Lieblingswörter

Die deutsche Sprache verfügt über eine wunderbare Vielfalt an skurrilen Wörtern.

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Viele davon stammen aus diesem merkwürdigen, typisch deutschen Bedürfnis, für alles und jedes möglichst korrekte Fachbegriffe zu entwickeln und diese zu verwenden. „Verbeamtete oder verwissenschaftlichte Begrifflichkeit“ eben. Hier nun stelle ich meine ganz persönlichen Traumwörter zusammen. Ein Wort zauberhafter als das Vorangegangene – finde ich jedenfalls.
Jedes Einzelne begeistert mich immer wieder. Bitte lassen Sie sich diese Ausdrucke auf der Zunge zergehen. Sie sind so klangvoll wie poetisch und doch exakt, verbogen, verschwurbelt und doch präzise. Nehmen Sie sie ruhig in Ihren aktiven Sprachschatz auf. Es lohnt sich, führt zu fragenden Blicken im Gespräch und hilft, diesen Traumwörtern ihr Überleben zu sichern. Dies hier ist meine sich immer wieder erweiternde Auswahl. Wann immer ich auf ein zauberhaftes Wort stoße oder es aus meiner Erinnerung reaktiviert wird, liste ich es hier auf.

Und ja – ich muss mich gleich entschuldigen, dass überproportional viele Schimpfwörter auf der Liste sind. Aber gerade diese zeugen von der unglaublichen Wucht und Kreativität unserer Muttersprache. Dazu kommen alte, aussterbende Begriffe, Fundsachen aus Regio- und Dialekten, denglische Sprachverhunzungen, Trivialnamen diverser Tierarten, verquertes Behördensprech und sogar ein paar Eigenkreationen. Auch Flur-, Gemarkungs- und Ortsnamen können nicht nur hochcharmant sein, sie können auch sehr inspirierend sein. Also nehme ich gelegentlich auch einen solchen in dieser Liste auf.

Google übrigens mag diese Liste, im Ranking steht diese Seite verdammt weit oben. Wenn das kein gutes Zeichen ist, weiß ich es auch nicht.

101 Wörter sind es derzeit, doch die Liste wächst behutsam wie bedeutsam an, wann immer ich über ein neues gar zu entzückendes Wort stolpere. Sollten Sie hier etwas finden, was Ihnen gefällt: Behalten Sie es, benutzen Sie es, (wieder)beleben Sie es. Diese Wörter haben es verdient. Finde ich jedenfalls. Gemeinfrei sind sie alle, selbst wenn ich für mich reklamiere, das eine oder andere eigenhändig erfunden zu haben.

Und hier sind sie :

abhold
Freund Alex verlinkte dereinst diese Seite in einer Facebook-Diskussion um das Wort abhold und brachte damit dieses wunderbar antiquierte Wort zurück aufs Tapet. Wofür ich ihm dankbar bin. Ich sinniere, ob ich, wenn sich die Situation ergibt, mal von einer abholden Schönen sprechen sollte – statt einer holden.

Abklatsch
s. Klatschkopie, denn dieses Wort mag ich noch viel mehr. Und mit dem abklatschen (gimme five, high five…) hat das rein gar nichts zu tun.

Adlatus
„Tragen Sie mir meine Tasche schon mal zum Wagen…“
So ein Adlatus hat schon was ungemein Praktisches. Ich finde, wir sollten diesen Berufsstand wieder einführen. Wie auch den Büttel (s. dort).

Affenkopfpilz
Das ist der Gleiche wie der Igelbartpilz. Lesen Sie bitte dort weiter.

alleinbeteiligt
Das ist typisches Polizistendeutsch (wenn es so etwas überhaupt gibt). Als Beteiligter eines Vorfalls ist man ein Teil des Geschehens. Alleinbeteiligt ist man, wenn außer einem selbst niemand sonst beteiligt war. Dann ist man aber auch nicht wirklich beteiligt – zumindest nicht Teil des Geschehens. Denn ein Teil setzt ja immer voraus, dass es mehrere gibt, sonst wäre es ja ein Ganzes. Aber allein beganzigt? Unfug.

Alternative Fakten
Das muss wohl nicht mehr erklärt werden, es ist salonfähig bis in allerhöchste Regierungskreise. Ich werde mir angewöhnen, in Zukunft alles als alternative Fakten zu bezeichnen, was mir nicht in den Kram passt und nicht meiner Meinung entspricht. Ich bin ja lernfähig. Oder ich nenne es einfach Fake News.

Arschkrampe
Das ist so 80er, so retro. Vollkommen zu Unrecht geht dieses Diffamierungswort den Weg alles Irdischen und verschwindet. Ein aussterbendes Schimpfwort. Das ist so traurig, dass ich mich bemühe, es in Zukunft wieder öfter zu verwenden. Mittlerweile ist es so selten, dass es seine Wirkung heutzutage schon allein dadurch erzielt, dass mich Hörer dieses Wortes erstaunt anstarren. Was hat der gerade gesagt? Das Wort habe ich ja noch nie gehört.

Bagage (sprich: Bagaasch)
Natürlich kann man die erweiterte Familie ach liebevoller titulieren als mit dem wenig liebevollen Ausdruck ‚Bagage‘. Kann man. Muss man aber nicht. Letztlich auch nicht viel anders als das englische bagage (=Gepäck). Denn von der Bagage schleppt man meistens auch zu viel belastenderweise mit rum.

Basstölpel
Eine von vielen Tierarten, deren Trivialnamen mich vollkommen begeistern. Wie langweilig klingt Morus bassanus, wenn man Basstölpel sagen kann. Ach ja: Und die Tiere begeistern mich sowieso.

