Münchner Schädel
An einem freien Freitag im März, nehme ich mir Zeit, den Touristen zu spielen. Was heißt: Ich schnappe meine Kamera und streune durch die Fußgängerzone der großen Stadt. So ganz genau weiß ich noch nicht, was ich eigentlich fotografieren will. Ist aber auch egal, ich lasse mich treiben. Der Blick schweift nach links, nach rechts, ich laufe über die Kaufinger Straße, den Viktualienmarkt, die Sendlinger Straße herunter.
Motive gibt es en masse. In kurzer Zeit entstehen Bilder für mehrere Blogbeiträge, wie auch für diesen.
Ein Sturschädel in Tracht mit riesigem Gamsbart am Hut ranzt mich auf dem Viktualienmarkt an, ich solle ihn zuerst fragen, bevor ich ihn fotografiere. Ich mache im klar, dass ich nicht ihn sondern den Turm vom Alten Peter fotografiert habe, ich habe gar kein Interesse daran, solche Leute wie ihn zu fotografieren. Gerne könne er sich die Bilder ansehen.
Er schüttelt motzig den Kopf. Dann wäre es ja gut.
Was ich daraus lerne: Ich bin von echten Touristen kaum zu unterscheiden. Das ist dann der Punkt, an dem ich entscheide, in die Asamkirche zu gehen und dort wie ein Irrer zu fotografieren.
Kaum ein Ort in München verbindet sich groteskeren Touri-Momenten als diese Kirche in der Sendlinger Straße. Noch immer sehe ich den Urlauber mit kurzen Hosen auf der anderen Straßenseite dem Kirchenportal gegenüber stehen, wie er sich selbst mit einer Videokamera filmt und ins Mikro spricht: „Wir stehen hier vor der Asamkirche…“
Das ist sicher 25 Jahre oder noch länger her. Heute im Instagram- und YouTube-Zeitalter ist das vermutlich ganz normal. Aber dieser Typ und die Asam-Kirche, das gehört für mich seitdem zusammen. 100% Klischee-Tourist. Und das ist etwas, was ich nie sein wollte. Auf diese Stufe wollte ich mich nie begeben.
Doch.
Heute gebe ich den Touri. Heute stehe ich nicht nur vor sondern auch in der Asamkirche und fülle die Speicherkarte bis zum Anschlag. Auch drinnen.
Denn Fotografieren ist nicht verboten, so lange ich kein Blitzlicht verwende (natürlich nicht). Das fortwährende Klappern meiner Kamera stößt auf wenig Gegenliebe bei zwei in den Bänken sitzenden, andächtigen Frauen. Grimmig schauen sie herüber. Ich lächle sie frech an.
Hallo…
Ich bin Tourist. Und ich mache hier Fotos. Wenn Sie das stört, warum gehen Sie nicht in eine weniger interessante Kirche zum Beten? Beten kann man doch überall. Muss doch nicht unbedingt hier sein.
Also lasse ich mich weiter stören und halte drauf, was das Zeug hält. Der Einzige bin ich sowieso nicht, aber die anderen fotografieren eben geräuschlos mit ihren Handys.
Besonders angetan haben es mir die vielen Totenköpfe, die hohlen Schädel, die Vanitas-Symbole des Barocks, auch wenn die Asambrüder hier ein wenig der Zeit hinterher hinkten. Denn die Blüte der Vanitas vanitatum et omnia vanitas Zeit war gut hundert Jahre früher in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der großen Seuchen, als die Menschen alle Gründe dieser Welt hatten, ihre Vergänglichkeit zu besingen.
Aber ich will ja nicht kleinlich sein. Wieder und wieder fotografiere ich diese Münchner Totenschädel – und kaum bin ich mit dem einen fertig, entdecke ich einen weiteren.
Da müssen die beiden Frauen noch etwas Geduld haben.
Alle Schädel sehen sehr plastisch aus, alle sehr realistisch.
Wer kann da schon widerstehen?
Außerdem brauche ich diese Bilder für mein Blog und fürs Archiv.
Sorry, Ladies.
Vanitas vanitatum et omnia vanitas.
Ich sag’s doch…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Nochmals vielen Dank für diesen Blogbeitrag!
Auf dem Weg in den Urlaub gab es einen Zwischenstop in München – zu kurz, um alles Bemerkenswerte dort zu sehen – aber dank dieser Bilder mußte die Asamkirche dabei sein.
Und es hat sich echt gelohnt!
Ich habe auch viele Bilder gemacht (auch mit klickendem Verschluss aber ohne böse Blicke :D ), natürlich auch von den Totenschädeln, und vor allem die Stimmung in der Kirche sehr genossen :)
Das freut mich, wenn meine Blogeinträge und Bilder Leute inspirieren, solche Orte selbst einmal zu besuchen. Vielen Dank