Von Bauern und Zecken in Westendorf
Bewohner des Großraums München haben das zweifelhafte Privileg, seit Jahren von den sportlich-gleischgeschalteten Medien mit Lobeshymnen über den FC Bayern einer Gehirnwäsche unterzogen zu werden. Nicht nur, dass in jedem Radio- oder Zeitungsbeitrag das Wort Rekordmeister untegebracht werden muss, auch jeder Kuss eines Bayernspielers mit irgendeiner Blondine in irgendeinem Münchner Club ist von freistaatlicher Relevanz und daher eine Meldung wert… wenn nicht eine Schlagzeile.
In meiner Heimat ist das anders. Bei der Dichte der Fußballvereine auf engstem Raum zwischen Rhein und Weser hätte die Medienlandschaft zwischen Arminia Bielefeld und Alemannia Aachen viel zu tun. Außerdem ist dort, anders als im Münchner Raum, das Umland der Städte aufgespalten in die Anhängerschaft der unterschiedlichsten Vereine. Zwischen Köln, Leverkusen, Düsseldorf und Gladbach muss man sich ebenso entscheiden wie zwischen Dortmund, Bochum oder dieser traurigen Ansammlung in Herne-West, deren Namen mir einfach nicht über die Lippen rutschen will. Und dann wären da noch RW-Essen, Oberhausen, die Zebras in Duisburg, die Spielvereinigung Oer-Erkenschwick, Preußen Münster, Paderborn… ach, die Liste wird immer länger. Egal.
Da hat es der Bayer einfacher. Will er nicht zu den 60ern gehören oder den aufstrebenden Augsburgern zujubeln, dann hängt er sich eben an den Rekordmeister. Erfolg zieht immer Fliegen an, das kennt man ja.
Nun hat der Bayer aber tatsächlich ein echtes Privileg gegenüber den Menschen im Pott. Der Münchner kann, und er wird nicht müde, das zu erwähnen, in einer knappen Stunde in den wunderbarsten Skigebieten in den Alpen sein. Das ist natürlich entweder gelogen oder er umgeht jegliche Geschwindigkeitsbegrenzung im Mangfalltal, auf dem Irschenberg, der Inntalautobahn und selbstverständlich erst recht in Tirol. Aber das ist ein anderes Thema.
Der Ruhrgebietler kann in einer Stunde im Sauerland in Winterberg sein und sich dort mit Kegelfreunden im Sauerländer Stern vergnügen oder die mühsam zusammengekratzten Schneehäuflein zum Skifahren nutzen. Diese Indoor-Anlage verschweigen wir lieber mal.
Da haben wir es deutlich besser, auch als Zugroaste. Wir sind nämlich auch in einer Stunde in den herrlichsten Skigebieten, zumindest wenn wir es mit der Zeit nicht ganz so genau nehmen.
Das Privileg nutzen wir aus und fahren schon lange nicht mehr in den Skiurlaub sondern nur noch an den Wochenenden oder nehmen uns einen Tag frei. Wenn man morgens um 7.00 Uhr im Auto sitzt, kann man um 9.00 Uhr auf dem Berg sein. Eine Stunde eben… wie gesagt.
Unser bevorzugtes Skigebiet ist der Wilde Kaiser, der ist nah, das Gebiet ist riesig und trotz der Menschenmassen, die es dorthin zieht, geht es einigermaßen zügig. Meist geht es von Scheffau aus auf den Berg. Aber hin und wieder starten wir auch aus Brixen im Tale. Oder aus Westendorf. Dort nämlich geht einem Pottkind wie mir das Herz so richtg auf.
Westendorf hat eine Kooperation mit dem coolsten Fußballclub der Welt. Entsprechend fährt dort auch die schönste Gondel, die ich in meinem Leben gesehen habe und selbstverstänlich fotografieren musste.
Während mir sämtliche Borussenhymen durch den Kopf gehen, ich ein „Glück auf…“ juchze und vor Begeisterung dahinschmelze, obwohl die Thermometer Minusgrade anzeigen, sehen das die armen, fehlgeprägten Kinder aus München anders und versuchen in schändlicher Weise diese Gondel mit Schnee zu beschmeißen. Die Gondel ficht das hingegen ebensowenig an wie der Schlamm, den die Führungsriege ihres favorisierten Clubs regelmäßig auf die Borussia wirft. Natürlich sind die Kinder Bayern-Fans, sie haben ja auch nichts anderes. Aber sie treffen die Gondel mit ebensolcher Zuverlässigleit wie Arien Robben beim Elfer das gegnerische Tor, also eher selten. Die Kinder finden es unverschämt, dass sich direkt vor ihrer Haustür die Schwarzgelben Zecken breit machen. Erst die Gondel und dann noch so’n vermummter Typ mit Helm, Skibrille und Maske im schwarzgelben Trikot. Sie tuscheln. Über mich, leider nicht leise genug. Dabei übersehen diese dem Benehmen nach vermutlich Sollner oder Harlachinger Bürscherl, dass sie gerade nicht in Bayern sind, nicht mal in Deutschland. Westendorf liegt nun mal in Tirol und das ist in Österreich. Für die Sebis, Franzis, Seppis, Vronis, Fannis, Bastis, Hiasl, Lisl, Sophes und Gustl ist das nur schwer zu ertragen, dass man in Westendorf als Schwarzgelber herzlich willkommen ist. Hier dürfen auch Uschi, Manni, Matze, Günni, Jupp, Kalle, Bine, Klausi, Didi, Michi und Nobby beim Skifahren ihre Trikots tragen – genauso wie die Bayern. Sogar Kevins ud Jacqueline dürfen das. Hier darf man auch in der Skihütte „Maaahlzeit“ sagen, was das unser Verbum generale für „Servus“, „N’Guadn“ und „Grias Di“ ist. Wir mögen es nun mal einfacher. Der Bedienung ist das eh wurscht egal und die meisten anwesenden anderen Gäste stört das erst recht nicht. Die nämlich kommen allesamt aus Holland. Was heißt: Die bringen das Geld und sind deshalb geduldet, aber bei ihrem Hang zur Rudelbildung will man sie weder in den Liftschlangen vor sich haben noch bei ihrem ausgeprägten Seitabrutschen, den weiten Bögen und Hangqueren auf der Piste. Da sind sich Bayern und Westfalen ausnahmsweise mal einig. Denn von Bergen verstehen wir sowieso viel mehr, die Bayern mehr obertags und die Pottkinder unter Tage. Da macht uns kein Holländer was vor… und schon gar nicht beim Anfahren auf dem schrägen Parkplatz oder auf der Autobahn am Elzer Berg oder dem bereits erwähnten Irschenberg.
Also Platz da… für die Bauern und die Zecken. Hier auf dem Berg sind wir alle gleich, solange wir nicht orange tragen.
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1 Antwort
[…] so was wie uns vor 20 Jahren vergast hätte. Wir halten das aus. Wir brennen auch auf dem Berg in Echter Liebe und fahren sogar im Fußballtrikot Ski Wenn man so treu ist, dann darf man zu Recht von WIR […]