Bedarfshaltestelle
Er hält eben nicht überall, der Zug. Sondern nur bei bestimmten Haltestellen- und nur bei Bedarf. Den anzuzeigen hat der Nutzer, so er auf dem Bahnsteig steht, die Möglichkeit, sich für den Lokführer (heißt das überhaupt noch so), winkend und wild gestikulierend erkennbar zu machen. Mitreisende im Zug benutzen die Haltewunschtaste (siehe dort). Sonst rauscht der Zug durch – was bei dem Tempo der Regionalzüge zart übertrieben formuliert ist.

Belebungsbecken
Das Wort kenne ich aus einer der früheren Folgen der TV-Show Genial daneben. Hella von Sinnen, Bernhard Hoecker und ein paar andere mehr oder weniger witzige dafür umso lautere Zeitgenossen versuchten zu ergründen, um was es bei diesem Wort geht. Lässt man der Phantasie freien Lauf, kann man sich unter einem Belebungsbecken alles Mögliche vorstellen, vor allem viel Schönes. Die Wahrheit ist profaner: Es ist das Kernstück einer biologischen Kläranlage.

bipedal, Bipedie
Klingt merkwürdig, oder? Wie so ’ne exotische Krankheit, eine Verhaltensauffälligkeit oder tiefgreifende Entwicklungsstörung. Ist es auch.
Gemeint ist nämlich die Fortbewegung von Lebewesen auf zwei Füßen – das Ganze gehend, laufend oder hüpfend. Vögel machen so was. Und Menschen. Und genau darin liegt die Störung: Der Mensch hätte sich in seiner Entwicklung nie zum Zweibeiner mit aufrechtem Gang entwickeln dürfen…

blümerant
Kennen Sie dieses wunderbar altmodische Wort? Jemandem ist blümerant zumute? Dieses Wort wird vermutlich aussterben. Wie das Blau von dem es erzählt, denn das sterbende Blau „bleu mourant“ liefert die Wortwurzel für diese Gefühlsbeschreibung. Bitte benutzen Sie dieses Wort. Es ist so gediegen.

bonfortionös
Bevor es ganz ausstirbt, sei dieses zauberhafte Wort hier gelistet und unter Schutzstatus gestellt. Weil es einfach so großartig ist. So bonfortionös eben. Moment: Habe ich nicht irgendwann mal bomfortionös gesagt/geschrieben? Man sollte seine Lieblingswörter eben zumindest richtig buchstabieren können.

borniert
Es gibt so viele, wunderbare Wörter, seinem Mitmenschen eine immense Portion Dummheit zuzusprechen. Borniert ist eine der besten, denn hier paaren sich Dummheit mit impertinenter Beharrlichkeit, Rechthaberei und Einbildung. Und das alles in einer Person, einer bornierten.

Bratze / Bratzen
Es klingt so wunderbar viel Abwertendes, Geringschätzung und Vernichtendes in diesem Schimpfwort mit, dass es völlig zu Unrecht viel zu selten benutzt wird. Dabei wüsste ich ad hoc kaum, wem ich das im normalen Leben entgegenrufen könnte. Aber diverse Fernsehsender zeigen ja tagtäglich solche. Bratzen auf allen Kanälen. Das muss reichen.

Breznsoiza
Wenn man nur lang genug in Bayern lebt, dann hört man dieses Schmähwort sicher mal. So richtig bös gemeint ist es nicht, jemanden als Breznsoiza zu bezeichnen, nur weil er nichts anderes kann, als Brezn zu salzen. Oder gesalzene noch einmal nachzusalzen.

Büttel
Rangniedere, dumpfe Befehlsempfänger, die nur für untergeordnete Tätigkeiten zu gebrauchen sind, weil sie selbst zu wenig Grips im Schädel haben – warum darf man die heute nicht mehr Büttel nennen? Darf man noch? Na, dann machen wir das doch einfach.

dereinst
Wer weiland (siehe dort) sagt, darf auch dereinst sagen. Weil weiland dereinst war, was heute zukünftig und in ferner Zeit liegt. Alles klar?

Dienstagsarschloch
Eigentlich selbsterklärend, was das ist. Und mittlerweile literarisch verewigt. Noch immer ungeklärt aber ist, warum mir immer dienstags so viele Arschlöcher begegnen. Bin ich dienstags besonders sensibel dafür? Oder kommen die DA dienstags aus ihren Löchern? Oder mutieren normale Menschen dienstags zu Arschlöchern?
Man weiß es nicht, man kann nur vermuten.

Endoplasmatisches Retikulum
„ER reicht!“ sagte damals unsere Biologielehrerin. „Das Wort muss man nicht aussprechen können!“
Nicht? Doch. Selbst, wenn man mit Zellbiologie nichts mehr zu schaffen hat. Es ist einfach schön. Sprechen Sie es einfach zwanzigmal hintereinander fehlerfrei aus. Dann wissen Sie, was ich meine.

erkiesen
Das Verb ist leider schon tot. Schon über 200 Jahre. Das ist betrüblich, denn es ist so passgenau. Viel schöner als: auserwählen. Ein Rest lebt im Partizip II weiter: erkoren. Vielleicht sollten wir erkiesen reaktivieren. Es fehlt mir.

Funzel
Dem sterbenden Goethe wird der Satz „mehr Licht“ in den Mund gelegt. Das soll das Letzte gewesen sein, was der Dichter von sich gab, bevor er starb. Vermutlich, weil nur so eine olle Funzel in seinem Sterbezimmer brannte.

