Mediatipps (Teil 27): „Schwimmen mit Rosemary“ von Libby Page
So kann man es natürlich auch machen. 2018 veröffentlichte die britische Autorin Libby Page ihren Roman The Lido, der im Jahr darauf in Deutschland unter dem Titel Im Freibad erschien.
Lief wohl nicht so gut, das Buch. Und so entschied sich Ullstein, das gleiche Buch unter dem neuen Titel Schwimmen mit Rosemary einfach noch mal zu veröffentlichen. Das steht zwar soweit auf den Katalogseiten der einschlägigen Onlinehändler, wer aber etwas weniger aufmerksam ist, der hat vielleicht plötzlich zweimal den gleichen Roman daheim.
Das ist mir nicht passiert, soviel vorab. Ich habe das Buch Im Freibad irgendwie nicht wahrgenommen. Möglicherweise, da es beworben wurde wie so viele vergleichbare Titel als einer der Romane von Frauen für Frauen und über Frauen.
Zwar pilchert es nicht allzusehr, zwar schmökert sich Schwimmen mit Rosemary wunderbar leicht durch den Sommer, aber es ist eben doch irgendwie seichte Gebrauchslektüre, was Nettes für den Urlaub, den Strand – oder eben das Freibad. Und hätte Petra Martin in ihrem Chlorhuhnblog nicht die Werbetrommel dafür gerührt, vermutlich hätte ich von der Existenz dieses Buches nie etwas erfahren. Dabei erfüllt schon diese Geschichte über das Buch alle Klischees, denn Petra hat es im Olympiabad in München von einer Schwimmfreundin geschenkt bekommen, „Sie meinte, das würde super zu mir passen und gefällt mir gewiss“, wie Petra schreibt.
Und Petra zieht, nachdem sie den Inhalt des Buches vorgestellt hat, Parallelen zwischen dem Erzählten und ihrem eigenen Erlebten – „Im Wasser bin ich geborgen!“ Die Quintessenz des Ganzen. Da findet sie sich wieder.
Das hätte mich stutzig machen sollen. Zu viele Indizien sprechen dafür, dass ich nicht unbedingt als Leser dieser Art Literatur im Blickfeld der Autorin war. Wie gesagt: Von Frauen, über Frauen für Frauen. Aber es geht nun mal vornehmlich ums Schwimmen und um die Rettung eines Freibads im Londoner Stadtteil Brixton, dem wegen der defizitären Haushaltslage die Schließung droht, zumal ein Investor furchtbar gierig auf das Grundstück in Brixton schielt und damit seine ganz eigenen Pläne hat. Schon mal irgendwo einen ähnlichen Plot gelesen oder in einem Film gesehen? Sicher, oder?
Stammgast Rosemary, resolut, 86jährig, und die von Panikattacken und Einsamkeit gequälte Lokaljournalistin Kate, die bisher nur alberne Kurzmeldungen hat schreiben dürfen, sehen sich plötzlich mitten im Kampf um die Existenz des Bades wieder.
Die beiden höchst unterschiedlichen Frauen freunden sich an – die gemeinsame Sache verbindet. Und am Ende gewinnen alle. Na ja fast alle.
Mit viel Gefühl, viel Nabelschau der Protagonistinnen, vielen vorhersehbaren Entwicklungen, reichlich Stereotypen und Rückblenden, in denen es nicht weniger vor Klischeebildern wimmelt, kommt Schwimmen mit Rosemary daher.
Und macht doch Spaß.
Weil es eben auch ein großartiges Gemälde vom Leben im Kiez von Brighton ist: Da gibt es die Obsthändlerfamilie mit Migrationshintergrund, die schwulen Buchhändler, den vor Anzeigenkunden einbrechenden Lokalzeitungsmacher, den ganz und gar unangenehmen Vorortpolitiker, den wackeren Bademeister, die alleinerziehende Mutter am Existenzminimum, die alten Damen beim Tee. Eben all die Menschen, die es auch im richtigen Leben gibt, nur vielleicht nicht so konzentriert als soziales Umfeld der beiden Hauptpersonen. Manche werden zu wichtigen Nebenfiguren, andere huschen nur einmal kurz durch die Geschichte.
Und weil der ganze Roman bis auf einige höchst originelle Twists so wunderbar vorhersehbar ist, spoilere ich jetzt hemmungslos: Natürlich wird, wer ahnt es nicht, die Bedrohung der heilen Welt am Brockwell Park abgewehrt, das Bad gibt es heute noch. Zumindest ist es auf Google Maps ohne größeren Aufwand zu finden, das Haus gegenüber, in dem Rosemary wohnt mit dem Ausblick auf das Schwimmbad übrigens auch:
Kunststück, der Roman ist ja pure Fiktion.
Natürlich festigt das Schwimmen mit Rosemary Kates Gleichgewicht. Sie erwacht aus ihrer Einsamkeit, gewinnt neuen Schwung, lernt neue Menschen kennen, sogar die Panikattacken überwindet sie. Was Schwimmen alles bewirken kann… fabelhaft. Wäre es doch immer so einfach wie zwischen den Buchdeckeln solcher Sommerlektüre.
Doch bis zum ebenfalls vorhersehbaren Finale kommt, passiert noch – halt, ich will doch nicht alles verraten.
So ist das eben mit Urlaubs- und Beckenrandschmökern: Ein Wohlfühlbuch mit ganz viel Gefühl, in das man am besten, vor, nach und zwischen zwei Sprüngen ins gechlorte Freibadbecken eintaucht, liest und danach ad acta legt. Aber für die paar Stunden Schmökern hat man wirklich ganz entzückende Begleitung: Rosemary und Kate.
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Libby Page: Schwimmen mit Rosemary
Taschenbuch / 384 Seiten / Verlag: Ullstein / Erschienen mit neuem Titel am 21.05.2020 / Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3548062464
Preis: 9,99 €
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