Routine macht’s – beim Neotest
Wenn man viele Jahre geübt ist, sich seine Kleidung und allerlei modischen Firlefanz selbst zu kaufen, entwickelt man darin zwangsläufig eine gewisse Routine. Die Abläufe ähneln einander sehr und aus den immer gleichen Abläufen lassen sich fast schon Regel- oder Gesetzmäßigkeiten ableiten. Irgendwann dann überschreitet man den Punkt, an dem sich das Ganze umkehrt: Waren es früher die Abläufe, die die Regelmäßigkeiten definierten, ist es heute eher anders herum: Fast bestimmen die Gesetzmäßigkeiten den Ablauf.
Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Bei mir zum Beispiel sind es zwei „Gesetze“, die sich mit der Zeit herausgebildet haben, wenn ich Klamotten kaufe. Mal greift das eine, mal das andere, nicht selten beeide. Und das bedeutet:
1. Alles läuft im Kreis
Das heißt: Ich kann noch so viel probieren, am Ende kaufe ich oft das, was ich zuallererst anprobiert habe. Die erste Wahl ist meist auch die beste. Vor allem bei Schuhen und Brillen ist das so. Noch bevor beratungswütige Käufer auf mich einstürzen und mir endlos Alternativen vorschlagen, greife ich schon einmal nach einem Paar Schuhe, einer Brille etc. und probiere. Und am Ende lande ich genau dort wieder. Allen Beratungen zum Trotz.
2. Treffsicher das Teuerste
Das hat nun nichts mit Snobismus zu tun, dass nur das Teuerste gut genug ist. Denn in aller Regel schaue ich erst nach Aussehen, dann nach der Größe und erst als Drittes nach dem Preis. Und das Gesetz will es so, dass ich dann meist die teureren Hosen, Pullover etc… in der Hand halte, die ich nicht selten gleich wieder weghänge und sage: „Ja spinn ich denn? So viel Geld für ein Stück Stoff, das muss es ja nun nicht gerade sein.“ Schade.
Am Samstag sollten sich nun wieder einmal gleich beide Gesetze erfüllen, denn ich war zum Neoprenanzug-Testschwimmen in Haar bei München. Wie immer droht das Ansinnen allerdings zunächst zu scheitern, da ich den Eingang der Schwimmhalle, die von Schulen und Baustellen umringt ist, nicht finde. Denn von der Straße der offiziellen Adresse aus ist kein Durchkommen. Da fehlt eben die genaue Ortskenntnis, auch das ist Routine.
Und warum das Ganze?
Der alte Neo tut’s nicht mehr, die Risse, die sich vergangenen Sommer gebildet haben, sind mittlerweile kaum mehr zu kleben. Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Jahr mehrere neue dazu kommen, ist groß. Das Neopren ist von UV, Chlor- und Salzwasser in den Schulterpartien reichlich angegriffen. Materialermüdung – normal.
Man rät mir, den Sailfish Attack, den 2XU P:2 und den Orca Alpha zu testen, basierend auf meinen zuvor gemachten Angaben von Größe, Gewicht, Schwimmdistanzen und -Interessen.
Das sind gleich drei Hersteller, bei denen ich mit einem gewissen Fragezeichen (um nicht zu sagen Vorbehalten) an den Start gehe. Von Orca hatte man mir einst im Laden abgeraten, der sei in der Regel sehr eng geschnitten: Will sagen, da bekomme ich meine Wampe nur mit Mühen reingepresst. Sailfish hatte ich schon mal, allerdings habe ich 2016 bei dem Testschwimmen die Erfahrung gemacht, dass die neueren Modelle nicht wirklich gut sitzen. 2XU benutze ich gerade, aber da geht mir die Materialermüdung zu schnell, nach vier Jahren einen neuen, das ist etwas ärgerlich.
Trotzdem starte ich mit dem Sailfish Attack, schwimme mehrere Bahnen in der Schwimmhalle Haar, die an diesem Samstag Nachmittag von Triathlon.de in Beschlag genommen ist. Am Beckenrand stehen Kleiderständer, auf ihnen hängen Neoprenanzüge der unterschiedlichen Hersteller in allen denkbaren Größen bereit.
