Fehlschläge im Baumarkt
Lassen Sie uns über Fehlschläge sprechen.
Baumärkte sind mein bevorzugtes Jagdrevier. Immer gibt es dort was zu erleben und zu entdecken, Schnäppchen zu machen, neuen SchnickSchnack zu entdecken, Dekoscheiß zu begutachten und so weiter.
Baumärkte sind ein steter Quell für Inspirationen – und das nicht nur für Handarbeiter. Auch Kopfarbeiter, Wortjongleure und Lästermäuler finden hier, was ihr Herz begehrt. Stories für mein Blog zum Beispiel. Es muss nicht immer Renate sein, aber manchmal erwische ich mich doch dabei, dass ich aus der Ferne ein Paar (meist verheiratet) erspähe und mir denke: Das könnte auch so eine Renate sein. Und ihr Harald.
Dann schleiche ich mich näher, fange Wortfetzen auf, verfolge in gebührendem Abstand das Paar und lausche. Wie enttäuschend, wenn sich die beiden dann ganz normal unterhalten: Kein Gezeter, kein Gekeife, keine Renate, kein Harald. Möglichst unbeteiligt und großes Interesse für die dort ausgestellten Waren imitierend lasse ich fremde Paare nicht aus dem Blick, vielleicht ergibt sich ja doch noch ein Geschichtchen. Schwierig genug ist das ja.
Der erste Weg im Baumarkt meines Vertrauens führt mich immer in die Gartenabteilung. Momentan stehen dort Narzissen, Hyazinthen, Primeln… Frühblüher, wohin das Auge blickt. Perfekt für Renate, sich hier die richtigen Töpfchen für ein neckisches Blumenarrangement zusammenzusuchen. Aber Fehlanzeige: Keine Renate. Nirgends. Trotz buntestem Bunt.
Mit der Hyazinthe, die mich als Kunden identifizierbar machen soll, in der Hand geht es zurück ins Gebäude. Später werde ich sie einfach zurückbringen.
Als Nächstes inspiziere ich die Abteilung „Dekoplunder“. Hier locken Zimmerbrunnen, Plastikskulpturen, auf Vintage getrimmter Fernost-Nippes und allerlei esoterisch angehauchter Firlefanz fürs Blumenfenster Renates aller Art an.
Normalerweise zumindest. Doch weder fette Putten noch geblümtes Porzellan hat genug Strahlkraft. Von Renate ist nichts zu sehen.
Bleibt als letztes das Gartenliegenauflagen- und Gartenstuhlpolstersortiment. Ein älteres Ehepaar, das ich auf ihrem Weg dahin bereits erspäht habe, lässt hoffen. Dem ersten optischen Eindrücken nach könnten es gut eine Renate und ihr Harald sein. Der Mann trägt ein Sammelsurium an bunt lackierten Hängetöpfen, rosa, grün, gelb. Das ist ein brauchbares Indiz, kein Mann trägt so etwas freiwillig durch den Baumarkt, es sei denn, er bekommt es von seiner Renate in die Hand gedrückt. Dann hat er keine Wahl.
Beide diskutieren über ihre neue Terrassenmöblierung. Es ist schwer zu verstehen, was genau die da zu bereden haben, ich muss näher ran. Die Gartenabteilung ist ansonsten menschenleer, mit der Hyazinthe wähne ich mich gut getarnt, aber zum heimlichen Fotografieren (Pfui! Pfui! Pfui!) muss ich das Töpfchen abstellen und es danach wieder an mich nehmen. Bei all dem gilt es vor allem Eines: Bloß nicht auffallen.
Aber genau das tue ich.
„Kann ich Ihnen helfen?“ klingt es plötzlich freundlich in mein Ohr. Direkt neben mir steht eine Verkäuferin und bietet ihre Dienste an. Vollkommen fixiert auf eine mutmaßliche Renate habe ich die Frau gar nicht kommen sehen. „Sie schauen so irritiert und suchend umher!“
Die Verkäuferin hat mich erwischt. Was antworten?
„Nein danke, ich schaue mich nur um“, erwidere ich und hoffe, dass ich nicht knallrot werde. Wenn sie mich jetzt fragt, warum ich fotografiert habe, kann ich antworten, dass ich daheim meiner Frau die Bilder meiner Vorauswahl zeigen möchte. Das wäre eine schwache Ausrede, aber besser als Achselzucken wäre es allemal.Die Verkäuferin sieht mich etwas ungläubig an.
Ein Bekannter im gleichen Beruf hat mir mal erzählt, dass bei diesem Baumarkt-Franchhisenehmer sich Mysteryshopper die Klinke in die Hand geben. Natürlich weiß man das im Markt, und da jeder der in den Abteilungen herumlungert, ein verdeckter Mysteryshopper sein kann, der hinterher alberne Berichte verfasst, gibt man sich betont kundenorientiert. Gelegentlich verschreckt man so auch den einen oder anderen Ladendieb noch bevor der seine Beute unter der Jacke verstecken kann. Was bei Auflagen für Gartenmöbel oder Töpfen mit Pflanzen darin sicherlich etwas lächerlich wäre.
Wäre das der Moment, der guten Frau zu erklären, dass ich weder Mysteryshopper bin noch zum Team Wallraff gehöre und die katastrophale Haltung von Sonnenschirmständern in Baumärkten mit versteckter Kamera dokumentieren will?
Offen gestanden: Im Prinzip bin ich ein Spanner, der es nicht auf nackte Menschen abgesehen hat, sondern auf Renates. Aber wie erklärt man sowas? Am besten gar nicht. Mit der Wahrheit komme ich hier nicht weit, laufe sogar Gefahr, des Ladens verwiesen zu werden. Eventuell sogar wegen dieses Schabernacks Hausverbot zu bekommen, wäre fatal. Also stammle ich etwas von Gartenstühlen, Polstern, Terrasse, Vorauswahl treffen… alles nicht sehr glaubwürdig. Die Verkäuferin, die mich vermutlich für einen vollkommen Irren hält, bietet an, dass ich mich jederzeit an sie wenden kann, wenn ich Fragen habe. Nachdem ich mich bedankt habe, rückt sie ab. Aber sie bleibt in Sichtweite. Verständlich, ich würde es an ihrer Stelle auch nicht anders machen.auern Was sehne ich mich in diesem Moment nach den Zeiten, da man hilflos im Baumarkt umherirrte, wenn man wirklich mal Beratung brauchte und einfach niemand da war.
Allein. Renate ist weg. Ich habe rein gar nichts erfahren, über das ich mir mein Lästermaul zerreißen könnte.
Weiteres Warten und Lauern unter scharfer Beobachtung ist sinnlos. Noch mehr Fehlschläge kann ich mir heute nicht antun und bevor das Ganze hier eskaliert, gehe ich auch. Die Hyazinthe in der Hand. Die werde ich pflichtschuldig kaufen und daheim auf den Esstisch stellen. Wie so eine Renate…
Vielen Dank fürs Lesen.
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