Gamifizierung
Habe ich das richtig im Radio gehört? Hat der Herr Professor im Zuge seiner Schilderung über die Therapie von Borderlinern ernsthaft das Wort verwendet? Das ist ja ganz großes Kino – und Denglish noch dazu. Demnächst bitte noch Spielification… Was das ist? Die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. Ich mag Spiele nicht, aber ich gamifiziere jetzt trotzdem alles.

gediegen
Das sagt heute auch fast niemand mehr. Schade eigentlich. Dabei ist gediegen doch Zeichen einer gediegenen Ausdrucksweise.

gegreenlightet
Nein, dieses absurde Beispiel einer Denglish-Phrase gehört nicht hier hinein. Dass ich es trotzdem aufführe, hat nur damit zu tun, dass ich das vor längerer Zeit mal in einem Meeting mit den Werbeleuten des Fernsehsenders Pro7 wortwörtlich so gehört hatte. „Wir können das so machen, sobald unser Chef das so gegreenlightet hatte…“ (O-Ton). Früher haben Chefs einfach ihre Zustimmung gegeben, oder von mir aus Grünes Licht gegeben.
Ich möchte das einfach nicht vergessen wissen, zu welchen sprachlichen Lächerlichkeiten Menschen, die sich für wichtig halten, fähig sind.

Gondelkopfplatzierung
Das klingt schon im Deutschen toll, vollends poetisch wird’s im Italienischen: posizionamento sulla testata di gondola. Und so etwas kennen Sie nicht? Dabei laufen Sie bei jedem Einkauf Super-, Bau- oder Verbrauchermarkt zig mal daran vorbei. Verkaufsgondeln, die bei den Regalen vor Kopf stehen. Beste Platzierungen für besondere Verkaufsaktionen. Schon um des Wortes willen lohnt es sich, Produkte aus der Gondelkopfplatzierung zu kaufen.

Haltewunschtaste
Sie möchten die Regionalbahn, den Linienbus o.ä. bei der nächsten Bedarfshaltetelle (auch ein wunderbares Wort) verlassen, also dort, wo das ÖPNV-Gefährt nur hält, wenn Ein- oder Aussteigebedarf herrscht? Dann betätigen Sie bitte die Haltewunschtaste.
Früher hieß das einfach: „Knopf drücken – Bus hält.“

Hanswürstling
Was ein Hanswurst ist, das wissen Sie, oder? Es gibt ja Leute, da reicht es nicht mal dazu. Da muss schon der Diminutiv her. Ein Hanswürstling eben. Sowas kann einem bei Twitter schon mal rausrutschen – und gleich als Lieblingswort notiert werden.

Das Wort war übrigens neu, so neu, dass nicht mal Google es kannte. Jetzt findet die Suchmaschine immerhin einen Treffer. Diese Seite hier. Sensationell.

Hausfrauentest
Wie schön, dass das Marketing noch immer mit ein paar deutschsprachigen Wörtern aufwarten kann. Was das ist, lesen Sie hier. Denn in diesem Blogpost habe ich das Wort benutzt und erklärt.

Igelbartpilz
Was für ein entzückendes Wort für Hericium erinaceus, einen kleinen, unscheinbaren Pilz, der auch Igel-Stachelbart, Löwenmähne Affenkopfpilz oder in Frankreich Ponpon blanc genannt wird. Und wohlschmeckend ist er auch, der Taublingartige, der kleine.

indisponibel
Das muss man sich erst mal leisten können, indisponibel zu sein – oder indisponiert. Ist nicht ganz das Gleiche, kommt aber auf das Gleiche heraus. Und dass erste klingt einfach noch viel vornehmer.

Kalbung
Bekommt ein Kuh Nachwuchs, wird die Geburt als Kalbung bezeichnet. Weil die Kuh kalbt. Warum gibt es keine Fohlung, keine Kitzung, keine Ferkelung? immerhin ferkelt die Sau doch auch? Und – was mich am meisten stört: Wenn die Bache Nachwuchs bekommt, warum nennen wir es nicht Frischlingung? Das wäre mal ein Lieblingswort.

Kanaille
Was für ein reizendes, leider vollkommen aus der Mode gekommenes Wort für solch bösartige Geschöpfe.
Das klingt nach Blumen, Pflegeprodukten, einer Vogelart oder französischen Leckerei und meint doch nichts anderes als einen Schuft. Chapeau, liebe Franzosen.

Kaventsmann
Mächtig Masse – von was auch immer. Mehr muss man nicht wissen.

Klatschkopie
Ein Wort, das in der digitalen Filmherstellung zum Aussterben verurteilt ist, denn es bezeichnet die schnelle und vor allem günstige Arbeitskopie von einem Filmnegativ, entliehen aus der Druckereitechnik, denn dort ist es das schnelle, billige Reproduktionsverfahren von Grafiken. Als billiger Abklatsch sicher noch bekannt, aber weiß jemand noch, woher das stammt?

Kokolores
Ich mag Unfug – irgendwie. Wie kann ich da Kokolores nicht mögen?

Komplikativ
In einem Beratungsgespräch zwischen einem Arzt und einer Patientin, dem ich aufmerksam zuhören sollte, schnappe ich das Wort komplikativ auf. Der Mediziner verwendet es im Zusammenhang mögliche Komplikationen, die sich aus einer Behandlung ergeben können, aber nicht zwangsläufig müssen.
Von dem Moment an drohe ich dem Verlauf des weiteren Gesprächsgangs nicht mehr folgen zu können. Ich entdecke das Spekulative im Komplikativen, das Faktische im Komplizierten, beschließe, das Wort später über Internetverwendung in seinem natürlichen Umfeld zu suchen und verabschiede mich mental immer weiter aus dem Gespräch, an dem ich ohnehin nicht teilnehmen muss.
Meine spätere Suche führt neben unzähligen medizinischen Betrachtungen auch auf einige äußerst schwierige theologische Texte und theaterwissenschaftliche Aufsätze, vom Spannungsfeld zwischen komplikativ und explikativ – und schon wird es viel zu komplex.

