Was nervt: Kunstverbesserer

Kunstverbesserer nerven, auch wenn sie in guter Absicht handeln, wie vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung Marcel Laskus klug analysierte. Er bezog sich auf den Fall aus dem Jelzin Museum in Jekatarinenburg, bei dem ein Museumswärter zwei von drei gesichtslosen Frauen, portraitiert von Anna Leporskaja, kurzerhand mit Kugelschreiber Augen verpasste. Er hatte Langeweile. Und er meinte, dem Bild fehle etwas. Das ist beileibe kein Einzelfall.
Manchmal fehlt es an Sachverstand gepaart mit gutem Willen, meist aber sind es einfach nur Idioten, die keinerlei Respekt vor der künstlerischen Arbeit anderer haben und ihren Mist einfach drüber schmieren müssen.

Opfer solcher Attacken sind viele Kunstwerke im öffentlichen Raum, die von Schwachköpfen bewaffnet mit Sprühdosen, verunstaltet werden. Tag drüber, irgendwelche politischen Botschaften oder Provokationen, ganz so im Niveau frühpubertierender Schüler, die in ihren Unterrichtsbüchern Fotos irgendwelcher wichtiger Menschen mit Bärten, Zahnlücken etc. verunstalten. Ich gebe zu: Das habe ich auch gemacht.

Aber da war ich elf oder zwölf und mir war im Unterricht sterbenslangweilig, weil ich vermutlich wieder einmal gar nicht begriff, worum es eigentlich ging.

Als ich für die Twitter-Aktion #JedeWocheEinFoto in der Mittagspause zu den Unterführungen des Oberhofer Weges am Frankfurter Ring und den Bahngleisen daneben im Münchner Norden laufe, um Streetart zu fotografieren, finde ich nicht ein einziges Bild, was nicht irgendwelche dilettantischen Sprayer beschädigt haben. Eigentlich war dort eine wunderbare „Galerie“ mit großflächigen Bildern. Streetart vom feinsten.
Die Streetart ist immer noch da, aber dann kamen die selbsternannten „Kunstverbesserer“. Es ist nicht schwer zu erkennen, was das Original war und was nachträglich darauf gesprüht wurde. Zum Beispiel das Hitlerbärtchen…

die Blutaugen…

…dummes Geschreibsel und so vieles mehr.

Warum?

Es kann nur einen Grund geben: Die Dummheit, Respektlosigkeit und kolossale Ignoranz der Sprayer, vielleicht auch ihr tiefsitzender Frust, es mit echter Streetart nicht im Ansatz aufnehmen zu können und es daher zu zerstören – zumindest zu beschädigen. Denn von Verbesserung ist hier keine Spur zu sehen. Das Gegenteil ist der Fall.

Cool ist das nicht und Kunst noch viel weniger.
Eigentlich kann das weg.

PS – Zwei spannende Media-Tipps zu dem Thema Street Art:

  1. Dirk Primbs‘ Podcast Fotomenschen beschäftigt sich in der Folge Queen of Street Art mit der Fotografin Martha Cooper, die 1984 zusammen mit Henry Chalfant einen den ersten und noch immer maßgebenden Bildband Subway Art, Engl. ed. (Affiliate Link) über New Yorker Street Art veröffentlichte. Mit ihren Fotografien machten die beiden das Thema überhaupt erst einem weltweiten Publikum bekannt. Im Podcast ist viel über Streetart in Erfahrung zu bringen.
  2. Einen wunderbaren Bildband über Street Art veröffentlichte 2009 Alex MacNaughton, er lenkte seinen Blick auf die britische Hauptstadt: London Street Art Anthology (Affiliate Link).

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