πάντα ῥεῖ – Alles fließt, auch die Amper

„Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt. “

πάντα ῥεῖ an der Amper

So soll der griechische Philosoph Heraklit seine Lehre beschrieben haben: Alles ist in Bewegung, nichts bleibt stehen: πάντα ῥεῖ, (alles fließt).
Kenner der Philosophie wissen, dass das aus zwei seiner Fragmente montiert ist: „Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“ (Fragment 12) und „Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“ (Fragment 49). Der Fluss ist ebenso ein anderer, wie wir selbst auch andere sind, wenn wir ein zweites Mal hineinsteigen. Eigentlich ganz einfach. Oder?

Ein gelebter Crashkurs für die vorsokratische Philosophie Heraklits sind mein Besuch in der Amper 2015 und eine Wiederholung des Flussbadens (von Schwimmen kann man hier kaum reden) 2023. Ich bin ein anderer, acht Jahre älter. Der Fluss ist ein anderer, denn das Wasser, von damals ist nicht das Wasser von heute. Und das Erlebte war auch ganz anders. Damals war es in gewisser Weise ein Tom Sawyer Sommer-Freundschafts-Erlebnis. Ich traf mich mit Alex bei Schöngeising, wir verbrachten einen tollen Abend am Fluss und später im Biergarten. Davon habe ich im Buch Bahn frei – runter vom Sofa, rein ins Wasser ausführlicher geschrieben.

Der zweite Besuch an und in der Amper ist hingegen eher ein Bad mit Hund. Und das findet nicht nur Jahre später sondern auch über 70 Kilometer weiter flussabwärts bei Zolling statt. Erst nachdem die Amper sich mal nördlich mal westlich, mal nordwestlich durch Fürstenfeldbruck, Olching Dachau, Herberts-, Haim- und Allershausen mäandert hat, den Bogen nach Osten geschlagen und Kirchdorf und Zolling passiert hat, kommt sie an diesem Badeplatz vorbei. Da ist sie längst eine ganz Andere.

πάντα ῥεῖ in der Amper

Knapp 20 Kilometer hat sie noch vor sich, dann fließt sie bei Moosburg in die Isar.
πάντα ῥεῖ – Alles fließt, also auch die Amper.

Und nichts ist gleich: Weder der Fluss noch ich sind es; die Badehose- und schuhe nicht, nicht die Kamera, mit der ich damals und dieses Mal die Fotos gemacht habe.
Wenn Heraklit doch wüsste, wie recht er hatte, vermutlich aber wusste er das.

Mit dem Bad in der Amper schaffe ich es, ein längst überfälliges Wiederentdecken eines bekannten Gewässers zu erledigen. Der erste Besuch war der mit Abstand zeitlich am weitesten zurückliegende eines Freiwasser.ä, in dem ich danach nicht noch einmal war. Und da ja für eine Beurteilung immer auch ein zweiter Eindruck wichtig ist, ich längst alle Seen und Weiher aus dieser Zeit zum zweiten Mal oder sogar öfter abgeklappert habe, nur die Amper nicht, wurde es dringend Zeit. Ganz dringend.

πάντα ῥεῖ in der Amper

Wie gut, dass ich zuvor mal wieder den Wanderführer Wandern in und um Freising, Erding & Moosburg/Isar: Genuss-Touren im Münchner Umland von Cornelia Fuchs und Dieter Herrmann in die Hand genommen hatte. In der Beschreibung des Rundwanderung Nr. 6 mit dem Titel Durchs Ampermoos bei Zolling wird beiläufig ein Badeplatz erwähnt. Und schon ist der Plan gefasst. Da fahre ich hin, das ist eine gute Gelegenheit – deutlich näher als beim ersten Besuch, Alex hat es nach Nürnberg verschlagen, ich komme also ohnehin kaum mehr nach Schöngeising. Also geht es nach Zolling, direkt hinter das zauberhafte Kraftwerk.

Dort liegt der Badeplatz direkt unterhalb von ein paar Stromschnellen, die, da die Amper ja kein Strom ist, eher Flussschnellen genannt werden müssten. Aber dieses Wort gibt es offenbar nicht.

πάντα ῥεῖ an der Amper

Erster Lerneffekt: Diesen Platz hätten wir auch von Süden aus anfahren können, dann hätten wir nicht vom Anglberger Weiher durch Felder und Wiesen zur Brücke latschen müssen. Das war nicht clever. Über die Steine an den Stromschnellen zu balancieren ist mit Hund in Begleitung keine Option. Also war der Umweg nötig.

Zweiter (erwarteter) Lerneffekt: Hier ist nicht nur ein beliebter Badeplatz und Startplatz für Kajakfahrer, hier ist es auch kein Problem, mit Hunden ins Wasser zu steigen, zumindest dann nicht, wenn die Hunde mitspielen. Ansonsten warten sie halt am Ufer und behalten einen fest im Blick. Es ist weder verboten noch stört sich jemand an den Vierbeinern.

Dritter Lerneffekt: Die Amper ist lange nicht so kalt wie die Isar. Gemessen sind es 21 °C , das ist eine angenehme Abkühlung an heißen Tagen und erlaubt trotzdem, länger im Wasser zu bleiben. Der Fluss ist nicht besonders tief, mit Schwimmen ist es also wenig, dafür umso mehr mit Baden. Die Fließgeschwindigkeit allerdings ist nicht ohne. Man könnte sich also von dem Badeplatz aus ein Stück die Amper abwärts treiben lassen, dann vor der Brücke das Wasser verlassen und auf dem Feldweg am Ufer wieder zurücklaufen. Zwei Burschen machen das auch.

πάντα ῥεῖ in der Amper

Also sinniere ich, das auch auszuprobieren, wenn ich das nächste Mal hierkommen werde, aber dann nur ohne Hund. Der würde das nicht mitmachen, kan aber nicht direkt am Ufer nebenher laufen, Bäume und Büsche trennen Fluss und Weg.

Schon wenige Meter hinter den Schnellen fließt das Wasser wieder ruhig und behäbig an Weiden entlang. Das ist so idyllisch wie einladend, das schreit förmlich nach einem weiteren Badebesuch, nach Körper und Gedanken treiben lassen, nach Sommer, Sonne und Fluss.

Bleibt die Frage, ob es entsprechend der Einleitung dieses Beitrags eine Wiederentdeckung eines alten Bekannten ist. Heraklit würde sagen: Nein! Niemals ist es der gleiche Fluss. Darf ich die Amper demnach in der Liste meiner Freiwassererkundungen zweimal zählen?
Wie gesagt; Zwischen beiden Badeplätzen liegen 70 Kilometer Flusslauf und mehrere Landkreise. Zolling ist definitiv ein ganz anderes Baderevier als Schöngeising.

Trotzdem: Nein!
Amper ist Amper. Auch wenn es philosophisch betrachtet nicht der gleiche Fluss ist, ist es doch der selbe. Und außerdem: Zwischen Gollenhausen und Felden liegen mehr als 10 Kilometer Luftlinie und doch liegen beide am Chiemsee.
q.e.d.

Der Amper ist das schnurzpiepegal. Sie fließt und fließt und fließt.
πάντα ῥεῖ


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2 Antworten

  1. Sehr schön geschrieben und fein Illustriert :-)
    Vielen Dank, dass Du uns auf diese Erkundung mitnimmst …