Kostennote
So etwas schicken nur Anwälte. Sie könnten natürlich auch einfach Rechnungen schicken. Aber nein: Bei Ihnen heißt das Kostennote. Sonst noch wo? Ich weiß es nicht. Egal. Liebe Anwälte, macht weiter damit. Also nicht damit, Kostennoten zu verschicken, sondern diese zu zu benennen. Sonst würde dieses entzückende Wort irgendwann sterben.

Krebbel
Bei uns daheim hießen sie Berliner. Dort, also in Berlin, heißen sie Pfannkuchen. Da wo ich jetzt lebe, heißen sie Krapfen. Aber nirgendwo ist der Name für dieses Gebäck schöner als im Hessischen. Da heißen sie Krebbel. Ein Mitnehmsel aus unserer Zeit in Wiesbaden, dass ich die Berliner Ballen oder Berliner Pfannkuchen, wie das Hefegebäck offiziell heißt, noch immer Krebbel nenne. Mit weichem b. Und nicht Kreppel. Wie es in Wikipedia steht. Was für ein Unfug. Als ob Hessen „p“ aussprechen könnten.

krude
Einst „roh“ und „ungekocht“, dann „unverdaulich“, jetzt „unfein“, „unpräzise“, „wirr“. So kann die gehen, die krude Bedeutungsverschiebung.

Kumpel
Wie kann man dieses Wort nicht lieben, wenn es der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner rede zur Schließung der letzten Zeche im Ruhrgebiet so verwendet: „…Vor Kohle ist das Wort in diesem Sinn geboren worden Vor Kohle wurden aus Fremden Kumpel. Vor Kohle war Solidarität die erste Währung!“ „Ein Wort, das ursprünglich den Arbeitskollegen unter Tage meinte – auf den man sich verlassen musste – auf Gedeih und Verderb auf Leben und Tod. Heute meint „Kumpel“ auch den Spielkameraden in der Kita, den Kommilitonen im Studium, den Kollegen im Job.  Da kann kein Buddy mithalten. Und ein Spezl, der windige Gesell, gleich zweimal nicht.

Kundenstopper
Stopp, Kunde. Stehen bleiben. Oder nein: Nicht stehen bleiben. Kommen Sie in unseren Laden. Da gibt es gerade…
Sie kennen diese lustigen Werbeschilder auf den Gehwegen vor den Geschäften? Haben vielleicht schon mal eines umgerannt, sind vielleicht dabei gestürzt. Dann hat der Kundenstopper. Sie wirklich gestoppt. Das war aber dann auch zu viel des Guten. Bitte verwechseln Sie aber den Begriff nicht mit Warentrenner oder Warentrennstab.

Kunststoffgliedermaßstab
Das Wort zeigt, wie die Zeit vergeht. Denn früher hieß dieses Werkzeug und Messinstrument einfach Zollstock. Obwohl man damit natürlich nicht in Zoll, sondern in Metern und Zentimetern Maß nahm. Und er war aus Holz. Aber das Wort Kunststoffgliedermaßstab ist so wunderbar lang – wie ein ausgeklappter Zollstock. Hoffen wir, dass es nicht durchbricht. Das Pendant ist übrigens ein Holzgliedermaßstab. Solche gibt es natürlich auch zu Hauf. Und die brechen ratzfatz entzwei. Oh wei.

Kuttenbrunzer
Niemand kann dieses alte Schimpfwort so schön platzieren wie meine ehemaliger Kollege Konrad, wenn er über die hohe oder niedere Geistlichkeit spottete. Was es meint: Männer, die in Kutten pieseln. Es gehört nicht gerade zu meinem aktiven Sprachschatz, aber jedes Mal, wenn ich es von Konrad höre, kann ich mir ein Grinsen kaum verkneifen.

Langschnauzenseepferdchen
Hippocampus reidi heißt das possierliche (s. dort) Tierchen, und das gibt es wirklich. Es lebt im tropischen Westatlantik. Kann man Tieren mehr Zärtlichkeit entgegenbringen, als dass man ihnen so wundervolle Namen gibt? Ich will sowas. Sofort.

Leibchen
Es muss früher furchtbar gewesen sein, als Kind ein solches zu tragen – ein Kleidungsstück zwischen Hemd und Unterhemd zur Befestigung der Strumpfhalter. Heute, da man Leibchen gelegentlich als Synonym für ärmellose Markierungshemden im Sport (bitte genießen Sie das Wort Markierungshemd) oder für T-Shirts verwendet, schließe ich mich dem gerne an.

Leibesertüchtigung
Das klingt viel bürokratischer als das schnöde Turnen oder bayerische Sporteln. Hier haben wir ein typisch deutsches Amtsstubenwort für eine, wie ich finde eher unangenehme Sache. Es riecht nach Turnhalle, nach Schweiß, nach stickiger Luft, Talk und Linoleum. Nach Kunststoffbällen, Tartanbahn und Sprunggrube. Und es riecht nach Zwang: Nach dem strengen Sportlehrer im Adidas-Synthetik-Trainingsanzug mit Stoppuhr, Klemmbrett und Notenbüchlein. Viele unangenehme Erinnerungen und Assoziationen. Dabei kann doch das Wort gar nichts dafür.

