Frag doch mal die anderen (Teil 40): Jörn von Grabe

„Ja, hallo erstmal! Ich bin Jörn, werde dieses Jahr 47, womit ich dann seit fast 40 Jahren schwimme“, schreibt mir Jörn von Grabe und schränkt ein: „Zumindest brutto, weil es zwischendurch mal Zeiten gab, in denen es mir zum Hals raus hing… Ich wohne in München, komme aber ursprünglich aus Wuppertal und bin über viele verschiedene Stationen schließlich in München gelandet.“

1. Ich schwimme, weil
… ich es schon immer mache? Nein, das wäre zu banal. Tatsächlich fasziniert mich das Schwimmen aus einem speziellen Grund. Ich liebe es, mich in einem völlig anderen Medium mit absoluter Selbstverständlichkeit bewegen zu können und bin sehr froh darüber, dass ich schwimmen früh gelernt habe. Es fühlt sich frei an und tatsächlich fühle ich mich im Wasser in der Regel wohler als an Land.

02. Wo und wie hast Du schwimmen gelernt? Wie alt warst Du damals?
Meine Eltern haben mir relativ früh einfaches Brustschwimmen beigebracht. Ich weiß nicht mehr wie alt ich da war, aber es war sicherlich irgendwann am Anfang der Grundschule oder davor. Ich war offenbar schon früh wasseraffin, auf jeden Fall wird berichtet, dass ich bereits als Kleinkind im Schwimmbad gerne mal entwischt und ins tiefe Becken gesprungen bin – ohne Schwimmflügel. Ich habe dann mit 8 Jahren den Freischwimmer gemacht und, weil ich nicht vollkommen talentfrei war, bin dann sehr bald für die Wasserfreunde Wuppertal gestartet. Damit fing dann die erste Phase meiner Leistungssport“karriere“ an…

03. Am liebsten schwimme ich im Hallenbad, Freibad und See
Ich mag beides – die Kalkulierbarkeit und Rhythmik des Schwimmbades und die Freiheit und Offenheit des Sees. Im Bad lässt sich natürlich gezielter trainieren und für mich zumindest ist der logistische Aufwand geringer, ein Bad zu erreichen als einen See. Aber das Gefühl, mitten im Starnberger See oder im Bodensee zu sein, in alle Richtungen mehrere Kilometer bis fester Grund kommt und unter mir wenigstens 100m Wasser, das ist für mich ein Gefühl von Freiraum.

04. Wo findet man Dich im Sommer im Wasser, wo im Winter?
Tendenziell findet man mich eher in der Halle, da es eben logistisch den geringeren Aufwand für mich bedeutet. Die meisten Kilometer meines Trainings absolviere ich im Fitness First in der Einsteinstraße, gelegentlich bin ich aber auch beim Freien Schwimmen der Wasserfreunde München. Wenn ich Lust auf Freiwasser habe, dann nehme ich in der Regel den Feringasee. Ist kein idealer See, viel zu klein und ab August gibt es meistens Zerkarien, aber fürs Eingewöhnen taugt er.

05. Bist Du Vereins-/Wettkampf-/Freizeitschwimmer?
Eigentlich bin ich das alles zusammen. Ich habe vergleichsweise früh, mit 8 Jahren, mit dem Leistungsschwimmen begonnen und war ein relativ erfolgreicher Schwimmer. Ok, Erfolg ist wirklich relativ, aber auf meiner Stammstrecke, den 200m Brust, habe ich es immerhin mal bis unter die ersten vier in meinem Jahrgang in Deutschland gebracht. Ich habe den Schwimmleistungssport dann aber etwa 1989 zu Gunsten des damals von den USA nach Europa überschwappenden Triathlon-Sports aufgegeben. Richtig aktiv und leistungsbezogen habe ich diesen Sport dann bis etwa Mitte des Studiums betrieben. Nicht allein wegen einer schwerwiegenden Knieverletzung war dann zu dem Zeitpunkt klar, dass nichts mehr aus einer professionellen Sportkarriere werden wird – ich bin schlicht zu untalentiert fürs Laufen. Und dann wollte ich tatsächlich für viele Jahre kein Schwimmbad mehr von innen sehen. Schwimmen hat mich wirklich nur noch genervt und ich war im Wesentlichen sportlich nur noch auf dem Rennrad unterwegs. Irgendwann zwang mich allerdings ein Sehnenabriss in der Hand – ich war bei einer Abfahrt auf der Transalp mit dem Rennrad gestürzt – zu einer Bewegungspause, die ich nicht lange ertrug. Um dann festzustellen, dass das Schwimmen mit Paddles schmerzfrei ging. Das war dann der Schwimm-Relaunch.
Heute bin ich Mitglied der Wasserfreunde München und dort auch als Übungsleiter für Kurse tätig. Allerdings habe ich schon ewig keine Beckenwettkämpfe mehr gemacht, bei denen ich für einen Verein an den Start gegangen bin (eigentlich wollte ich 2018 an der DM Masters teilnehmen, war aber verletzt). Ich nehme aber immer wieder an Freiwasser-Wettkämpfen teil. Gerade 2018 war wieder eine aktive Saison, in der ich bei den verschiedensten Seewettkämpfen im Süden der Republik am Start war: Regattastrecke in München, Chiemsee, Simssee, Starnberger See, Bodensee. Ich bereite mich da durchaus seriös drauf vor, allerdings natürlich nicht mehr mit dem Ehrgeiz der Jugend. Und im Winter bin ich durch und durch Freizeitschwimmer. Auch wenn es sich zunächst widersprüchlich anhört: ich nutze im Winter gerne die Zeit, um draußen zu sein. Gar nicht mal mit den typischen Wintersportarten (ich kann z.B. nicht Skifahren), sondern ich laufe dann gerne oder bin mit dem Crossrad unterwegs. Man ist im Winter genug drinnen und das bisschen verfügbare Tageslicht nutze ich dann lieber und gehe vor die Tür.
Schwimmen wird aber immer ein Mittelpunkt meines Lebens bleiben. Mittlerweile habe ich es sogar zu meinem Beruf gemacht: Nachdem ich 20 Jahre als Bauingenieur gearbeitet habe, die meiste Zeit davon an der Universität, habe ich letztes Jahr beschlossen, all das an den Nagel zu hängen und mich als Trainer für Schwimmtechnik und Ausdauersport selbständig zu machen. Wer neugierig ist, kann sich gerne auf der Webseite www.sub66.de informieren 😉.

