Der Adebar ist auch schon da
Stammleserinnen und -leser mögen mit die fast schon peinlich platte Überschrift verzeihen. Aber der Adebar ist wirklich schon da; bzw. war gar nicht erst fort. Zunehmend ziehen die Störche, die im Schwabener Moos und entlang der Schwillach und Sempt ihr Revier haben erst gar nicht mehr in den Süden. Die Winter sind mild genug, zu fressen gibt es auch hier, die Kraftanstrengung, in die Mittelmeerregionen oder sogar nach Afrika zu fliegen, nehmen immer weniger Tiere auf sich.
Ich weiß nicht, ob das Storchenpaar, das in einem kleinen Dorf ganz in der Nähe ein Nest in Beschlag genommen hat, zu den Heimkehrern oder Hiergebliebenen gehört.
Aber ich weiß, dass ich den beiden schon längst einen Besuch abstatten wollte, das erste Mal komme ich auf die Idee, als ich sie bei einem Vorfrühlingsspaziergang sehe, dann, als ich in Raisting unterwegs bin und auch dort auf die Störche aufmerksam gemacht werde.
Jürgen aus Hamm, der das Blog Linsenfutter betreibt und dort eifrig beeindruckende Fotos von Störchen zeigt, stachelt mich immer wieder an, nun endlich nachzulegen, wobei es ein hoffungsloses Unterfangen ist. Seine Expertise, seine Ausrüstung und seine Geduld verschaffen ihm grandiose Bilder, von denen ich nur träumen kann. Dagegen kann und will ich gar nicht anstinken.
Vollends um mich geschehen ist es, als in der Wochenendbeilage unserer Zeitung über die Störche rings um München lese. Ich muss mich dem mehr widmen. Ein einfaches, vor Wochen geschossenes Flugbild reicht nicht.
Wieder einmal aber sind sich die Medien nicht zu schade, ganz exakt aufzulisten, wo man in welchem Dorf Storchennester findet. Dieses ist auch dabei:
Ich habe ein eher zwiespältiges Verhältnis dazu, wenn reichweitenstarke Medien sehr detailliert berichten, welche Wildtiere man wo sehen kann – denn sowas lockt nicht nur wirklich interessierte und verantwortungsvolle Leute an, sondern leider auch allerlei schnöseliges Volk. Auch in diesem Weiler mit kaum mehr als zwei Dutzend Häusern sind die besten Blickwinkel auf den Kirchturm und das Storchennest von Privatgrund aus zu finden. Und wen schert dann schon das Schild, dass das Betreten dieses Grundes verboten ist?
Ungewöhnlich ist die kleine Dorfkirche – gebrannter, unverputzer Ziegel, eine Turmspitze mit Satteldach. Das ist selten: Ringsum zwiebelt es auf den Türmen der Gotteshäuser. Hier nicht. Von weithin kann man über die Felder bereits die Störche sehen.
Zum Glück ist der Turm nicht allzu hoch, denn je näher man kommt, um freie Sicht zwischen all den Bäumen, die das Tele mit einfängt, zu haben, umso steiler wird der Winkel. Und je steiler dieser wird, umso schwieriger wird es, von den Tieren überhaupt noch etwas zu sehen.
Krähen umkreisen mit lautem Geschrei den Turm. Das Storchenpaar scheint das nicht weiter zu beeindrucken. Auch nicht, dass ich meine Kamera auf sie richte. Sie nehmen es wahr und beschließen offenbar, es ganz einfach zu ignorieren, wie auch die Handyfotografie diverser Spaziergänger, die ebenfalls wegen der Störche gekommen sind. Meister Adebar und seine Frau sind so etwas wie eine kleine Attraktion in dem ansonsten zwar idyllischen aber auch verschlafenem Örtchen.
Nähe bringt fotografisch nichts – also wieder Rückzug. Und immer schön darauf achten, nicht plötzlich bei jemandem in die Einfahrt zu stolpern. Und zur Seite gehen, wenn ein Auto kommt. Das ist das Mindeste. Eine ältere Spaziergängerin spricht mich an, man grüßt einander auf dem Land. Sie fragt mich, ob ich extra wegen der Störche gekommen bin. Als ich das bejahe, lächelt sie: „Gell, das hams in der Zeitung g’lesn?“
Das muss ich zugeben, obwohl ich wie gesagt schon vorher davon wusste. Einen Moment unterhalten wir uns, sie erzählt mir, dass die Störche gerade erst wie wild geklappert hätten. Denn einer der beiden wäre gerade erst zurückgekommen. Meistens sähe man ja nur einen auf dem Kirchturm.
Und überhaupt, die würden da oben, wenn sie beieinander wären, in ihrem Nest ganz schön von sich hören lassen.
„Ja,“ antworte ich und versuche es mit einer small-talk tauglichen Plattitüde. „Es wird halt Frühling!“
„Das stimmt!“ antwortet sie und lacht verschmitzt. „Und nicht nur bei den Störchen!“
Sie lässt offen, wen sie jetzt konkret damit meint, wünscht mir einen schönen Sonntag und trabt dem Frühling entgegen.
Und ich widme mich wieder den Störchen.
Frei von Aberglauben mache ich mir auch gar keine Gedanken darüber, wenn der Storch wirklich die Babys oder zumindest Fruchtbarkeit ins Haus bringen würde, was das dann für eine Bedeutung hat, dass er ausgerechnet auf dem Dach einer katholischen Kirche sein Nest hat. Aber ich bin sicher, ich bin weder der Erste noch der Einzige, der hier die Steilvorlage für flache Kalauer finden könnte.
An diesem Sonntag ist wirklich Frühlingsstimmung in der Luft. Leider gelingen mir aus der Hand nicht ganz optimale Bilder, als Meister Adebar seiner Frau mehr als nur den Hof macht. Das muss aber muss auch nicht sein.
Diskretion ist eben Ehrensache.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Danke für Dein Lob, aber Deine Bilder sind beeindruckend und gefallen sicher nicht nur mir, sondern auch Deinen Lesern.
LG Jürgen