Magellandampfschiffente
Groß, klobig, stämmig, massig – das sind die Attribute, mit denen dieser Wasservogel aus Südamerika beschrieben wird. Ich beschließe, das Wort, dass ich zuerst in einem Beitrag über Wasservögel Linsenfutter-Blog gelesen und mich dann über diese Tiere schlau gemacht habe, in meinen aktiven Wortschatz aufzunehmen. Magellandampfschiffenten (Tachyeres pteneres) könnte ich in Zukunft jene Menschen beschimpfen oder diffamieren, die groß, klobig, stämmig, massig sind – und mir aus welchen Gründen auch immer, auf den Zeiger gehen. Allerdings befürchte ich, dass der Adressat einer solchen Verunglimpfung schnell auf den Trichter kommen könnte, was ich ihm mittels animalischer Vergleiche mitteilen möchte. Das ist vielleicht eine Spur zu offensichtlich.

Malheur
Früher war alles besser. Heutzutage ist alles immer gleich eine Katastrophe, ein Desaster. Früher gab es wenigstens noch hin und wieder ein Malheur. Damals, als die Missgeschicke kleiner und die Folgen weniger schwer waren.

meschugge
Fast schon liebevoll, wie das Jiddische es formuliert, wenn jemand nicht bei Verstand ist: Meschugge halt. Es klingt viel wohlwollender, als es ist – und so viel besser als bekloppt, bescheuert oder verrückt, fast schon entschuldigend.

Mitgängerflurförder(fahr)zeug
Immer, wenn Du denkst, es wird nicht deutscher, kommt einer daher und knallt Dir so einen Ausdruck vor den Latz: Mitgängerflurförder(fahr)zeug. Und du musst Google fragen, was das eigentlich ist. Machen Sie das. Ich wusste es bisher auch nicht.

Moderlieschen
An sich die langweiligsten Fische (Leucaspius delineatus), die man so im Teich haben kann (meiner Meinung nach). Darum leihe ich mir den Namen für eine ganz bestimmte Klientel Mitmenschen, für die ich eine heimliche Sympathie hege, obwohl sie eigentlich furchtbar nerven. Warum? Darum!

Mottek
Wuchtig und gewichtig. Einst das aus dem Polnischen vom mlotek übernommene Wort für Hammer und im Ruhrgebiet noch immer der Ausdruck für etwas Großes, Wuchtiges und Gewichtiges. Ein Mottek eben.

mutmaßlich
Natürlich kann man auch ganz einfach vermutlich sagen. Klingt nur eben nicht so schön.

ob
„Antiquiert!“ kritisierte mit Rotstift mein Deutschlehrer bei einer Oberstufenklausur die Verwendung des Wortes ob in seiner Ursprungsbedeutung, also als Synonym für „in Folge…“ oder „wegen“. „Ob der Tatsache…“ ist also antiquiert. Sie kennen mein Faible für Reaktanzen nicht, guter Mann. Ich verwende das Wort jetzt erst recht. Und übrigens Jahrzehnte später immer noch. Ob seines antiquiert-gediegenen Anstrichs.

obsolet
Nein, das Wort obsolet ist nicht obsolet, nicht veraltet und ungebräuchlich und schon gar nicht überflüssig. Im Gegenteil. Seine Verwendung zeichnet den gediegenen (s. dort) Satzbauer aus.

Okularinspektion
Wollen wir uns etwas anschauen, etwas betrachten? Oder gar in Augenschein nehmen? Dann lassen Sie uns eine Okularinspektion vornehmen. Bei Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas stieß ich auf dieses liebreizende Wort und vereinnahme es sofort für meine Zwecke.

Passagehindernis
Einst schrie Gandalf den Balrog auf der Brücke Brücke von Khazad-dûm an: „Du kannst nicht vorbei!“ Damit präsentierte sich der Zauberer als klassisches Passagehindernis, wenn auch ein literarisches. „Ich bin ein Diener des Geheimen Feuers und Gebieter über die Flamme von Anor.“
Im realen Leben ist das Thema weitaus profaner: Ein Passagehindernis im Darm kann zu einem gefährlichen Darmverschluss führen, da das Organ nicht mehr in der Lage ist, die aufgenommene Nahrung weiterzutransportieren. Irgendetwas klumpt und blockiert und verstopft. Verklumpte Speisen (bei Tieren oft auch, wenn sie Sand oder Steine mitfressen), oder auch Verwachsungen an der Darminnenwand können dazu führen,
Und nein, das ist nicht lustig. Das ist enorm unangenehm und kann hochgradig gefährlich werden.
Lebensgefährlich. Aber das war die Begegnung mit dem Balrog auch.
Schön ist das Wort trotzdem.

Pienzchen
Stammt das aus dem Hessischen? Oder sonstwo her? Ist eigentlich nicht weiter wichtig. Wichtig ist die Bedeutung. Pienzchen, das ist ein wunderbares Wort für einen überempfindlichen Menschen, der sich furchtbar anstellt.

pittoresk
Wörter, die wie gemalt klingen, um Sachverhalte zu beschreiben, die wie gemalt ausschauen – so geht Sprache.

plästern
Dat is, wennet so richtich am regnen tut, sachze?

pornös
Muss man nicht wirklich erklären, oder? Ich mag das Wort einfach, weil es so viel gepflegter klingt als „Ey, goil, Alta“ letztlich aber auch nur eine bis über die Grenze des Frivolen hinausgehende Begeisterung für etwas zum Ausdruck bringen soll. Für etwas Pornöses natürlich. Oder etwas Pornisches? Lassen Sie uns mit dem Wort spielen…. geil, oder?

possierlich
Das Wort habe ich heute noch im Ohr, es schallt aus meiner Kindheit herüber, seit ich es auf der Abenteuerschallplatte Der Schatz im Silbersee gehört habe. Dort schießt der Westmann Tante Droll auf einen schwarzen Panther, den er vorher als possierliches Tierchen bezeichnet hat. Traumhaft.

