Der Coup des Backtivisten
Wenn man unter Backtivisten gerät, kann Sonderbares passieren:
Der Weg war weit, die Lust auf Kaffee groß, das Bedürfnis, aus dem Sitz herauszukommen auch, von dem Wunsch, ein Klo aufzusuchen, mal gar nicht zu sprechen.
Gesagt getan, das Auto von der Autobahn heruntergelenkt, mein Ziel ein Autohof im Fränkischen kurz vor Erlangen.
Sonntags ist in diesem kleinen Autohof nicht allzu viel los. Auf der einen Seite der Straße befindet sich eine Tankstelle und ein Fast-Food-Burger-Restaurant, auf der anderen ein Shopping-Outlet-Center mit ein paar Läden und eine Bäckerei mit Self-Service-Café, was mir spontan mehr zusagte, als beim Burger-Brater Pause zu machen.
Sonntags nachmittags steht mir der Sinn mehr nach einer Puddingschnecke und einem Kaffee-Schokoladen-Mix-Getränk, dem man in dieser Bäckerei den Namen „Black Leonardo“ gegeben hat.
Die freundliche Verkäuferin hinter der Theke fragt obligatorisch: „Zum hier essen oder zum mitnehmen“.
Ich gebe ersteres als Willenserklärung ab. Wenn ich Pause mache, muss ich mir nichts zu Essen kaufen, um es im Auto auf dem Parkplatz zu essen und alles vollzukrümeln.
Die Frau legt die Puddingschnecke auf einen Porzellanteller, ein Kollege mischt das Kaffeegebräu zusammen. Ich zahle fünf Euro und zwei Cent.
Fünf Euro und zwei Cent – um das noch einmal zu sagen. Denn das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Schwachsinnspreis. Denn natürlich habe ich kein Zwei-Cent-Stück im Geldbeutel. Ich werfe mit schöner Regelmäßigkeit Ballast in Gestalt von Kupfergeld ab, was heißt, dass ich selbiges immer wieder aus dem Portemonnaie fische und daheim in eine Dose verlagere. Von dort wandert es dann irgendwann in den Zählautomaten meiner Bank und wieder aufs Konto zurück.
Also habe ich keine zwei Cent. Ganz abgesehen davon, dass laut Angebot und Preisaushang sowohl für die Puddingschnecke als auch der Black Leonardo ein glatter Betrag verlangt wird. Verblüfft starre ich die Frau an, gebe ihr fünf Euro und zehn Cent, habe postwendend drei Kupfermünzen in der Hand. An der Kasse entdecke ich ein kleines Schild: Es käme beim Sofortverzehr zi höhere Preisen, da in diesem Fall ein anderer Mehrwertsteuersatz gelte.
Und diesen, so hat es sich der Herr Bäckermeister einfallen lassen, reicht er 1:1 an die Kundschaft weiter.
Niemand macht das. Er schon. Vermutlich ärgert den Mann einfach die unterschiedliche Besteuerung und es ist seine Art, damit umzugehen und die Kunden darauf aufmerksam zu machen.
Aber das fränkische Bäckerle nennt sich auch überzeugter Backtivist. Da wird man vielleicht so…
Also zum Mitschreiben:
Kaufe ich das Getränk und die Puddingschnecke zum Sofortverzehr im Laden, kassiert der Gesetzgeber 19% als Mehrwertsteuer. Also nimmt Herr Bäckermeister den Nettopreis und seine Kasse schlägt 19% drauf.
Entscheide ich mich für die To-Go-Lösung, fallen für Lebensmittel nur 7% an. Also wird auf den gleichen Nettopreis auch nur 7% addiert, was dazu führt, dass ich für die gleichen Produkte einige Cent weniger und auch einen runden Preis bezahlen würde.
Vollkommen aus dem Häuschen dürfte das Kassenpersonal folglich sein, wenn man etwas kauft, was man vor Ort verzehrt, und dann noch einiges dazu, was man später mitnehmen, sich dafür aber nicht noch ein zweites Mal anstellen will.
Und wenn alles in die Kasse eingetippt ist, man flugs anmerkt: „Ach wissen Sie was? Das Laugengebäck brauchen Sie gar nicht in die Tüte zu tun. Das esse ich auch sofort. Serviette reicht…“
Wie gesagt: Niemand macht so einen Stuss – außer eben dieser Bäckermeister (soweit ich weiß). Überall kosten Speisen und Getränke das Gleiche, egal, ob man sie mitnimmt oder vor Ort isst. Zwar wird man auch gefragt und selbiges in die Kasse eingetippt, aber hier rechnet eben das System entweder 7% oder 19% aus dem für alle gleichen Verkaufspreis heraus und fertig.
Hier nicht. Das Ganze ist umso unverständlicher, weil der Herr Bäcker für das To-Go zwar weniger vom Kunden kassiert, aber zusätzlich zum Wareneinsatz ja einen Pappbecher nebst Plastikdeckel und eine Papiertüte für die Puddingschnecke einkalkulieren muss, was on top kommt bzw. beim Sofortverzehr eingespart wird. Warum schlägt er das nicht auf die anderen Preise auf bzw. reduziert dies beim Verzehr im Laden?
Wenn ich beim nächsten Mal dort vorbei fahre, könnte ich alles To-Go kaufen, Geld sparen und mich dann trotzdem in den Laden setzen, alles dort verzehren und dem Backtivisten den Müll (Becher, Deckel, Tüte…) auch noch da lassen. So zahlt er für die Entsorgung gleich noch mal drauf.
Dann aber höre ich in meinem Hinterkopf meine Frau sagen, ich solle mich nicht so benehmen wie mein Vater oder noch mehr wie dessen Spezl Udo. Die sind nämlich auch immer auf solche prinzipienreiter-, klugscheißer- und rechthaberischen Ideen gekommen, haben Grundsatzdiskussionen vom Zaun gebrochen und damit alle Leute genervt.
Und wo sie recht hat, da hat sie recht. Vielleicht fahre ich also beim nächsten Mal einfach wieder zum Burgerbrater und setze mich in dessen Café. Da stimmen die ausgehängten Preise wenigstens – egal ob to go oder nicht. Aber dann würde mir ein so unfassbar typisch deutsches Geschäftsgebaren wohl verborgen bleiben.
Und was wäre ich, wenn ich nichts darüber zu meckern hätte?
Vielen Dank fürs Lesen.
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„Vollkommen aus dem Häuschen dürfte das Kassenpersonal folglich sein, wenn man etwas kauft, was man vor Ort verzehrt, und dann noch einiges dazu, was man später mitnehmen, sich dafür aber nicht noch ein zweites Mal anstellen will.
Und wenn alles in die Kasse eingetippt ist, man flugs anmerkt: „Ach wissen Sie was? Das Laugengebäck brauchen Sie gar nicht in die Tüte zu tun. Das esse ich auch sofort. Serviette reicht…““
Das wäre ja schon richtig gemein, aber auch irgendwie lustig. VG Rita