Sommerabende am Kieswerk (Teil #02)
Wie überall holt sich auch im Kieswerk die Natur die Flächen zurück, wo und vor allem so lange man sie lässt. Weiden wachsen am Weiherrand, Schilf, Mohnblumen.
Darin raschelt und quakt es: Vögel, Amphibien, eine aufgeschreckte Eidechse, die ihr Heil in der Flucht sucht, Insekten. Und die Menschen machen es nicht anders – so lange man sie lässt. Auch sie erobern sich solche Gelände für ihre Bedürfnisse – so lange man sie lässt. Der Sommer ist da, niemand will in seinen eigenen vier Wänden bleiben. Raus ins Grüne, raus ans Wasser, raus in die Sonne – die Seele baumeln lassen. Leben und leben lassen. Wohl wenig beschreibt die Stimmung, die an diesen Abenden dort herrscht, besser.
Auf dem Rückweg erspähe ich durch über dem noch lichten und niedrigen Schilf den Weiher und dort ein Boot mit zwei Anglern. Was für ein schöner Moment. Eine unglaubliche Ruhe strahlt dieser kurze Augenblick aus. Feierabendruhe, Feierabendbesinnlichkeit, die Wärme eines Frühsommerabends. Ein Moment, um stehen zu bleiben, zu schauen, zu genießen.
Das ist Urlaubsfeeling mitten im Alltag. Kurz rückt der Wunsch, im Sommer sonstwohin in Urlaub zu fahren, in weite Ferne. Warum auch, ist doch wunderschön hier? Sollen sie doch nach Mallorca fliegen…
In Gedanken bin ich bereits woanders. Wer sagt mir denn, dass das, was ich sehe, nur der Kiesweiher ist? Könnte es nicht genauso gut ein Strom in einem fremden Land sein, der ganz gemächlich dahinfließt? Braucht es an solchen Abenden viel Phantasie, sich einfach wegzuträumen?
Genug geschaut, die Neugier treibt mich weiter. Einen kleinen Rundgang durch das Kieswerk erlaube ich mir, immer darauf hoffend, dass kein Werksmitarbeiter oder Sicherheitsdienst, womöglich noch mit Hund, nach Feierabend seine Runde dreht und mir Ärger ins Haus steht. Aber angesichts der vielen Menschen, die hier ihren Abend verbringen, ist diese Sorge wohl unbegründet. Und im Zweifel wissen die alle besser als ich, ob hier patroulliert und man des Geländes verwiesen wird. Wäre es so, sie wären vermutlich alle nicht hier.
Lediglich ein Graffiti schaut mich streng an. Oder argwöhnisch?
Leere Flaschen, Scherben, Pizzakartons und Kohlereste auf dem Boden beweisen, dass hier offensichtlich reger Besucher-Betrieb herrscht, und ganz sicher nicht von Firmenmitarbeitern. Solche Vermüllungen sowie Vandalismus haben dazu geführt, dass andere Kieswerkbetreiber ihre aufgelassenen Gruben für jeglichen Badebesuch gesperrt haben. Diese Entscheidung war mehr als verständlich.
Es quakt aus allen Wasserpfützen und Tümpeln. Aus jedem noch so kleinen Wasserloch, das durch die Kiesgewinnung entstanden ist, ist ein Froschbiotop geworden, sie säumt ein schmaler Schilfgürtel. Tausende Kaulquappen wuseln durchs klare, flache Wasser. Nähert man sich, springen die Frösche in hohen Bögen ins Wasser und tauchen ab. Vielleicht sollte ich mich noch einmal her begeben, mit mehr Zeit, mehr Geduld und einem Teleobjektiv. Ist ja nicht so, als hätte ich nicht einen Schrank voll Fotos mit Fröschen und einen Froschteich in Hörweite von Zuhause, da kommt es auf ein paar Dutzend Bilder mehr ja auch nicht mehr an…
Die Gebäude zieren Grafittis, die Förderbänder dominieren das „Setting“ – alles hat den Charme langsam verfallender Industriebrachen, auch wenn das Werk wie bereits erwähnt noch in Betrieb ist. Ein Eldorado für Menschen, die so etwas mögen und gerne fotografieren – so wie für mich zum Beispiel. Stundenlang kann ich durch solche Gelände streifen und nach Fotomotiven und Perspektiven suchen.
Irgendwann wird es dann Zeit, heimzufahren. Ein letzter Blick gegen die Abendsonne und die drei auf dem Sandberg.
Das ist Lust und Freude am Sommer pur. Diese unglaubliche Leichtigkeit des Seins…
PS: Falls Sie auch ein Faible für diese ganz besondere Atmosphäre vom Sommer in Industrielandschaften haben, die sich die Menschen „erobern“ und es sich dort schön machen, dann darf Ich Ihnen dringend den Bildband Am Kanal, den ich hier ausführlicher vorgestellt habe, ans Herz legen. Er zeigt wunderbare Fotos, vorwiegend vom Sommer an den Kanälen im Ruhrgebiet.
PPS: Ich will ehrlich sein – die Bilder entstanden nicht alle an dem einen Abend, als ich mit Herbert dort war, ein paar sind samt der beschriebenen Eindrücke auch eine Woche darauf gemacht. Als es wieder mal zweieinhalb Sommertage gab…
Mehr! Wir brauchen mehr davon!
Vielen Dank fürs Lesen.
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