Hundert Bahnen Einsamkeit – wenn man ein Hallenbad nur für sich hat

Alles ist gelogen an der Überschrift. Es fängt schon damit an, dass Alleine sein und Einsamkeit zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Das gilt grundsätzlich, macht sich aber im Schwimmbad besonders bemerkbar, wovon in diesem Blog bereits die Rede war.

Es waren auch nicht hundert Bahnen, die ich alleine war. Wenn man es genau nehmen will, waren es nur etwa zwanzig der geschwommenen hundertvierzig. Gezählt habe ich sie nicht. Ich war einfach zu beschäftigt mit anderen Dingen.
Schon im Kassen- und im Umkleidebereich fällt mir die gähnende Leere in meinem Hallenbad auf. Keine Stimmen, keine Geräusche, niemand, der sich die Haare föhnt, alle Schränke unbenutzt, das ist fast schon gespenstisch.

Die Leere im Bad ist kein Wunder an einem Ostermontag, an dem die Temperaturen deutlich über 20 °C liegen. Alle zieht es nach draußen, sofern sie nicht durch feiertägliche Verpflichtungen indisponibel (geiles Wort, oder?) sind. Und die ersten wagen sich auch schon wieder draußen ins Freiwasser. Wer geht da noch ins Hallenbad?

Beim Betreten der Schwimmhalle bietet sich fast das gleiche Bild. Zwei Frauen brüsteln gediegen im Schwimmerbecken, ein Mann krault gemächlich auf der Sportbahn. Von nebenan, dem Nichtschwimmer- und Variobecken dringt kaum Lärm. Alle Stühle und Barhocker im Gastrobereich sind leer.
Fast allein im Erdinger Hallenbad
So kenne ich eigentlich das Schwimmbad nur fünf Minuten vor Schließung – aber da laufen emsig die Angestellten umher, stellen Stühle hoch, spritzen den Boden ab und komplimentieren die Gäste hinaus. Heute schieben sie einen ruhigen Dienst.
Meine Rechnung also geht auf: Ostermontag in der Mittagszeit kann ich tiefenentspannt meine Bahnen ziehen. Niemand stört, niemand nervt, niemand drängelt, niemand blockiert.

War es vor zwei Monaten an einem Sonntag Mittag ein Glücksfall, einen freien Stuhl zu finden, habe ich heute die Qual der Wahl. Kein Stuhl und keine Liege ist deutschländisch durch Handtücher oder Taschen reserviert. Von wem auch?
Die Einsamkeit der Monoblockstühle ist verstörend.
Die Einsamkeit der Monoblockstühle
Soll ich mich zu dem Mann auf die Sportbahn begeben, der gemächlich krault, dann in Brust und altdeutsche Rückenlage wechselt? Einfach so? Aus Prinzip? Meinen Verdrängungsfaktor ausprobieren?

Nein. Natürlich nicht – ich hätte das an seiner Stelle auch nicht lustig gefunden.
Also starte ich auf Bahn 3, wechsle nach einer Viertelstunde auf die 2, als die Frau neben mir geht und schließlich auf die Sportbahn, als der Mann sein Programm beendet hat. Angekommen, daheim im vertrauten Terrain. Einsamkeit im Becken
Und dann kommt er: Der Moment, den zu erleben mir bisher versagt geblieben ist. Die letzte noch im Wasser verbliebene Frau steigt die Stufen hoch und geht. Ich habe – das ist mir im Hallenbad im dem Becken noch nie passiert – über 2 Millionen Liter Wasser ganz alleine für mich. Im Freibad kenne ich das. In der Halle (abgesehen von den hutzeligen Hotelschwimmbädern) ist mir das noch nie passiert. Hundert Bahnen Einsamkeit – bzw. Alleinesein. Welch ein Geschenk.
Ich ahnte, dass das heute passieren könnte, oder hatte zumindest die Hoffnung und bin vorbereitet.
Niemand ist da - niemand im Wasser.
Am Beckenrand liegt meine kleine Unterwasserkamera, die ich umgehend aktiviere. Fotografieren ist laut Haus- und Badeordnung im Erdinger Schwimmbad erlaubt, es bedarf ggf. aber der Zustimmung der Personen, die man fotografieren will, wenn man sie fotografieren will. Wenn aber niemand da ist, der  mit aufs Bild gelangen könnte, muss ich auch keine Menschenseele fragen, ob ich Bilder machen darf.
Also stimme ich mich auf kurzem Dienstweg mit mir selbst ab, erlaube mir, mich zu fotografieren und mache davon auch reichlich Gebrauch. Denn die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.
Es entstehen Dutzende Fotos. Auch SelfiesEtwa 10 Minuten Zeit nehme ich mir, die Speicherkarte füllt sich mit allerlei Bildern, dann ist es genug. Ich muss wieder ein paar Bahnen schwimmen. Weitere 20 landen auf meinem Zähler.
Als ich anschließend erneut zur Kamera greifen will, bemerke ich, dass wieder zwei Menschen im Wasser sind. Also keine weiteren Fotos.Herrlich - 2 Mio Liter Wasser nur für mich
Also spule ich mein restliches Programm ab. Erst als ich das Wasser verlassen habe und aus der Dusche zurückkomme, ist die Oberfläche wieder spiegelglatt. Es ist niemand mehr da.Spiegelglatte Oberfläche im Hallenbad
Arschbombe?
Raten Sie mal.


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2 Antworten

  1. Ich hoffe, dass ich nicht für ein frohes Ostern zu spät bin, auch wenn schon Ostermontag ist.