Pumpernudel
Mal ehrlich: Wer, der mehr Sinn für Skurriles als für Snobistisches hat, wollte nicht in seinem Adressfeld den Ortsnamen Pumpernudel stehen haben? Blöd  nur, dass es da nur zwei Häuser gibt. Also gehen die Zuzugschancen gegen Null. Aber chic wäre es schon, Post aus Pumpernudel zu verschicken.

rabulistisch
Wortklauberei? Spitzfindigkeiten? Kann ich, mag ich, schätze ich. Wie könnte ich also Rabulisten, Rabulistik und das daraus abgeleitete Adjektiv nicht auch mögen? Das klingt viel gebildeter und weniger negataiv konnotiert. Daher wird es, und weil es kaum einer kennt, gerne von mir verwendet, wenn ich mal wieder spitzfindig… nein: rabulistisch bin.

Ratschkatl (Ratschkathl)
Wie schreibt man es denn nun, dieses wunderbare bayerische Schimpfwort, dass man(n) geschwätzigem Weibsvolk verwenden kann, wenn die Katharina, das Katl oder Katl, wieder zu viel ratscht, also schwätzt, redet, plaudert, tratscht und sonst nichts tut? Ist eigentlich nicht wichtig. Solche Wörter wollen nicht geschrieben werden, sie wollen ausgesprochen werden. Weil sie nur ausgesprochen gut und treffsicher sind. Anmerkung: Das Wort wird mit langem A gesprochen.

ratzfatz
Ob das meint, man sei so schnell wie eine Ratte? Hat die Ratz ratzfatz alles ratzekahl gefressen?
Hauptsache eilig, Hauptsache flott.

redundant
Was ich an dem Wort so mag? Dass es so unendlich oft falsch gebraucht wird. Und dass ich immer wieder nachschauen muss, ob es wirklich redundant und nicht renundant heißt. Albern oder? Aber das ist einer meiner sprachlichen Stolperfallen. Und das gebe ich gerne zu.

Reichweitenausgleichfreispot
Werber haben für ihr Metier eine ganz eigene Sprache entwickelt, zumeist durchtränkt von englischen Wörtern. Hier aber hat sich ein urdeutsches Wortungetüm entwickelt. Spots, die der Werbetreibende vom Sender gratis bekommt, weil die zuvor gebuchten Spots nicht die erwartete Zuschauermenge erreicht hat. Hach wie schön, ein weiteres Bandwurmwort. Das geht aber sicher noch länger. Gebt Euch mal Mühe, Werbefuzzis.

Rentnerparanoia
…wurde mir auch schon unterstellt, weshalb ich Selbige hier im Blog thematisiere oder auch hier. Obwohl das Wort nicht von mir stammt, treibt Google bei der Suche danach immer wieder Leser in mein Blog. So selten wird es verwendet, dass die ersten angezeigten Treffer gleich auf diese Seite verweisen. Wie sollte ich da das Wort nicht mögen?

Rieselhilfe
Salz ist nur Salz, Zucker nur Zucker. Hab ich bisher gedacht. Falsch. In beiden gibt es eine Rieselhilfe, damit sie besser aus dem Streuer kommen. Also Zucker und Salz. Aber es kommt noch besser: Fachleute nennen das Zeug: Antiagglomerationsmittel. Brauch ich auch. Für den Kalk. Der rieselt nämlich auch ganz langsam.

Ruderalgedanken
Liegen Flächen brach (Ruderalflächen), werden sie schnell von Ruderalpflanzen überwuchert und bedeckt. Liegt das Hirn brach und muss nichts denken, kommen Ruderalgedanken und überwuchern alles mit unnützen Überlegen. Auch ein Wort aus meinem Erfindungsreichtum. Ein ganzes Kapitel darüber finden Sie in meinem Buch Bahn frei .

Schabrackentapir
Ich mag diese Tiere. Und ich mag ihren Namen. Darum habe ich auch von meiner Frau ein Plüschexemplar eines tapirus indicus bekommen. Es trägt angeblich 100kg, aber so schwer sind meine Füße nicht. Der Tapir heißt übrigens Gunther.

Schallwiderstandsanpassung
Im Radio erklärt ein Physiker, wie Trompeten und Hörner funktionieren. Er erzählt was von Schallwiderstandsanpassung für die bessere Akustik. Physiker eben. Muss man nicht verstehen. Das Wort ist einfach nur deutsch und verschwurbelt. Ich habe längst vergessen, was das ist und werde das auch nicht mehr nachlesen. Das Wort zu kennen reicht.

Scheuertouren
Wie oft muss man mit einem Finger über ein Stück Stoff, z.B. einen Sofabezug hin und her reiben, bis die Faser Schaden nimmt? 60.000mal oder 100.000mal? Alles eine Frage der Scheuerbeständigkeit. Und die wird in dieser wunderbaren Maßeinheit der Scheuertouren definiert.

 

Schmackofatz
Klingt lecker, oder? Ist es auch und meint es auch. Ein viel schöneres Wort, als eine besonders wohlschmeckende Speise als „Leckerli“ (was für ein idiotisches Wort) zu bezeichnen. Aber wäre S. nicht auch wunderbar als Name für eine Figur in einem skurrilen Fantasy-Epos geeignet? Man denke zum Beispiel an Schmackofatz Himberger – was ließen sich einer solchen Figur nicht alles für wunderbare Geschichten andichten?

