Spaziergänge (#13): Ein Stück auf dem „Jakobsweg“

Nein, der Jakobsweg in St. Wolfgang hat nichts mit dem gleichnamigen Pilgerpfad zu tun, er führt auch nicht nach Santiago de Compostela. Er dient weder der spirituellen, noch der psychischen Erbauung – eher der physischen Ertüchtigung. Dieser Jakobsweg ist auch nicht nach einem Heilige benannt sondern einfach nach Jakob Schwimmer, einem CSU-Politiker, der zeitweilig im Bayerischen Landtag und Bürgermeister von St. Wolfgang war. Dieser Jakob hat sich, so erfährt man auf den Informationstafeln, um dieses Projekt sehr verdient gemacht, und so hat die ihm diesen Weg gewidmet.

Bei einem frühlinghaften, vorösterlichen Sonntagsspaziergang machen wir uns also auf – auf den St. Wolfganger „Jakobsweg“.
Unterschiedlich lang sind die vier Varianten, gesäumt sind alle mit Sport-, Fitness- und Bewegungsstation, die man nutzen kann – oder eben auch nicht. Ganz nach jedermanns Gusto. Das ist der Sinn des Ganzen. Zwar bemüht sich auch dieser Jakobsweg um ein wenig Spiritualität, aber man kann ihn auch einfach so abspazieren oder sich ohne Kontemplation vollkommen der Leibesertüchtigung hingeben, derweil man – habe ich mir sagen lassen – auf dem echten Pilgerweg Fitnessstationen dieser Art vergeblich sucht. Vielleicht auch besser so.
Ein wenig erinnert der Parcour in St. Wolfgang an die Trimm-Dich-Pfade der 70er und 80er Jahre, natürlich nur viel moderner und hier bestens gepflegt.

Auf dem Jakobsweg - Sportstationen

Wir starten mittags in St Wolfgang, entscheiden uns für die gelbe Runde, das sind 6,8 km, mehr ein ausgiebiger Spaziergang als eine Wanderung, aber das soll reichen.
Eine sehr gute Wegbeschreibung findet sich auf Outdooractive.com. An dieser orientieren wir uns. Aber es gibt auch reichlich Hinweissschilder, die einem den blauen, gelben (oder andernorts den roten und orangen) Weg weisen. Nur an zwei drei Stellen fehlt ein solcher Wegweiser, aber die Beschreibung auf Outdooractive leitet uns sicher durchs unbekannte Terrain.

Auf dem Jakobsweg - Wegweiser

Zunächst folgen wir dem Flüsschen Goldach nach Norden, es geht vorbei an Bäumen, bei denen auf einem renaturiertem Teilabschnitt die Bieber ganze Arbeit geleistet haben. Zwischen Streuobstwiesen erreichen wir schnell das Dörfchen Schwindau.Auf dem Jakobsweg - Das Flüsschen Goldach

Auf dem Jakobsweg - Schwindau, Dorfkirche

Es ist wunderbar mild und angenehm warm. Leberblümchen, Ehrenpreis, Windröschen, Schlüsselblumen und Huflattich bedecken Weg- und Waldränder und Wiesen mit ihren Blüten, Insekten surren, summen und brummen, viel Volk ist unterwegs. Der Frühling hat Einzug gehalten.

Auf dem Jakobsweg - Windröschen

Auf dem Jakobsweg - Leberblümchen

Auf dem Jakobsweg - Ehrenpreis

Auf dem Jakobsweg - Huflattich

Auf dem kleinen Anstieg nach Endgassen nähern sich von hinten sechs E-Biker. Die drei Männer radeln vorneweg. Sie sind lautstark in ernsthafte wichtige Gespräche vertieft. Die Frauen strampen hinterdrein, ebenso lautstark, ebenso mit Gesprächen beschäftigt. Wir hören sie schon von weitem hinter uns, lange, bevor sie uns schließlich überholen.Auf dem Jakobsweg - E-Biker

Auch bei diesen Nutzern des Jakobswegs steht die Leibesertüchtigung vor der spirituellen Erleuchtung.

