourist:innen, die dicht gedrängt an den Absperrgittern stehen, die Szene beobachten und wie wild fotografieren oder filmen.
Fackeln werden geschwungen, Feuer wird gespuckt. Wieder und wieder steigen Flammen empor.
Für den „Käfig“ aus Absperrgittern gibt es nur einen Zu- und Ausgang, aufmerksam wird er von der Polizei beobachtet, dass wirklich niemand hineinläuft, die Geister aber herauskomme können, um aus ihrem Lager hinter der Bühne neue Gestänge oder Dreizacks mit Pyrotechnik zu holen und die Feuerspucker nachtanken können.
Die Feuerwehrleute sind bemüht, die Menschen, die sich zu sehr über die Absperrungen lehnen, zu ermahnen und zurückzuhalten. Der Druck der Menschen in der zweiten und dritten Reihe, die auch ein paar Fotos machen wollen, ist enorm. Ich bin froh, dass ich mich da nicht hineinquetschen muss sondern mit meiner Kamera auch aus der Distanz vom Rand eines Pflanzkübels herunter Fotos schießen kann.
Etwa eine Viertelstunde dauert das Finale Furiose, dann verlassen die wilden Gestalten den abgesperrten Bereich. Sie lassen die Masken fallen und begrüßen Freund:innen und Familienmitglieder im Publikum. Die Feuerwehr rückt ab. Die Show ist vorbei.
Ein paar erste Gitarren-Riffs dröhnen von der Bühne, die Band hat ihre Plätze eingenommen und zu spielen begonnen. Sie intonieren einen alten Song von Queen, doch lässt die Interpretation meinem Geschmack nach zu wünschen übrig.
Es wird Zeit zu gehen.
Ein Rotwein wartet noch auf uns und der überzeugt sicher mehr.
Vielen Dank fürs Lesen. Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä. Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld. Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.
Wenn Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, weil Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier.
In meinem Webshop finden Sie ganz neu und exklusiv das neueste Fotobuch Freie Schnauze – Weideschweine von Ursula Zeidler, ein wunderbares Buch für alle, die Schweine lieben. Außerdem sind ab sofort dort auch ihre bisherigen Fotobücher Paare, Münchner Freiheiten – Zwei Jahre Theresienwiese April 2019-April 2021, Augenblicke, und einfach Kinder verfügbar.
Weiterhin sind im Webshop auch erhältlich: Mein Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres, die grantigen Geschichten Renate und das Dienstagsarschloch und das Buch von meinen Schwimmerlebnissen in Frei- und Hallenbädern, in Seen, Weihern, Flüssen und im Meer Bahn frei – Runter vom Sofa, rein ins Wasser .
Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann
Subscribe to get the latest posts sent to your email.