Schnabulator
Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie dieses Wort ins Behördensprech übersetzt klingen würde. Da käme vermutlich Köstlichkeiten-unter-großem-Genuß-in-kleineren-Dosierungen-Verzehrer oder etwas ähnlich Beklopptes dabei heraus. Will man nicht, braucht man nicht. Dann lieber Schnabulator.

schockverliebt
Als ich im November 2019 eine Ausstellung in der Münchner Monacensia über Erika Mann besuchte, war ich ein wenig schockverliebt. Zumindest twitterte ich Nämliches. Hätte ich spontanverliebt schreiben sollen? Wie langweilig. Warum nicht mal krude Wortgebilde ausprobieren? Immerhin wirkt so etwas.

Schwadronator, schwadronieren
Wieso reden? Wieso erzählen? Wieso schwätzen oder babblen? Man kann doch auch schwadronieren. Und wer das tut ist ein Schwadronator. Und sollte durchaus auch als solcher so genannt werden. Was laut Google viel zu selten passiert. Nur 30! Treffer in 0.32 Sekunden, schawdronieren bringt es auf 91.200 Treffer in 0.21 Sekunden. Unverschämt. Anderseits bringt mich die Verwendung des Begriffs im Ranking ganz weit nach oben. Probieren Sie es aus.

semiadult
Dieses Fremdwort hat es mir einfach angetan. Denn ein semiadultes Individuum ist biologisch gesehen in der Zwickmühle. Nicht mehr juvenil, noch nicht subadult und schon gar nicht adult. Halberwachsen wäre vielleicht eine halbwegs angemessene Übersetzung. Gut, dass es das für Menschen nicht gibt. Da spricht man von pubertär…

stieben
Viel zu selten wird dieses wunderbare Verb verwendet. Dabei können Funken stieben, oder ein Fischschwarm ist auseinandergestoben, Staub kann aufstieben oder Mehl beim Backen. Puffffffffff.

streichzart
Gibt es eine schönere Zustandsbeschreibung für Butter als diese? Ich kenne keine. Also #freebutter und #freenutella. Raus mit Euch aus dem Kühlschrank.

Tohuwabohu
ein Lieblingswort? Ja. Aber eigentlich sind es ja drei – „öd und leer“, „wirr und wüst“, oder eben תהו ובהו . Aber dann sind es nur noch zwei Wörter. Zusammengeschmolzen zu einem.

Tüpfelsumpfhuhn
Ich gebe ja zu, dass ich den Trivialnamen dieser Rallenvögel (lat. Porzana porzana) gelegentlich zweckentfremde. Aus biologischen Artnamen lassen sich auch großartige Schimpfwörter generieren. Nicht nur Trottellummen, Puffotter oder Schweinswal haben sich bewährt. Warum nicht einfach mal jemandem ein „Sie Tüpfelsumpfhuhn!“ entgegenschleudern? „Sie grünfüßiges…“

umschwänglich
Selbstverständlich weiß ich, dass umschwänglich eine „falsche“ Wortbildung aus umfänglich oder umständlich und überschwänglich ist. Trotzdem bin ich erschüttert, dass die Autokorrektur von Word das Wort nicht kennt. Das digitale Synonymwörterbuch bietet mir „umgänglich“ an. Auch Google schlägt mir vor, lieber „erschwinglich“ zu suchen. Was für ein Unfug. Nur, weil Ihr das Wort nicht kennt, heißt es nicht, dass es das nicht gibt. Ich werde das jetzt öfter benutzen. Bis ihr das versteht, dass es dieses Wort durchaus gibt und seine Daseinsberechtigung hat. Das könnte ich jetzt umschwänglich erklären, tu ich aber nicht.

Umspundung
Oft werde ich dieses Wort nicht verwenden. Es ergibt sich kaum eine Gelegenheit, denn da ich keine Spundwand um etwas errichte, werde ich auch nichts umspunden. Höchstens mal was umrunden. Aber das ist was Anderes. Aber sowas von!

Umständehalber
Dem Blog gnaddrig ad libitum verdanke ich die Erinnerung, dass dieses Wort unbedingt in die Liste aufgenommen gehört. Also habe ich es umständehalber eingefügt. Sollte ich jemals nach dem deutschesten aller deutschen Wörter gefragt werden: Das hier ist es.

Unflat, unflätig
Den geneigten Leserinnen und Lesern mag auffallen, dass dieser Liste diverse ungehörige Wörter beigemengt sind: Schimpfwörter. Sie allesamt sind unflätig. Unflat ist der Welt Lohn (oder so ähnlich).
Noch etwas: Wenn man ungehörig und gehörig kennt, unpassend und passend, mag man sich da nicht fragen, ob es zu unflätig auch ein flätig gibt?

Ungedanken
Gibt es die überhaupt? Ich weiß es nicht. Ist auch egal. Ich mag das Wort trotzdem. Und zumindest gibt es einen Ort, der so heißt. Und dort hält bei Bedarf an der Bedarfshaltestelle sogar ein Zug. Es gibt sogar so etwas wie einen Bahnhof. Und ein Schild.

Meine Lieblingswörter - beschildert

Vergesellschaftung
Das kann man soziologisch, ökonomisch oder biologisch definieren. Gemeint ist biologisch, wenn ein Individuum oder eine Gruppe in eine existierende Gruppe eingliedert wird, also ich zum Beispiel mich in einem vollgepackten Wartezimmer mit anderen Patienten vergesellschaften muss – oder vergesellschaftet werde.

vermaledeit
Will man gediegen fluchen, warum nicht mal mit dem Adjektiv vermaledeit. Es muss ja nicht immer alles verdammt, beschissen oder endsübel sein.
Was ich an dem Wort aber besonders mag: Theoretisch ließe sich ein Komparativ, ja sogar ein Superlativ bilden. Aber es ist einfach sinnlos.

