Bilder aus Georgien (07) – Mit dem Zug durchs Land

Fest presse ich mein Handy gegen die Fensterscheibe um nur möglichst wenig Lichtreflektionen einzufangen. Aus dem fahrenden Zug heraus, der uns von Tbilissi nach Batumi bringen soll, möchte ich Fotos machen, also durch die Scheibe. Das ist gar nicht so einfach, selbst wenn der Zug bei weitem nicht die Fahrgeschwindigkeit hat, wie hierzulande. Dass die Fahrt fast fünf Stunden dauert, liegt an der Streckenführung durch Täler und sicher auch an den vielen Brücken, die nicht besonders vertrauenserweckend ausschauen. Mit Vollgas darüber zu donnern, dürften diese alten Brücken nicht mehr allzu lange aushalten. Und dann gibt es noch die Kühe im Gleisbett.
Fast schon entschuldigt sich der junge Mann, der uns gegenüber sitzt, für die Rückständigkeit Georgiens. Was er nicht weiß: Anders als bei uns fährt der Zug  pünktlich ab und kommt pünktlich an – schon allein das unterscheidet ihn von der kaputt privatisieren Deutschen Bahn.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt am frühen Morgen steht der Zug der Georgian Railways im Bahnhof von Tbilissi bereit. Einsteigen darf nur, wer ein Ticket hat. An jeder Tür wird kontrolliert. Und da die Tickets namentlich ausgestellt wird, wird auch gleich noch der Ausweis verlangt. Umständlich vielleicht, aber so hat jede/r seinen reservierten Sitzplatz, es gibt kein Gedränge, kein Gestreite, kein Stehen-Müssen auf dem Gang. Sind alle Plätze ausgebucht, hat sich das erledigt, dann gibt es auch keine Tickets und damit keinen Zustieg mehr.
Von Tbilissi aus geht es über Kurtaisi ziemlich genau nach Westen bis zum Meer und dann an der Küste nach Süden nach Batumi. Und wie wohl überall auf der Welt ist der Blick aus dem Fenster ein eigentümlicher Mix aus wunderbarer Landschaft und den tristen Hinterhöfen in den Städten und Dörfern.


So also sehen wir Georgien ungeschminkt – nicht aufgehübscht für Tourist:innen, nicht herausgeputzt, proper und fotogen wie Tbilissis Altstadt oder die Strandpromenaden am Meer. Hier zeigt sich das Land (unfreiwillig) so wie es wirklich ist. Wunderschön und manchmal äußerst marode. Wer allerdings hierzulande mit dem Zug fährt, wird Deutschland auch nicht anders wahrnehmen.  Entlang der Zuggleise ist es selten attraktiv: Verlassene und heruntergekommene Bahnhöfe irgendwo im Nirgendwo, alte Autos, erbärmliche Mietshäuser für die, die sich sonst nichts mehr leisten können, Gewerbegebiete, trostlose Betonbrücken, Industrieanlagen und -brachen. Aber auch Flüsse, Berge, Felder, Wald, den Friedhof von Gorati .. das gleiche Gemisch bei der Fahrt durch Georgien wie durch Deutschland.
Es ist eben eine Bahnfahrt durchs reale Leben und nicht eine in einem Themenpark.

Viel ließe sich erzählen von dieser Bahnfahrt, die an Bahnhöfen beginnt, in denen morgens gähnende Leere herrscht und nicht mal ein Kiosk was Essbares verkauft; von deren Ende, wenn schon auf dem Bahnsteig die Taxifahrer die Reisenden anspringen und ihre Dienste anbieten, von wunderbar klimatisierten Zügen die aber ohne Speisewagen jedoch mit Snackautomaten ausgestattet sind, von Gesprächen mit dem Paar gegenüber, von vorbeisausenden Landschaften, von Langsamfahrt und Entschleunigung. Und ich könnte erzählen von der ganz eigenen Erfahrung, nicht so fotografieren zu können, wie ich es gerne hätte, das als Motiv nehmen zu müssen, was draußen „kommt“, ohne zu wissen, was das ist, von der verkrampfenden Hand, die das Handy hält, vom Starren aus dem Fenster und dem Hoffen, dass irgendwelche Bilder später vorzeigbar sein werden. Ich werde Motive sehen, für die sich anhalten und geduldiges Fotografieren gelohnt hätte, die ich auch ohne Foto in Erinnerung behalten muss.Einerseits ist das etwas unbefriedigend, andererseits bot sich so die Gelegenheit, viel mehr vom Land zu sehen und sich beeindrucken zu lassen, als wir es mit einer Autofahrt gekonnt hätten. Einfach nur sitzen und aus dem Fenster schauen – das geht eben im Zug viel besser und dann gleich zweimal: Auf der Hin- und auf der Rückfahrt.

Aber ich wollte mich in dieser Serie textlich kurzfassen.

Also sprechen die Bilder. Hier ein Teil der Zugfahr-Handy-Fotos. Ohne Gewähr:

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Weitere Bildergalerien von weiteren Spaziergängen und Touren in Georgien folgen.
Eine Übersicht über alle bereits veröffentlichten Beiträge finden Sie in der Ankündigung der Serie hier.


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