Sommerabende am Kieswerk (Teil #01)
Der Sommer ist im Anmarsch, auch am Kieswerk – selbst wenn er immer wieder ein wenig Pause macht. Vielleicht kann ich ihn mit dieser kleinen Liebeserklärung ja aus der Reserve locken und zur Rückkehr bewegen.
Untrügliches Kennzeichen für schöne Sommertage ist, dass am Weiher bis zum Abend fast alle Parkplätze besetzt sind. Große Teile der Fläche sind allerdings wegen dringender Sanierung gesperrt, was es nicht nicht leichter macht, einen freien Platz zu finden.
Eigentlich sind Herbert und ich nur für einen Feierabend-Schwimm hergekommen. Aber als wir einen der letzten freien Plätze direkt am Kieswerk ergattern, erweitere ich mein Vorhaben. An dem Gelände wollte ich mich immer mal umschauen, und das werde ich an diesem Abend tun. Von der Wasserseite her kenne ich das Kieswerk samt seinen Förderbändern und Sandhaufen.
Zwei Badeplätze, die sommers gut besucht sind und eigentlich nur vom Wasser aus erreichbar sind, habe ich beim Schwimmen ausgemacht. Zumindest, wenn man dem „Betreten verboten“ Schild am Eingang des Werks Folge leistet, kann man sie anders kaum erreichen.
Wenn man das Schild aber Schild sein lässt, sich des Lesens unkundig zeigt, unwillig tut oder das Textverständnis auf Null stellt, kann man sich noch vor dem ersten Gebäude durch die Kieshaufen und die Büsche schlagen und erreicht diese Badeplätze auch trockenen Fußes. So machen es viele.
Ein Mann sitzt auf einer Treppe vor dem vorderen Werksgebäude, er ist mit seinem Handy beschäftigt und reagiert weder auf uns noch auf die anderen Leute, die ebenfalls den Absperrzaun umgehen und sich hinter dem Gebäude entlang drücken. Gerade mal, dass er kurz den Kopf hebt, dann kommuniziert er weiter mit seinem Wischphone.
Die Sonne steht bereits tief, das Werk befindet sich längst im Feierabendmodus – wir sind beileibe nicht die Einzigen, die sich am Wasser niederlassen, im Gegensatz zu den anderen aber legen wir nur unsere Sachen ab, um danach gleich unsere Runden zu schwimmen. Die anderen Besucher haben Decken ausgebreitet, Kühltaschen geleert, hören leise Musik und trinken ihr Feierabendbierchen aus der Dose.
Wir gehen schwimmen – dafür sind wir schließlich hergekommen. Von den Pumpenansaugrohren halten wir uns fern – selbst wenn die Pumpen um diese Uhrzeit natürlich längst abgeschaltet sind.
Nachdem das Schwimmen erledigt ist, treibt mich die Neugier an. Wie kommt man zu dem ganz flachen Badeplatz?
Ein wenig wirkt das abendliche Kieswerk wie ein Lost Place, dem ist aber nicht so, werktags donnern zeitweilig die Kieslaster im Minutentakt am Weiher vorbei. Jetzt aber ist alles still bis auf das Lachen und Rufen der jungen Männer auf dem Sandhaufen. Für Kinder und Teens, aber auch für Twens, scheint der große Sandberg besonders attraktiv zu sein – ihn zu erklimmen und dann von oben wieder hinab in den Sand zu springen macht immensen Spaß.
Aber es macht auch Spaß, ihnen einfach dabei zuzusehen.
Andere spielen Fußball oder werfen Frisbees hin und her. Auf einer Decke hockt eine Gruppe junger Leute, in der Mitte steht eine Shisha. Aus einer Bluetooth-Box tönt irgendetwas, was man mit etwas gutem Willen als Musik bezeichnen könnte. Aber mir muss das auch nicht gefallen, ich bin ja keine zwanzig mehr.
Es kommen immer mehr Menschen – zu zweit schleppen sie eine Kiste Bier herbei, die sie ins flache Wasser stellen. Ob die kühlende Wirkung ausreicht, bleibt allerdings fraglich. Da ich eben keine zwanzig mehr bin, habe ich genug Erfahrung, das zu wissen.
Ein Trampelpfad führt uns zu der zweiten Badestelle, hier ist der Boden lehmig und sandig. Erde und Sand, die beim Kiesabbau aus dem Wasser geholt werden, finden hier ihren Weg zurück. Den Platz kenne ich auch nur von der Wasserseite her. Hier sind über die Jahre einige Selfies mit dem Motiv Gestrandet entstanden, so zum Beispiel dieses im vergangenen Jahr:
Von der Wasserseite hatte ich den Trampelpfad bereits gesehen und war immer neugierig, wo der hinführt bzw. herkommt. Nun weiß ich auch das. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auf den nicht mal 50 Metern durch Schilf und Weiden ganz woanders hin zu träumen.
Erstaunlich viele Pfade und Wege führen am Ufer des Weihers durchs Gestrüpp. Räder, die davor stehen, verraten, dass sich etwas tut im Buschwerk. Junge Mädchen kichern, lassen eine Zigarettenschachtel kreisen, niemand soll wissen, dass sie heimlich rauchen.
Auch im hinteren Teil des Geländes haben sich viele sonnenhungrige, überwiegend junge Leute niedergelassen, jeder hier hat offensichtlich seinen Lieblingsplatz.
Auch am zweiten, tiefblauen Weiher, in dem noch aktiv Kies abgebaut wird, sitzen Menschen am Ufer oder liegen auf dem Kies in der Sonne. Der Bagger steht still, es ist Feierabend, das Wochenende naht.
Nur auf dem Feld neben dem Weiher wird noch emsig gearbeitet. Ein Bauer besprüht sein Feld mit irgendwas. Er beobachtet mich argwöhnisch, während er seinen Traktor vorsichtig wendet. So wie auch ich ihn. Ich weiß nicht, was er da sprüht. Erst als er langsam davon tuckert, mache ich ein paar Fotos. Vielleicht war es das, was ihn gestört hat. Jemand, der ihn fotografieren könnte bei dem, was er tut.
Mir steht allerdings nicht der Sinn danach, in Erfahrung zu bringen, was das versprüht wird, vielleicht will ich es lieber gar nicht wissen. Und an einem solchen Abend schon gleich zweimal nicht…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Hallo, der Beschreibung nach scheint das ein toller Platz zu sein. Welcher See bzw. welches Kieswerk ist das?
Schönen Gruß
Das ist der Kronthaler Weiher in Erding. Nebst gleichnamigen Kieswerk.