Auf dem Jakobsweg - Marterl

Dabei bietet auch dieser Jakobsweg Gelegenheit zur innere Einkehr du Besinnung. Wegkreuze und Marterl gibt es reichlich – wie eigentlich überall in Oberbayern. Ein besonders Schönes findet sich beim Ferienhof Endgassen.
Und ja – gelegentlich lohnt es sich, an einem solchen einfach stehen zu bleiben, die Inschriften zu lesen und einen Moment zu verschnaufen, auch, wenn es vorher nicht bergauf ging und man vielleicht außer Puste ist.
Sie gehören hier in der Region einfach dazu – ob man nun ein religiöser Mensch ist oder nicht.

Am Waldrand, der angesichts des noch fehlenden Laubes tiefe Blicke ins Holz zulässt, an frisch gepflügten Feldern und Wiesen führt der breite und bequem zu gehende Weg in weitem Bogen Richtung Lappach. Es riecht förmlich nach Frühling, nach lehmigen Boden, der langsam in der Sonne trocknet, ein wenig modrig nach nach Wald, aber auch nach frischem Grün.Auf dem Jakobsweg - Breite Wege

Auf dem Jakobsweg - gepflügtes Feld

Ein einsamer „Fahrgast“ sitzt an einer Wegkreuzung in einem Bushäuschen und wartet. Und wartet… und wartet…
Wie lange wohl schon?Auf dem Jakobsweg - Bushäuschen mit Strohfigur

Vor Schindlholz macht uns ein Wegweiser neugierig:Auf dem Jakobsweg - Hinweisschild zum Pestfriedhof

Ein Weg führt ein paar Meter hinein in den Wald. Irgendwo hier oben und weit abseits des Dorfes haben die Bürger von St. Wolfgang 1638 ihre Pesttoten begraben. Eine Gedenkstätte erinnert daran. Es muss eine furchtbare Zeit gewesen sein, als die Beulenpest ausbrach und eiligst fernab ein Massengrab ausgehoben wurde – und das Ganze inmitten des Dreißigjährigen Krieges, der marodierend umherziehenden Soldatenhorden und der Hungsernot. Eine Informationstafel erinnert daran, dass damals (der Legende nach) nur 7 Einwohner des Dorfes die Beulenpest überlebten – und ein Hahn (!), was immer das heißen mag.
Ein Gedenkkreuz mit einer Inschrift bittet darum, vor Pest, Hunger und Krieg verschont zu werden. Errichtet wurde es 1933 in der Zeit, als Deutschland sich aufmachte, um mit wehenden Fahnen dem nächsten furchtbaren Krieg entgegenzuziehen.Auf dem Jakobsweg -

Der Jakobsweg führt uns schließlich von Westen her an einem Neubaugebiet am Ortsrand nach St. Wolfgang zurück. Es ist Sonntag Mittag, kurz vor eins. Komatös, sediert, leblos – wie all diese Siedlungsgebiete liegt trotz Wochenend und Sonnenschein eine beklemmende Stille über den Häusern und Straßen. Kein Mensch ist zu sehen, niemand ist in den akkurat gepflegten Gärten. Keine spielenden Kinder sind an der frischen Luft (doch zwei!), nicht einmal jemand, der seinen Hund Gassi führt. Lähmende, sonntägliche Vorortstille.

Auf dem Jakobsweg - komatöse Siedlung in St. Wolfgang

Leben findet sich erst wieder im alten Ortskern von St. Wolfgang.
Wo auch das Auto im Schatten der Kirche steht.St. Wolfgang Kirche

Heim geht’s. Das war der Jakobsweg. Hätten wir den also auch erledigt. Und den anderen, den richtigen, den großen spare ich mir sowieso.


Eine Liste aller Beiträge der Serie Spazieren statt schwimmen gehen samt Verlinkung finden Sie auf der Unterseite Die Serien dieser Seite im Überblick


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