Der letzte Gast in Rosenheim – ausgezeichnet

Communities im Internet folgen einer ganz eigenen, aber eigentlich immer gleichen Dynamik: Es gibt die Aktiven, die Vielschreiber und -poster, es gibt die stillen Mitleser, die, die gelegentlich vorbeischauen. Es gibt die Alphatiere, die selten jemanden neben sich dulden, es gibt die, die keine andere Meinungen dulden und die Deutungshoheit für sich beanspruchen. Es gibt die Erklärmichel, die zu allem und nicht selten ungefragt absenfen. Es gibt, die, die sich an die Alphatierchen anhängen und deren Meinung lautstark und ungeprüft verstärken, es gibt die Provokateure usw. usw.
Das ist nicht neu, das hat sich in den frühen 00er Jahren in den Foren herausgebildet, in Facebook in die Gruppen hinüber gerettet und ist in den anderen sozialen Medien wenig anders.

Und es gibt die, denen das alles vollkommen schnuppe ist. Einen mutmaßlich solchen Zeitgenossen entdeckte ich im Herbst in Rosenheim. Dem ganzen Habitus nach ein Genussmensch und einer, der mit immenser Gelassenheit dem Geschehen der Welt zuschauen können.

Hausfassade in Rosenheim

Die Sonne stand tief an diesem Nachmittag, die städtische Galerie, die ich besucht hatte, schloss ihre Pforten. Ein paar Schritte durch die Stadt wollte ich noch machen, motiviert auf der Suche nach Bildmotiven für all die Facebook-Fotoprojekte, an denen ich mehr oder weniger regelmäßig beteilige. Vermessen und angestachelt durch eine Fotoausstellung in der Galerie wollte ich sofort ein paar Dutzend Fotos schießen, wenn schon nicht von Bäumen, wie in der Ausstellung zuvor bewundert, dann doch ein wenig Street Photography. Vielleicht noch Bayernspezifisches, Fenster, Bankerl, was man halt so „braucht“.

Der Gruppe Traumhaftes Bayern spendierte ich als Erstes ein Foto einer Hausfassade, nicht ohne den Stachel zu setzen: „In Rosenheim. Ganz ohne die albernen Cops.“
Es kam, was provoziert und erwartet war – die Fans der Rosenheim Cops empörten und ereiferten sich. Ausgestattet mit Knabbersachen und einem Kaltgetränk freute ich mich über den Shitstorm. Das von mir hingehaltene Stöcken – sie sprangen willig darüber. Gut, es war auch nicht besonders hoch.
Es war eine amüsante Erfahrung, die unbedingt nach Wiederholung verlangt. Ohnehin bin ich einer der wenigen in der Gruppe, die Bayern auch mal zeigen, wie es wirklich ist und nicht, wie es sich selbst gern glorifiziert, durch die Touri Brille bewundert oder von der Bavaria Film inszeniert wird.

Bei dem Schlenker durch die Stadt entstanden letztlich doch weniger Bilder als erhofft. Als es kalt wurde, brach ich den Heimweg an, um dann dort in aller Ruhe den soeben frisch erworbenen neuen Asterix Comic zu lesen.
Behaltenswert erschien mir das Bild jenes Herrn, der so gelassen wie genüsslich, so entspannt wie elegant seine Zigarette zwischen zwei Finger geklemmt rauchend in einem Café saß. Der letzte Gast im Freien.
Ein Bild, das seinen Weg sowohl in die deutsche Streetfotografie-Gruppe wie auch die internationale BLACK & WHITE Photographers bei Facebook fand.
Diese beiden Gruppen, und damit kommen wir zurück zum Anfang, zeichnen sich durch angenehmes Klima aus. Es ist ungemein inspirierend, sich dort die Bilder anzusehen, durchzuliken und es ist schön, selbst Likes einzufahren. Die Kommentare sind zumeist freundlich, wenn überhaupt welche kommen. Kritik kommt wenig – und schon gar keine „Nice pic… but“ Antworten, in denen Foto und Fotograf dann ordentlich runtergeputzt werden. In anderen Gruppen nämlich ist das anders. Da wird gerne scharf geschossen und gelegentlich auch unter die Gürtellinie ausgeteilt.

Der letzte Gast im Cafe in Rosenheim

Nichts gegen sachliche, fundierte Kritik – aber die findet dort nur selten statt. Statt dessen sticheln und stänkern die Alphatierchen unter Zustimmung und Likes ihrer Blase gegen alles und jeden.
So etwas muss ich nicht haben.

Vollends aus dem Häuschen bin ich, als mir Jay McMullan, der Inhaber der BLACK & WHITE Photographers einen Kommentar dalässt. Er selbst ist Profi und stellt regelmäßig seine eigenen, wirklich traumhaften Bilder dort ein.
Nur ein Bildchen hängt er mit unter den Herrn aus Rosenheim, aber das hat es in sich.

Wie gesagt: Rosenheim funktioniert offensichtlich auch ganz ohne die albernen Cops.

Mei, I grfei mi! – Oder so ähnlich.


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