„Wit and Wisdom“ – fürs Kino, Kinogängerinnen und Kinogänger
Gumpsims – The Wit and Wisdom of Forrest Gump steht, seitdem dieser wunderbare Film ins Kino kam, in meinem Bücherregal. Das Buch versammelt Witz und Weisheit einer Filmfigur, die in meinem beruflichen Leben ebenso eine sehr kurze Rolle gespielt hat wie zum Beispiel Bella und Edward, Tony Stark, James Bond, John Hammond, Familie Yilmaz, Jean-Luc Picard, Jan Vermeer van Delft, Lara Croft, Jim Lovell, Raimund Gregorius, Fred Feuerstein, der frühe Ethan Hunt, Hildegard von Bingen, Frank Moses oder der Brandner Kasper.
Trotzdem nein: Ich gehöre keine fünfzig Jahre der Branche an, dass ich über ein halbes Jahrhundert Erfahrung verfügen könnte, um Ihnen dringende Empfehlungen für einen Kinobesuch geben zu können. Nicht mal vierzig. Aber doch lang genug, um meine sehr subjektiven Tipps, Thesen und Empfehlungen weitergeben zu können. Also los.
Hier sind meine 50 Thesen, nicht etwa anzunageln an die Pforte irgendeines Kinos, Aber, um sie zu diskutieren, vehement abzulehnen oder eifrigst zu bestätigen… Ganz wie sie wollen.
Hauptsache, Sie gehen ins Kinos. Sonst können Sie nicht mitreden.
- Gehen Sie ins Kino. Da tobt das Leben.
- Der erste Weg im Kino sollte aufs Klo führen – niemand weiß, wie lang der Film sich wirklich (an)fühlt.
- Die meisten Filme werden fürs Publikum gemacht. Nicht für Journalisten. Aber es gibt Ausnahmen.
- Filme, die im Hoch-Feuilleton verrissen werden, müssen nicht zwangsläufig Murks sein.
- Filme, die im Feuilleton hoch gelobt werden, müssen nicht unbedingt genial sein. Wenn Sie die aber sehen wollen, gehen Sie sofort ins Kino. Sonst laufen die Filme nämlich nicht mehr.
- Wo möglich vermeiden Sie, sich vor, neben oder hinter unreife Teenager zu setzen, wenn Sie anspruchsvolle Titel anschauen.
- Gilt auch für Frauengruppen, die vor, neben oder hinter einem sitzen und auf den nackten Hintern von Brad Pitt in Troja warten, beim Gemetzel aber lautstark im Sitz verschwinden.
- Filme mit Til Schweiger kann man sich sparen. Filme von Til Schweiger erst recht.
- Das gilt auch für Tom Cruise.
- Wer More of the same mag, hat seit Disneys Übernahme von Marvel und 20th Century Fox beste Chancen, immer das Gleiche im Kino zu sehen.
- Warner, Sony und Universal bieten wenig Alternativen.
- Der Independent Markt wird das „Ruder wieder herumreißen“ mit genialen Überraschungsfilmen – wie in den Siebzigern.
- Die wenigsten Remakes sind notwendig. Wie auch der siebte, achte… Teil einer Serie. Und schon gar nicht das Aufwärmen und Fortsetzen von Filmen, die 30 Jahre alt sind.
- Wer vor oder während des Abspanns aufsteht und geht, darf beschimpft werden – Kinobetreiber, die dann das Saallicht schon aufdrehen und das Publikum rausscheuchen, auch.
- Filme auf Basis erfolgreicher TV-Serien sind selten ein wirklicher Gewinn.
- Wider anderer Meinung gibt es ganz hervorragende Filme aus Deutschland. Die meisten wollen nur leider viel zu wenige Leute sehen, darum laufen die nicht allzu lange im Kino. Es lohnt sich, die zu entdecken.
- Vorsicht bei Filmen mit gelben Plakaten.
- Sogar Franz Kafka hat im Kino geweint, also wenn Ihnen danach ist: Nur zu.
- Der beste Beziehungsstresstest ist ein Kinobesuch mit Hardcore Horror und Hardcore Romantik.
- Haie, Anakondas, Riesenaffen, Spinnen, fleischfressende Pflanzen, Urzeitmonster, Dinosaurier – alles schon dutzendfach dagewesen. Kommt trotzdem immer wieder.
- Todbringende Viren und Krankheiten auch.
- Es gibt Schauspieler und Gesichtsvermieter – letztere zeigen immer nur das eine.
- Wer sich stundenlang darüber Gedanken macht, ob eine Literaturverfilmung dem Buch gerecht wird, hat die Möglichkeiten und Grenzen eines Films nicht verstanden. Aber die der Bücher auch nicht.
- Seien Sie misstrauisch bei „Must see Movies“ oder dem „Film Event des Jahres“ und ähnlichen Parolen.
- Bis heute hat kein Film die Frage beantwortet, was passiert, wenn Aliens wirklich dauerhaft die Weltenherrschaft übernehmen.
- Doch: Die Borg.
