Heimat?
… und dann waren wir im Herbst wieder mal in Hagen, in der Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Es ist ein komisches Gefühl, dorthin zurückzukehren, es ist schwer zu beschreiben und noch schwerer zu verstehen.
Hat es etwas mit Rückkehr in die Heimat zu tun? Immerhin habe ich mehr als die Hälfte meines Lebens nach bisheriger Zählung) dort verbracht. Nein. Denn ich empfinde keine heimatlichen Gefühle mehr für diese Stadt. Vielleicht liegt es daran, dass ich zu lange fort bin, vielleicht, dass ich mich auch zumindest in den letzten Jahren, in denen ich dort gelebt habe und jedes Mal, wenn ich später zu Besuch war, nicht richtig wohl gefühlt habe. Es bleibt aber ein Anflug von Nostalgie, es werden Erinnerungen wach an eine schöne Kindheit, an viele Einzelmomente. Aber es fehlt die Sehnsucht, das alles noch einmal zumindest vor dem geistigen Auge wieder zu erleben. Wenn Heimat ist, woran einer sein Herz gehängt hat, dann ist das sicherlich nicht die Stadt, in der ich geboren wurde. Auch die Straße, in der ich aufgewachsen bin und die jetzt wie verlassen da liegt, schafft es nicht, das Gefühl von Heimat in mir zu wecken. Hier gehöre ich nicht hin, schon lange nicht mehr…
Beim Spaziergang durch den Vorort, in dem ich groß geworden bin, durchqueren wir den Wald, in dem wir als Kinder gespielt haben. Hier scheint alles wie früher. Aber was sind schon 20 Jahre für einen Wald, vor allem, wenn er zum überwiegenden Teil aus Buchen besteht? Ein Wimpernschlag. Nicht mehr. Die Wege sind noch die gleichen, die Trampelpfade durch das lichte Gehölz ebenfalls. Irgendwo könnten hier die Weidenpfeile liegen, die wir als Kinder geschnitzt haben. Irgendwo könnten auch die Fahrtenmesser vor sich hin rosten, von denen wir so viele in die Bäume geworfen haben. Überall gibt es Fingerfangstellen, von denen ich mal geschrieben habe, Wir haben sie alle überlebt… Wir passieren meine alte Schule, den Kindergarten, die Kirche, in der ich konfirmiert wurde. Wir kommen an Spiel- und Bolzplätzen vorbei und an vielen Häusern, in denen die damaligen Freunde aus meiner Grundschulzeit wohnten: Arnd, Ecki, Acki, Matthias, Frank, Pöffi, Heinzpeter, Volker… und wie sie alle hießen oder genannt wurden. Zu keinem habe ich mehr Kontakt, ich weiß von den wenigsten, was aus ihnen geworden ist… und es interessiert mich auch nicht, da bin ich ehrlich. Wäre es anders, hätte ich vermutlich längst versucht, den einen oder anderen über Facebook ausfindig zu machen. Was bleibt, ist eine Handvoll Geschichten und Erinnerungen. Es ist wie ein Buch, das man gern gelesen hat und zuschlägt. Gern erinnert man sich an die eine oder andere Passage zurück, aber man weiß, dass man es nicht mehr aus dem Regal nehmen wird. Dort steht es und staubt ein.
Die Gebäude, die wir auf unserem Spaziergang sehen, wirken schmucklos. Sie sind in die Jahre gekommen, Opfer des Zahns der Zeit oder diverser Sprayeraktionen. Ich verzichte darauf, Fotos zu machen, so sentimental bin ich nicht.Und so ist es nicht nur im Großen, so ist es auch im Detail. Auf den Schildern der Bushaltestellen hat sich ein grüner Belag gebildet, manch Spielplatz sieht so aus, als sei dort seit Ewigkeiten kein Kind mehr gewesen und vermutlich ist das auch so. Kein Wunder, ein großer Teil dieses Stadtteils ist völlig überaltert. Die Familien, die dort in den 60er und 70er Jahren wohnten, haben sich aufgelöst. Die Kinder von einst sind längst weggezogen, zurück geblieben in ihren Häusern sind die Eltern, die jetzt Groß- oder Urgroßeltern sind. In der Sparkasse, in den Geschäften, sofern es überhaupt noch welche gibt, sind nur uralte Leute.
Es scheint dringend notwendig, dass sich das Viertel gehörig verjüngt und auch, dass es kräftig aufpoliert wird. Dass das wohl auf absehbare Zeit nicht geschehen wird, ist mir klar. Zum einen fehlt in der Stadt an allen Ecken und Enden das Geld, und zum anderen gibt es, das sehe ich ein, wirklich wichtigere Projekte, die finanziert werden müssten.
Wenn ich mir aber den oberen Teil der Straße anschaue, auf der wir als Kinder mit dem Fahrrad fuhren, später mit Rollerblades und Skateboard unterwegs waren, auf der wir kickten und spielten, dann schüttelt es mich. Und nicht nur, wenn ich mit dem Auto darüber fahre. Das tut weh… Aber nur das, und nur das nur kurz.
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Das ist schon so. Heimat ist da wohin man sich sehnt, wenn man weg ist. Hagen gehört auch bei mir nicht mehr dazu. Der vergleich mit dem Buch passt super. Apropos Buch. Danke habe es in 2 Tagen gelesen und mich wirklich amüsiert. An einige Details konnte ich mich in der tiefe nicht mehr erinnern. Aber Du hast recht.
LG
Axel