Geht noch was?
Geht noch was?
Noch mal in den Weiher?
Klar. Zwar werden die Runden immer kürzer, die Zeiten, die ich im Wasser verbringe reduzieren sich trotz Neopren deutlich, aber die Freiwassersaison ist doch noch nicht vorbei. Eine fulminante Erkältung Anfang Oktober hat mich komplett fern von jeglichen Schwimmaktivitäten gehalten, nicht mal im Hallenbad war ich, aber jetzt ist das Wetter zu schön und die Aussicht zu verlockend, als dass ich nicht doch noch mal in den Kronthaler Weiher hüpfe.
Einer geht noch – einer geht noch rein.
Verführerisch blau liegt der Weiher von mir, ein paar Menschen nutzen die Freizeitanlagen, Sonnenanbeter, ein paar Beach-Fußballer, einige Stand-Up-Paddler. Und tatsächlih ein paar Schimmer. Im Flachwasserbereich am Ufer, dort, wo das Wasser deutlich wärmer ist, schwimmt ein älteres Ehepaar, ein Stück weiter sind zwei Frauen im Wasser.
Zwei bis drei Grad Unterschied dürften es schon sein. Ich sollte das mal nachmessen. Wozu schleppe ich schließlich in meiner Schwimmtasche in Badewannenthermometer durch die Gegend? Im Uferbereich zeigt es 19 °C an, ein Stück weiter draußen und in der üblichen Messtiefe von einem halben Meter sind es nur noch 16 °C.
Mein Plan: Ich möchte kurze Abschnitte schwimmen, immer wieder an ein Ufer gelangen, immer wieder ins „Warme“; vor allem im Nordwesten, wo der Schlamm des Kieswerks liegt, kann man gut Wärme tanken und sich in der Gummihaut einen Moment in die Sonne legen – wie so ein Reptil.
Es wäre geradezu sträflich, das schöne Wetter in diesem Herbst nicht auzunutzen. Die Freibäder haben geschlossen, die Hallenbäder wieder geöffnet, all das interessiert mich in diesem Moment aber nicht. Was zählt, das ist der Weiher.
Es geht etwas Wind, kurze Wellen schlagen mir ins Gesicht, als ich zunächst hinüber zu dem großen Stein schwimme – igendwie ist das immer das erste Etappenziel, irgendwie immer auch der Punkt, an dem ich den Kurs ändere.
Noch liegt der Felsbrocken im Trocknen, längst ist der Weiher noch nicht wieder so voll, wie er es normalerweise ist, der lange heiße und vor allem trockne Sommer hat auch hier seine Spuren hinterlassen.
So sehr ich den Augenblick genieße, Mitte Oktober noch so warmes Wasser zu haben, noch so lange im Weiher schwimmen zu könne, so sehr bin ich mir auch dessen bewusst, dass sich hier die Spuren des Klimawandels zeigen – und dass wir oder die nachfolgende Generationen einen immens hohen Preis werden bezahlen müssen.
Als ich gegen Ende des Schwimmens am Nordufer im Wasser hocke und die kleine Unterwasserkamera von meiner Ferse abknote, sprechen mich zwei junge Männer an.
Es sind Angler.
„Ich bin gleich weg“, versuche ich, im Vorfeld gleich Diskussionen abzukürzen. Bevor die ihre Angelrouten hier auswerfen und mich beschimpfen, dass ich ihnen die Fische verscheuche, will ich verschwunden sein.
„Ach was“, meint der eine. „Das ist sowieso ein schlechter Platz hier.“
„Irgendwie beißt heute sowieso nichts“, ergänzt der andere resigniert. „Blöder Tag.“
„Finde ich jetzt nicht“, erwidere ich. „Zumindest zum Schwimmen nicht!“
„Kann ich mir denken“, lacht der Angler. „Schwimmst ja schon ne ganze Weile.“
„Wir haben Dich vorhin schon dahinten gesehen“, deutet der andere Angler quer über den Weiher.
„Ja, das war wohl ich. Ist ja sonst keiner im Wasser.“
Die beiden erkundigen sich, wie lange ich schwimme und wie weit, wie warm das Wasser wohl ist, und ob man es im Neoprenanzug gut aushalten kann.
Ich gebe Auskunft, sie wünschen mir noch viel Spaß und ziehen weiter.
Vor allem am östlichen Ufer treiben endlos viele Blätter auf der Wasseroberläche. Ein paar Blätter fotografiere ich aus der Fischperspektive:
Ich schwimme wieder Richtung Süden, der Wind hat nachgelassen.
Eine gute Gelegenheit, ein paar Selfies zu machen. Nicht das übliche Gegrinse in die Kamera über oder unter Wasser. Das hatten wir schon.
Ich experimentiere, das Ergebnis allerdings ist zweifelhaft. Bei Durchsicht der Bilder frage ich mich: Habe ich eine Robbe aufgenommen? Oder meinen Ellenbogen? Ist das Kunst oder kann das weg?
Es wird wohl der Ellenbogen sein – denn Robben gibt es in unserem Weiher nicht. Jedenfalls keine echten. Vielleicht bin ich einfach auch nur zu schnell, um mich selbst zu fotografieren, vielleicht klappt die Koordination zwischen dem Auslösen der Kamera und dem einarmign Kraulen aber auch nicht. Egal.
Langsam wird es doch kalt – nach eindreiviertel Stunden wird es Zeit, aus dem Wasser herauszukommen. Auf mich warten Sonnenschein und eine Thermoskanne mit heißem Tee.
Auf der Liegewiese sitzen Leute sommerlich gekleidet – es ist Mitte Oktober.
2018 toppt alles. Bis jetzt sind es 154,4 km, die ich in Seen und Weihern geschwommen bin. So viel waren es noch nie: 2015 waren es 87,6 km, 2016 nur 63,8 km und 2017 108,8 km.
Und?
Geht da noch was?
Warten wir’s ab…
Vielen Dank fürs Lesen.
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