- Die meisten Menschen hierzulande sterben im Bett – also gehen Sie öfter ins Kino. Das ist wesentlich sicherer. So wurde schon vor Jahrzehnten fürs Kino geworben.
- Es stimmt trotzdem.
- Amerika gewinnt immer. Vor allem die Kriege und Konflikte, die sie im echten Leben nicht in den Griff bekommen haben. Erwarten Sie daher nichts Anderes von amerikanischen Studioproduktionen, vor allem nicht, wenn die mit Unterstützung des Pentagons gedreht wurden.
- Paramount Pictures ist vornweg dabei, „Werbefilme“ für das US-Verteidigungsministerium zu produzieren.
- Es ist mir egal, ob ausgerechnet Denzel Washington Shakespeare Figuren spielt, Helen Mirren eine Jüdin, Rupert Everett den Liebhaber galanter Damen, Daniel Day-Lewis einen Behinderten oder Meryl Streep eine krebskranke Frau – sie können das. Das ist das Wesen des brillanten Schauspiels: Sich in eine Rolle einzufinden, nicht in einer Rolle zu leben.
- Wenn Sie eine Brille benötigen, nehmen Sie sie mit ins Kino. Es erhöht den Filmgenuss ungemein.
- Kaufen Sie niemals Nachos mit Käsecreme, wenn Sie sich in Filme wie Chocolat verirrt haben. Das kann böse enden.
- Tarantino geht immer.
- Schweighöfer geht gar nicht.
- Man kann Filme auch ohne einen Putzeimer voll Popcorn und einen weiteren voll Cola genießen. Aber wer das nicht kann, hat trotzdem keinen Grund, Popcorn und Cola auf dem Kinofußboden zu verteilen.
- Disharmonische Geigenklänge, Einsamkeit, nervöse Blicke, düstere Atmosphäre künden Katzen an, die aus irgendwelchen Schränken springen. Kein Grund zur Panik.
- Der zweite Teil ist halb so gut, wie der erste (gilt meistens – nicht immer!).
- Batman und Spiderman sind auserzählt. Also fängt es wieder von vorne an. Und danach wieder von vorne. Und wieder von vorne.
- Bruce Wayne ist Batman. Wussten Sie das wirklich nicht?
- Steven Spielberg kann auch nicht alles.
- Filme mit deutschen Titeln wie Ein XX zum Verlieben oder Ein YY namens ZZ gehen immer. Oder auch nicht.
- Der Kultfilm von heute ist das Fremdschämen von morgen.
- Der Kultfilm von gestern muss erst noch beweisen, ob der Kult die Generation überdauert.
- Der Kultfilm von vorgestern ist der Klassiker von heute.
- Christoph Waltz kann mehr als Christoph Waltz. Wann lässt man ihn das endlich beweisen?
- Lachen Sie nicht über Menschen im Kino, die an der richtigen Stelle weinen. Weinen Sie über Menschen, die an der falschen Stelle lachen.
- Solange die Coen Brüder mit Frances McDormand drehen, besteht Hoffnung.
- Mach aus drei Büchern vier Filme, mach aus vier Büchern fünf Filme, aus einem zwei Filme – so funktioniert der Markt.
- James Bond wird uns alle überleben. Selbst wenn er zwischendurch mal stirbt.
- Die Helden in den Filmen finden immer einen Parkplatz direkt vor der Tür – die Kinobesucher nie. Das ist der Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit.
- Der Großteil der Fernsehgesichter sollte da bleiben, wo er ist – in der Glotze.
- Mafia Filme ohne Robert de Niro sind keine echten Mafia-Filme.
- Erzählen Sie oft und überall davon, dass Sie im Kino waren. Die Branche braucht Botschafterinnen und Botschafter für gute Filme.
- Gehen Sie nie in einen Arthouse- Film im Multiplex, wenn nebenan Roland Emmerich mal wieder die Welt zerstört. Der Schall kommt durch die Wand und zerstört den Filmgenuss.
- Menschen, die während des Films dauernd nachfragen, weil sie was nicht verstanden haben oder dauernd alles erklären, was gerade falsch ist im Film gehören in die Geschlossene. Nicht ins Kino.
- Naomi Watts ist Kassengift, nicht ganz zu Unrecht.
- Die Werbung vor dem Film sichert dem Kino seine wirtschaftliche Existenz. Daher muss man sie aushalten.
- Das ist keine Rechtfertigung für schlechte Clips und noch viel weniger dafür, jahrelang die gleichen Spots zu zeigen.
- Erst wenn Star Trek und Star Wars fusionieren wird, ist die Welt gerettet und die Vorhänge dürfen sich für immer schließen.
- …uns bleibt immer noch Paris.
Ob ich diese Liste irgendwann einmal fortsetze? Ich denke schon. Ich habe ja noch immer viel Zeit, diese Branche zu beobachten, Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, die immer schon galten und neue, die dazu kommen.
Mit der Hoffnung, dem Ganzen eine gehörigen Portion Wit and Wisom beizumengen. Zu beurteilen, ob das gelungen ist, obliegt allerdings den Leserinnen und Lesern.
Vielen Dank fürs Lesen.
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