Das Team gibt sich fachkundig in der Beratung und hilfsbereit bei der Anprobe. Tester und Testerinnen pellen sich mal in den einen, mal in den anderen: Kleiderschränke von Männern, aber auch Hungerhaken und eher gemütlich aussehende ältere Freizeitschwimmer. Auch viele Frauen sind da, ein buntes Volk, einige mit Freunden, Angehörigen oder Trainern, die vom Beckenrand aus fachkundig beurteilen, welche Figur die Tester beim Schwimmern machen. Manche lassen sich filmen und schauen sich selbst hinterher auf dem Clip auf dem Handy an – ich zücke auch gelegentlich mein Mobiltelefon, allerdings nur, um mich auf kicker.de über den aktuellen Spielstand in der Bundeliga zu informieren.
Der Sailfish passt, fühlt sich gut an, schneidet aber mit „nur“ 8 von 10 Punkten in meiner persönlichen Zufriedenheitsskala ab. Also den nächsten.
Der 2XU P:2 ist nun ganz und gar nicht mein Ding – es reichen vier Bahnen um zu wissen: Will ich nicht. Keine fünf von zehn Zufriedenheitspunkten. Dabei kann ich nicht mal genau sagen, was mich an dem Neo stört. Also nächster: Orca Alpha.
Ein geiles Gerät – ja ein Gerät. Vollkommen durchkonstruiert, extrem dünn an den Armen für sehr sehr hohe Bewegungsfreiheit, dafür mit einer die Körperwärme reflektierenden Titanschicht. So erklärt es mir der Orca-Händler. Es schwimmt sich genial darin.Der Anzug sitzt wie aufgesprüht. Es ist einfach unglaublich. Der Teuerste ist wieder mal der Beste (Regel 1). 10 von 10 Punkten. Doch halt.
Mir fehlt mir das gewisse Vertrauen dazu, dass das am Ende wirklich genug wärmt. Das gibt Punktabzug. Selbst, wenn es so vielleicht nicht ist, ich habe Bedenken.
Am Ende entscheide ich mich gegen den Orca. Er ist mir eben nicht nur zu teuer, er hat auch etwas zu wenig Auftrieb, was auf längeren Strecken eher ungünstig ist. Eben kein Allrounder sondern ein Top-Modell, eine Liga zu hoch und nicht unviersell nutzbar, zumindest nicht, wie ich mir das denke. Noch ein Punkt Abzug.
Weiter geht’s Orca Sonar, doch der ist nicht in der für mich geeigneten Größe zum Ausprobieren da, und damit ist der Sonar aus dem Rennen. Es hat keinen Sinn, den Anzug eine Nummer kleiner zu probieren. Gestrichen.
Also alles auf Anfang (Regel 2): Noch einmal in den Sailfish Attack und damit ins Wasser. Nach weiteren Bahnen ist die Entscheidung gefallen. Der und kein anderer. Preislich ok – sitzt, hat Auftrieb und Bewegungsfreiheit. Der erste Griff war eben doch der Richtige, so wie es das Gesetz befahl. Ob nun Neo, Brille oder neue Jeans. Es geht doch nichts über eine gewisse Routine. Hätte ich auch gleich so haben können. Aber so ist es immer…
Jetzt müsste der Anzug nur noch geliefert werden, was sicher schnell passiert. Und draußen müsste es wärmer werden. Denn mir ist das im Freiwasser einfach noch entschieden zu kalt. Trotz funkelnagelneuem Neo.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Guten Morgen :-) Ich liebe meinen Sailfish Attack. Von 12 bis 20 Grad einsatzbereit. Lange Strecken größer gleich 20 km kein Problem, sitzt eng, trotzdem gemütlich (beim Schwanken zw 2 Größen die kleinere nehmen). Sollte er einen Schaden bekommen, nenne ich Ihnen sehr gern eine hervorragende Neo-Reparaturadresse.
Herzliche Grüße
PS Vielen Dank auch für den gestrigen Neo-Bügelbeitrag. Sportfragen in einem Sportforum werden meist ernsthaft beantwortet :-)