Alter Mann am Arsch
Manchmal läuft es nicht rund beim Schwimmen. Die Voraussetzungen können noch so gut sein: Sie erinnern sich? Drei Dinge braucht der Mann: Feuer – Pfeife… lassen wir das. Das ist zu lange her.
Ich meine Parkplatz vorm Loch, Spind 157 und eine freie Bahn. Trotzdem komme ich nicht in den Flow, stattdessen gerate ich in Wut.
Einfach aufhören?
Die Bahn sich selbst überlassen?
Fortgesetzt jammern Schwimmer von überfüllten Becken und Bahnen, Querschwimmern und -ulanten (Achtung: Wortwitz) und ich gehe einfach und lasse eine Bahn völlig leer zurück?
Gehört sich das? Ist das nicht völlig ungerecht und vor allem undankbar?
Ich kann es nicht ändern. Nach dem Schlauchriss zum Beispiel hatte ich keine Lust mehr, weiterzuschwimmen. Aber es kommt einfach auch ohne Vorfälle vor, dass mich auf Bahn 43 oder 59 plötzlich alles völlig nervt. Dann mühe ich mich anstandshalber ab, meine drei Kilometer vollzumachen – allen Widerständen und der steigenden Unlust zum Trotz. Aber ich weiß, dass ich mich nur mit dem anschließenden Dampfbad wieder halbwegs in versöhnliche Stimmung zurückbringen lasse.
Und dann passiert sowas…
Nach zwei Schwitzrunden in Heufrische und ausgiebiger horizontaler Regeneration auf der Liege bringe ich meinen durch reichlich viele Schwimmbabdesuche geschundenen Körper zurück in die Vertikale und schleiche zum Ausgang.
Ich sehe, dass im Becken ein Mann wenig stilvoll, aber mit umso mehr Geplatsche hin und herschwimmt: Ein Faxenmacher, der für seine kleine Tochter den Wasser-Kasper gibt.
Das Mädchen sitzt derweil auf dem Arm seiner Mutter, die am Beckenrand steht. Drei Jahre etwa mag das Kind alt sein, vielleicht etwas jünger. Sie hat großes Vergnügen an dem, was der Vater im Wasser veranstaltet. Papa imitiert dabei Seelöwennummern aus einer Marine-Show.
Auf dem Weg zur Dusche und Umkleide muss ich an der Familie vorbei. Die Mutter sieht mich kommen und tritt einen Schritt zurück, damit ich etwas mehr Platz habe. Nötig wäre das nicht, trotzdem finde ich, dass das sehr aufmerksam ist.
„Mama“, fragt plötzlich das Kind, als ich auf der Höhe von Mutter und Tochter bin, „Ist das ein Opa?“ Und dabei zeigt sie auf mich.
Ich wiederhole: Auf MICH! Das muss man sich mal vorstellen!
„Ich weiß es nicht“, antwortet die Mutter und ergänzt etwas leiser, dass das aber gut möglich sei.
Aber die Frau redet etwas zu laut. Falls sie gedacht hat, in meinem Alter hört man sowieso nichts mehr und daher könne sie eine solche schäbige und niederträchtige Bemerkung hinter meinem Rücken machen, ohne, dass ich das bemerke, dann hat sie zwei eklatante Fehler gemacht.
Erstens höre ich noch immer sehr gut – allen Bemerkungen meiner Frau zum Trotz. Die nämlich ist auch der Meinung, ich sei fast taub, nur weil ich bestimmte Songs in meinem (wohlgemerkt: meinem!) Auto auf Vol. 30 von 30 möglichen Lautstärkestufen hören will. Vielleicht meint sie das auch, weil ich das „Kannst Du mir mal eben schnell… “ bisweilen schlicht ignoriere, wenn ich gerade beschäftigt bin. Und schnell geht sowieso nicht – nicht in meinem Alter.
Auch das Telefonklingeln überhöre ich, aber das hat andere Gründe.
Der zweite Fehler dieser Schwimmbad-Mutti ist, dass sie offensichtlich weder aus dem Film RED noch aus Shining etwas gelernt hat. Also weiß sie nicht, was es bedeutet, wenn Marvin sein Schwein leert, und auch nicht, was für hübsche Sachen ein braver Familienvater mit einem Beil oder einer Axt anstellen kann, wenn er nur aus der Spur gerät. Und ich gerate gerade aus der Spur!
Natürlich werde ich nicht wie Jack Torrance seitenweise All work and no play makes Jack a dull boy in meine Schreibmaschine tippen, um mich dazu in Stimmung zu bringen. Im Zeitalter von von Copy & Paste ist das ohnehin obsolet.
Aber ich habe ein Beil… und ich werde diese Leute korrigieren, wie damals Hausmeister Grady seine Zwillinge korrigiert hat. Shining-Kenner wissen, was im Overlook-Hotel passiert ist und sind entsprechend vorsichtig.
Was mich stört, ist gar nicht mal die Tatsache, dass ich für einen Opa gehalten werde – rein theoretisch und rechnerisch wäre das sogar möglich, wenn ich nicht so schüchtern gewesen wäre, und meine Töchter nicht so wären, wie sie es sind…
Die eigentliche Unverschämtheit nämlich ist, dass Mutter und Tochter sich einig sind, dass ich aussehe wie ein Opa… und das auch noch sagen. Eine Frechheit!
Demnächst steht noch einer auf, wenn ich in einen Bus oder eine U-Bahn einsteige und bietet mir einen Sitzplatz an…
Wie heißt es doch so schön in der deutschen Shining-Version: Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. ZACK!
In the face (so sagt man heute).
Echte Opas würden an dieser Stelle vielleicht sagen: Voll auffe Zwölf.
Und Marvin: Alter Mann am Arsch.
PS: Von der Frau und dem Kind hat man nie wieder etwas gesehen.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Hihihi, so mit silberner Mähne ist man eben schnell mal einsortiert und in der Schublade gelandet.
Selbst wenn ein schwimm-gestählter Körper in aller Durchtrainiertheit glänzt.
Ich finde ja Oma oder Opa gut.
Weißt Du was die Balinesen sagen über Oma oder Opa?
Man muss immer darauf hören was die Oma oder der Opa sagen, denn unter ihren Füßen wohnen die Götter. Je mehr Kinder oder Kindeskinder Du hast, umso mehr Götter wohnen und Deinen Füßen. Also sei stolz auf dieses O vor dem Pa. Denn es heißt Du bist der Ober Papa. Nicht der einfach Papa, sondern der wunderbare O-Pa! Solltest Du aus familientechnischen Gründen erst später mit dem O bedacht werden, dann denk dir einfach nix. Mein armer Pa wurde schon, als ich geboren wurde, immer gleich als O-Pa eingeschätzt. Er bekam mich einfach sehr spät in seinem Leben geschenkt, genauso, wie er mein Ma sehr spät geschenkt bekommen hatte. Einfach,weil sie es nicht eilig hatte auf die Welt zu kommen…. er musste also warten…. Ma wurde aufgrund intensiver Aktivitäten mit dem anderen Geschlecht, seitens meines Bruders, bereits mit 42 Jahren O-Ma.
Meinem Pa war das allerdings sichtlich zu früh mit 67 Jahren.
Originaltext über meinen Bruder: „Der macht mich JETZT SCHON zum Opa!“
Ma sah das alles gelassener. Sie freute sich schon, dass sie dann vielleicht auch noch Uri werden könnte… Was sie inzwischen schon freudvoll ist.