Treu sein! – Kann ich!

Treu sein… kann ich!

Mal Hand auf’s Herz: Wie viele Leute kennen Sie, die seit rund 30 Jahren mit den gleichen Fußmatten im Auto durch die Gegend fahren?
Vermutlich fällt Ihnen niemand ein. Mir auch nicht. Und doch: Einen gibt es. Mich.
Meinen Fußmatten bin ich treuer als den meisten Dingen dieser Welt.
Als ich damals während des Studiums endlich mein eigenes Auto bekam, einen knallroten funkelnagelneuen Peugeot 205, handelte mein Vater noch einen Satz Gummimatten heraus. Er ist eben ein echter Zocker. „Gummimatten“, so meinte er damals, „sind ja so viel besser. Stell Dir nur vor, Du hast Matsch an den Schuhen, oder es ist einfach nur nass. Diese Teppichmatten sind ja so schnell ruiniert…“ Ich war von seiner Lebenserfahrung schwer beeindruckt.
Ich war stolz auf mein erstes Auto mit seinen eleganten grauen Gummimatten. Lange genug hatte ich ja gewartet. Denn erst, als klar war, dass es nicht funktionierte, wenn meine Mutter und ich uns ein Auto teilten, wurde ein weiterer Wagen gekauft. Ich studierte in Bochum an der Ruhr-Uni, pendelte täglich hin und her und brauchte einen fahrbaren Untersatz. Da die Uni zwar einen autobahnähnlichen Zubringer hat, aber mit dem Nahverkehr damals kaum erreichbar war, sahen meine Eltern ein, dass über drei Stunden Fahrt hin und zurück reine Zeitverschwendung war. Was hätte ich alles in der Bibliothek lernen können, in der Zeit, war dabei das ausschlaggebende Element. Ich wusste, was meine Eltern hören wollten, und „performte“ entsprechend.

Dem roten Peugeot folgte alsbald ein zweiter, dann ein dritter. Die ersten beiden Fahrzeuge waren offensichtlich von anderen Verkehrsteilnehmern als so anziehend empfunden worden, dass sie mir mit Vollgas ins Auto fuhren. Dem dritten und letzten Peugeot (dann in weiß, denn rot passte nie wirklich zu mir) folgten seitdem drei andere Fahrzeuge. Was blieb, das waren die Gummimatten mit dem Löwenprofil. Ich war nie in der Lage, einem Händler beim Kauf noch einen Satz Matten aus der Tasche zu leiern, für mich gab’s immer nur einen zweiten Satz Reifen gratis oben drauf. Also wanderten die Fußmatten, wie Warndreieck, Werkzeugset und Eiskratzer von Auto zu Auto mit. Und das seit 30 Jahren.
Mittlerweile ist in der Matte für den Fahrerfußraum ein postkartengroßes Loch. Es wird also Zeit, endlich zu handeln. Das weiß ich auch nicht erst seit gestern, aber jetzt habe ich mich durchgerungen, neue Matten zu kaufen. Den Anstoß dazu allerdings gab ein neuer Nummernschildverstärker, den ich unlängst an meinem Auto entdeckte. Sei es, dass die Werkstätten es äußerst attraktiv finden, auf einem Jaguar ihren Namen zu platzieren, sei es, dass sie sich einen werblichen Mehreffekt versprechen: Kein Autohaus, keine Werkstatt, keine Großtankstelle: Egal, wo ich mein Auto zum Reifenwechsel, zur Inspektion oder Reparatur abgebe; wenn ich es abhole, habe ich immer einen neuen Satz anderer Nummernschildhalter am Wagen. Das geschieht ungefragt und ohne meine Zustimmung. Und so habe ich einen regelmäßigen Wechsel dieser Plastikplatten beobachtet. Jetzt werde ich dem ganzen Spuk ein Ende bereiten. Also kaufe ich Nummernschildhalter.
Was liegt näher, als sich im Fanshop meines geliebten BVB umzuschauen. Wenn hier im Münchner Autobahn- und Stadtverkehr Blechkarawanen mit FC Bayern Schildhaltern oder dem berühmten „Mia san mia“ durch die Gegend fahren, dann kann ich das auch. Flagge zeigen! Zwar habe ich einen Fanschal auf der Hutablage, aber den sieht man ja kaum. Nur einmal freute ich mich, im Parkhaus unterm Gasteig in München auf meiner etwas staubigen Kofferraumklappe zu lesen „Scheiß BVB“. Vermutlich hatte ich neben einem Urbayern geparkt und der hatte es mir auf die Klappe geschmiert.matte3
Mit den neuen den Schildhaltern sind die Verhältnisse schnell geklärt. Wer auf der Straße sind die Guten, und wer die Bösen? Die gekauften Schildhalter wird wohl kein Autohäusler mehr gegen seine eigenen austauschen. Und wenn das doch passieren sollte, gibt es erheblichen Ärger und Schadensersatzforderungen. Heimlich errechne ich auch schon mal das Schmerzensgeld, das dann fällig wird.
Als ich durch die Rubrik „Alles für’s Auto“ im Online–Fanshop schlendere entdecke ich BVB-Fußmatten. Und sogar noch reduziert. Boooah! Watt’n Schnäppchen, da musste doch zuschlagen… Zwar sind die nicht aus Gummi sondern aus Teppichboden, aber auf anthrazitfarbenem Grund prangt das gelbe Logo. So soll es sein. Ein kurzes Zögern, soll ich wirklich? Sie sind ja nicht aus Gummi. Dann denke ich, dass die neuen Matten ja keine 30 Jahre mehr halten müssen. Wer weiß, ob ich dann überhaupt noch ein Auto besitzen werde,  und für den Rollator braucht’s wohl keine Fußmatte.. Außerdem kann ich es mir ja leisten, hin und wieder neue Matten zu kaufen, wenn die vorhandenen siffig werden. Also gut: Ein Klick und sie sind im digitalen Warenkorb. Ja. Endlich.
Als ich meiner Frau davon erzähle, lobt sie mich. „Dann kannst Du die löchrigen alten Matten ja endlich wegwerfen.“
„Nein“, antwortete ich mit überzeugend vorgebrachter Empörung. „Die lasse ich drin und lege die neuen drunter. Dann schone ich die Neuen noch ein wenig!“.matte2
Sie schaut mich ungläubig an. „Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“ Sie überlegt: „Obwohl…  Genau wie Dein Vater!“
Damit hat sie einerseits Unrecht, denn es ist natürlich nicht mein Ernst, aber sie hat auch irgendwie Recht. Mein Vater würde das vermutlich tatsächlich so machen. Genau damit hat sie mich mal wieder, wo sie mich immer haben will und wie sie es immer macht. Schon aus Trotz gegen meinen Vater mache ich alles grundsätzlich anders. Das weiß sie und manipuliert mich entsprechend.
„Nein, natürlich kommen die alten Matten raus aus dem Auto“.
Dass ich sie nicht wegwerfe sondern irgendwo in der Garage deponiere, verschweige ich jetzt lieber mal…
Wegwerfen? Kommt ja gar nicht in Frage. Vielleicht kann ich sie ja irgendwann noch mal für irgendwas brauchen. Dann werde ich froh sein, dass ich sie aufgehoben habe.
Clever, oder? Genau wie mein Vater…
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2 Antworten

  1. Lutz Ich könnte die Matten auch nicht wegwerfen ;-)

  2. Ein anderer Peter sagt:

    Warum nur muss ich jetzt an das Sortieren gebrauchter Schrauben (oder waren es gemischte Schrauben als Kiloware zum Schnäppchenpreis) denken….? ;-)

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