Sonntag, das ist… (25) von Kleopatra träumen
Sonntag, das ist, wenn morgens die Träume höchst erinnerlich sind.
Die Minuten, nachdem der Wecker geklingelt hat bis zu dem Moment, an dem man endgültig das Bett verlässt, sind gefährlich. Fällt man in dieser Zeit zurück in Morpheus Arme, sind die Träume nicht nur sehr gut erinnerbar, sie strotzen auch vor Details, inhaltlicher Absurdität, Skurrilität oder Surrealität. Das ist das perfekte Spielfeld für Sigmund und all seine Freudianer.
Nicht, dass sonntags bei uns der Wecker klingelt, aber der in Jahrzehnten durch auf Aufstehen vor der Zeit gequälte Körper sendet Signale des Erwachens zu ziemlich gleicher frühen Stunde, an dem wochentags die Nachtruhe zwangsbeendet wird. Sonntags aber ist ein- oder mehrmaliges Umdrehen erlaubt, und dann kommen eben die Träume, die nachspielbar oder verfilmbar sind, so gut bleiben sie im Kopf.
Einmal tritt in einem solchen Traum eine Kollegin, die ein wenig anstrengend ist, auf. Den Namen halte ich zurück, man weiß nie, wer hier mitliest. Selbige Kollegin gehört nun nicht zur Stammbesetzung meiner Träume und schon gar nicht in relevanter Rolle, aber gelegentlich hat sie einen kleinen Gastauftritt als Stichwortgeberin. Und so fragt sie mich im Traum, wenn ich eine Person der Antike hätte sein wollen, dann welche?
Da braucht es keinen Freud und keine prophetischen Traumdeuter, da braucht es nur einen Blick in meine Podcast-Playliste, wieso mir die Antike gerade präsent ist. Ich hab mich vor nicht allzu langer Zeit über Hannibal und seinen Widersacher Scipio belehren lassen, über Caligula und Nero, auch über Cicero und Sulla. So rückt das antike Rom automatisch ins Be- wie Unterbewusste. Und dann ist da noch die massive Werbung für Gladiator 2, der den Blick auf die Antike derzeit auf das alte Rom einschränkt.
Dass diese Frage nun von dieser Kollegin gestellt wird, an welchem Ort auch immer, denn das Setting dieses Gesprächs ist verloren gegangen, ist wiederum analytisch spannend, zumal ich schlecht abschätzen kann, welcher zugerufene Name ihr geläufig wäre.
Spontan antworte ich „Cicero!“.
Das ist einigermaßen unüberlegt, wir mir selbst sofort auffällt. Denn nicht nur, dass Cicero immer ein Primus sein wollte und mutmaßlich entsprechend streberhaft war, scheint er auch sonst ein recht eitler Zeitgenosse in all seiner Wortgewandtheit gewesen zu sein. Vor allem aber ist Cicero eine schlechte Wahl, denn wie sein ein paar Generationen jüngerer Kollege Seneca nahm es kein gutes Ende mit ihm. Es ist wohl ein Problem antiker Philosophen, wenn sie zudem politisch aktiv sind, dass sie machthabenden Autokraten auf die Füße steigen und dann ist ihr gewaltsames Lebensende nah.
Im geträumten Dialog ziehe ich den Cicero also zurück. Ich möchte nicht auf der Flucht vor Octavian gestellt und abgestochen werden. Ich möchte auch nicht, dass mein Leichnam verstümmelt und durch die Straßen Roms geschleift wird und schon gar nicht, dass Kopf und Hände auf dem Forum Romanum zur Schau gestellt werden.
Meine zweite Wahl fällt auf Marcus Antonius. Dessen Leben nimmt zwar auch ein ungutes und selbstmörderisch gewaltsames Ende, und auch hier spielt Octavian eine entscheidende Rolle, aber, so erkläre ich der Kollegin: „Immerhin hatte er vorher was mit Kleopatra. Das wäre es wohl wert!“
Der Legende nach war es ja eine der ganz großen Liebesgeschichten der Antike. Marcus Antonius soll ja in ihrem Armen, nachdem er sich in sein Schwert gestürzt hatte, gestoben sein. So erzählt es zumindest Plutarch. Kurz darauf schied auch Kleopatra aus dem Leben.
Octavian verhängte zwar nach dem Tod des Paares eine Damnatio Memoriae und ließ alle Erinnerungen an Marcus Antonius und Kleopatra auslöschen. Dauerhaft funktioniert hat das aber nicht. Den Spielfilm mit Elizabeth Taylor und Richard Burton kann man heute noch gelegentlich sehen. Und wenn Kleopatra weiland so ausgesehen hat (hat sie sicher nicht, ich weiß!) wie Liz Taylor, dann…
„Ja, Marcus Antonius!“
Hör auf zu träumen, du alter Spinner. Steh auf, mach Frühstück. Bevor es vollkommen lächerlich wird.
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Ja, diese „Aufwachen und Wiedereinschlafen“ Träume kenne ich auch. Zuweilen spannend, of skurril, meistens aber so, dass man sich noch eine Zeit danach fragt, was real und was Traum war. Aber ich glaube, so tiefschürfende Analysen habe ich im Traum noch nie gemacht. Meine Erinnerungen an die römische Antike sind eher ein überlebter Alptraum, der in Form meiner Latei
nlehrer und der lateinischen Literatur in Form von so kleinen Büchlein in lateinischer Sprache eine nicht sehr schöne Transition in die Realität erlebte, die mir das Ende des Gymnasiums (der neuen Gegenwart) bescherte. Auch zuerst ein gefühlter Todesstoß, den ich aber irgendwie überlebte, auch wenn mich meine damalige Kleopatra, die jetzt als Dr. med. praktiziert, wegen unheilbarer Faulheit verstoßen hat. 😜
Eine gute Frage, die man halb wach, halb noch schlafend, durchspielen kann.
Interessante Namen – die alle kein gutes Ende gefunden haben. Deine Wahl kann ich aber gut nachvollziehen. Auch ich habe den Film gesehen und….ja, doch…Kleopatra ist ein aufregendes Leben wohl wert. (Nein, sicher nicht, aber irgendwie doch).
Schönen zweiten Advent