06. Was ist Deine Lieblingsschwimmtechnik und welche magst Du gar nicht?
Ich bin definitiv – mittlerweile – Kraulschwimmer, einfach weil es die effizienteste und müheloseste Art ist, sich im Wasser fortzubewegen. Brustschwimmer bin ich gar nicht mehr und gelegentlich baue ich eine Lagenserie in mein Training ein. Gelegentlich. Und wenn ich mal besonders mutig bin, dann lege ich mich auf den Rücken – und drehe mich schnell wieder um. Rückenschwimmen war noch nie meins, sowas kann man als gelernter Brustschwimmer einfach nicht. Umgekehrt gilt das genauso, nicht wahr, Martin? 😉

07. Was war das aufregendste, schönste, spannendste, dramatischste Schwimmerlebnis, das Du bisher hattest?
Ui. Hmm. Eine dämliche Idee war mal, in einem Urlaub auf Korsika, spontan und ohne jedes Training und dazu noch inmitten einer Wanderung vollkommen überhitzt, in einen Bergsee zu springen. Da gab es dieses Steilufer auf der anderen Seite und obwohl es Hochsommer war schien dort Schnee zu liegen. Das wollte natürlich überprüft werden, was allerdings nur schwimmerisch funktionieren konnte. Unbegehbares Steilufer auf der anderen Seite eben. Auf der Mitte des Sees meldeten mir meine Arme akute Unlust zurück, sich weiter zu bewegen. Es war wirklich frisch in dem See und die Muskeln machten einfach zu. Beseelt von dem Gedanke, es durchzuziehen (zu meiner Verteidigung: es ist 25 Jahre her!), bin ich nicht umgedreht, sondern habe mich irgendwie bis zu dem anderen Ufer durchgeschlagen. Immerhin, es war Schnee. Zurück habe ich mich dann nicht quer über den See getraut, sondern bin entlang des steinigen Ufers „geschwommen“ bis ich dann irgendwann zerkratzt an eine Stelle gelangte, an der ich aus dem Wasser konnte, um dann zitternd den Rest zu gehen. Mach ich nicht nochmal.
Schön hingegen war ein kurzes Schwimmen mit einem Humpback. Ich habe meinen Tauchschein in Mosambik gemacht, wo ich einige Zeit beruflich unterwegs war. Es gibt dort fantastische Tauchreviere, in denen man Buckelwale, Mantarochen und Riesenschildkröten finden kann. Tja, und da begegnete er mir…

08. Welche Gründe gibt es für Dich, das Wasser zu verlassen statt weiterzuschwimmen?
Meistens weil mein Training zu Ende ist. Und das korrespondiert in der Regel mit erheblicher Müdigkeit. Ich finde, es gibt ja kaum einen Sport, der einen so müde machen kann wie das Schwimmen. Ich habe es allerdings zum Ritual gemacht, das kurze Ausschwimmen ganz bewusst zu genießen, die Müdigkeit und die damit einhergehende Zufriedenheit zu spüren und mich dann noch kurz an den Beckenrand zu setzen und die Situation tief einzuatmen.

09. Der schönste Moment beim Schwimmen ist…
Naja, wenn der Flow da ist. Ausdauersport ist für mich wie Meditation, dieser ständige Rhythmus, ob beim Schwimmen, auf dem Rad oder beim Laufen. Und wenn man dann in seiner Kraft ist, gutes Wassergefühl hat und sich das Gefühl einstellt, ja, so könnte es ewig weitergehen…

10. Gibt es Sportarten, die genauso schön sind wie Schwimmen? Oder sogar noch schöner?
Ja, ich oute mich. Rennradfahren ist ein ernstzunehmender Konkurrent. Die Einsamkeit kleiner, verkehrsarmer Straßen, gerne im Winter im nahezu verlassenen Mallorca, das Erleben der Natur und von Geschwindigkeit – dagegen kommt Schwimmen einfach manchmal nicht an. Aber letztlich ist es für mich so, dass die Abwechslung eine riesige Rolle spielt. Mir wäre es zu einseitig, nur zu schwimmen oder zu laufen oder zu radeln. Jede Stimmung hat ihren Sport – und jeder Sport hat seine Stimmung.

11. Hast Du irgendeinen Schwimm auf der Liste der Dinge, die Du unbedingt noch tun/schwimmen/erleben möchtest?
Nicht unbedingt. Klar, Langstrecken-Schwimmen wie die Bodenseequerung machen Spaß und ich werde mir immer wieder neue Veranstaltungen dieser Kategorie vornehmen. Aber es gibt da keine festen Pläne für mich steht immer die Freude im Vordergrund. Bestenfalls gibt es da diese vage Idee, mich für Hawaii zu qualifizieren, wenn ich mal im Rentenalter bin… :D.

 


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2019 geht die Reihe ins vierte Jahr., jeden Monat erscheint ein neuer Beitrag. Die Serie lebt davon, dass schwimmbegeisterte Menschen etwas von sich erzählen – und so unterschiedlich wie die Menschen sind auch deren Antworten.

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