Ja, jetzt sind die Radl da…

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück;
der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt’s im Revier,
sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Nein, noch ist nicht Ostern, noch ist Johann Wolfgang Goethes Osterpazierung aus „Faust 1“ etwas verfrüht. Vom Eise befreit sind aber langsam zumindest die Wege und Straßen. Für einen Spaziergang langt’s. Und es ist an der  Zeit, den guten alten Drahtesel wieder hervorzuholen, wenn er denn nicht hervorgetaut kommt. Denn es soll ja Leute geben, die ihr Rad den Winter über weder in die Garage noch in einen Schuppen stellen. Sie lassen es einfach einschneien. Und so verbringt ihr Rad – ähnlich wie der Efeu in unserem Garten oder anderes Gewächs – seine Zeit unter der wärmenden, gemütlich-kuscheligen Schneedecke. Unbedroht vor Diebstahl, vor Vandalismus oder gar dem Bedürfnis, es zu benutzen. Eigentlich eine praktische Angelegenheit.

radl2Jetzt, wenn die Sonne wieder hervorkommt, wird es Zeit, das gute Stück zu putzen und zu rüsten. Denn wenn der Frühling dann wirklich da ist, kann ein Ründchen auf dem Rad nicht schaden. Vielleicht mal schnell zum Münchner Flughafen? Dann aber nicht auf dem Gestell, dass so vergessen unter dem Schild bei uns im Dorf abgestellt wurde. Dort steht das Radl übrigens auch schon etwas länger. Vielleicht hat sich sein Besitzer auch lieber mit dem Auto auf den Weg zum Flughafen gemacht. Vielleicht war ihm der 23Kilo schwere Koffer auf dem Gepäckträger dann doch etwas zu wuchtig. Man weiß es nicht. Das Rad jedenfalls steht dort schon länger unberührt und unbewegt, und ich bin sicher, das bleibt auch noch ein Weilchen so… Abgeschlossen ist es natürlich nicht. Wir leben schließlich auf dem Land. Und da werden Fahrräder nicht geklaut. Wie man weiland im Wilden Westen ja auch keine Pferde geklaut hat, es sei denn, man wollte am nächsten Baum aufgeknüpft werden.

Mein Eigenes steht – natürlich – noch im Schuppen. Aber der Vorsatz ist gefasst. Dieses Jahr wird es generalüberholt und ein wenig mehr genutzt als im vergangenen Jahr. Versprochen.

Goethe werde ich, wenn ich zum Osterradeln vor’s Tor fahre, wohl nicht zitieren. Und zum Flughafen wird die Tour ganz sicher auch nicht gehen. Warum sollte sie auch?

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