Verrichtungsbox
Wenn Sie wissen, was das ist, ok. Wenn nicht, dann googeln Sie es. Aber man kann dem Beamten, der vermutlich dieses wunderbar uncharmante Wort erfunden hat, nur gratulieren. Wie sonst hätte man diese ebenso uncharmanten Bretterverschläge nennen sollen?

Verschwurbeln
Ja gerne: Sätze, Texte, Sprache. Verwirbeln, verdrehen, durcheinanderbringen, verkünsteln – eben verschwurbeln.

Verzwergung
Wenn einfach immer alles kleiner wird, kann man das Nanismus nennen oder Miniaturisierung. Oder eben Verzwergung – egal ob ecolutionbedingt die Lebewesen, Inseln oder sonstwas. Ob das auch für Bankguthaben gilt?

Vorzugsfahrtschlüssel
Haben Sie schon mal eine Vorzugsfahrt genossen? Das klappt nämlich nur, wenn Sie diesen Schlüssel besitzen. Mit diesem können Sie die Außensteuerung der Aufzüge blockieren. Der Fahrstuhl fährt dann nur auf die Etage, auf die Sie vorher in dem selbigen gedrückt haben. Zwischenstopps gibt’s nicht. Lehnen Sie sich also entspannt zurück und genießen Sie Ihre Vorzugsfahrt.
Wunderbar.

weiland
Ich kannte mal wen, der hieß tatsächlich mit Nachnamen so. Weiland, als ich noch zur Schule ging. Will sagen: Damals, einst früher. Aber das klingt nicht so hübsch. Und übrigens: Wer weiland sagt, darf auch dereinst sagen.

Wellensittichschmuggler
Für eng anliegende Männerbadehosen gibt es im Englischen den von den Australiern ins Rennen geschickten Slang-Ausdruck Budgie Smuggler. Also Wellensittichschmuggler. Um wie viel schöner ist dieses Wort als das deutsche Pendant Eierkneifer, was das Gleiche meint… Mehr hier.

Wickelfalz
Bitte verwechseln Sie nicht Wickelfalz mit Altarfalz, Leporellofalz, Kreuzfalz oder Fensterfalz. Sie müssen Ihr Papier schon richtig knicken, wenn Sie es auf eine kleinere Größe falten wollen. Dazu gibt’s so viele Techniken… und jede hat ihren ganz speziellen Namen. Am schönsten aber klingt in meinen Ohren Wickelfalz.

wohlfeil
Benutzt dieses Wort heute noch jemand? Versteht das überhaupt noch wer?

Zeitigung
Sie meinen, es ist ein ig zu viel in dem Wort? Es müsse Zeitung heißen? Nein. Die Zeitigung ist der Reifeprozess, in dem etwas entsteht und wächst: Zum Beispiel ein Ei in einem Tier. So hat eben alles seine Zeit und manches seine Zeitigung.

Zipfeklotscha, Zipfeklatscha…
oder wie immer man das versucht, in Buchstaben zu pressen. Denn alle paar Kilometer wird das Wort etwas anders ausgesprochen. Gemeint ist natürlich der Zipfelklatscher – was wohl eines der schönsten bayerischen Schimpfwörter darstellt. Nicht erst seit dem Schuh des Manitu. Was das nun konkret bedeutet, wenn einer auf den Zipfel, Zipfi, Zipfe klatscht, klotscht… das überlasse ich ganz Ihrer Phantasie.

Zisselmann
Krach, bumm, peng. So machen die anderen. Zisselmänner bringen es höchstens auf ein leises Peng, manchmal auch nur auf ein fffffttt. Daher werden sie in Matten gezündet. Oder von Jugendlichen, die die Matten auseinandergefieselt haben, einzeln angesteckt. Wie gesagt: Mehr als fffffttt kommt selten dabei heraus. Zum Sprengen von Pilzen, die sich irgendwo im Garten aus der Erde gewagt hatten, reichten sie aber allemal.
Anderswo hießen die Zisselmänner übrigens Nonnen- oder Judenfurz. Man lernt eben nie aus, welch skurrile Wörter es in unserer Sprache gibt.

Zwetschgenmann
Wie kann ich dieses Wort nicht mögen? Immerhin habe ich mein Blog so getauft.

Foto: Alexander Broy


Diese Liste wird regelmäßig mit weiteren Traumwörtern gefüllt, wenn ich wieder mal eines höre oder lese, das mich begeistert.

PS: Die Erklärungen der Wörter sind sicher dürftig. Aber Google können Sie sicher alleine benutzen. Sie sind ja schon groß.

23 Antworten

  1. MAscha Ludwig sagt:

    HAllo Lutz, ich mag das Wort “ flux“ so gerne…kennst du das?
    lg MAscha

  2. Schade, daß niemand mehr „Elektronengehirn“ sagt. Ich kaufe mir demnächst ein schickes kleines neues.

  3. Wunderschöne Sammlung!
    Mein Liebling ist zur Zeit der hier bei uns in der Nähe befindliche „Regenüberlaufstauraumkanal“, der schützt uns hier vor Hochwasser. Hätten die Amerikaner nur auch so etwas schönes, sie hätten weniger Probleme mit ihren Tropensturmtiefausläufern …

  4. Nette Sammlung! … blümerant!!! wird bestimmt mein nächstes Lieblingswort. Derzeit bin ich dem schwäbischen „Muggaseggele“ verfallen: Das ist die kleinste Maßeinheit der Schwaben.
    LG Karin

  5. Rosa sagt:

    Wenn es nur so ein bisschen regnet mit leichten Tropfen, dann wird das „Bieseln“ genannt. Das Wort „Bieseln“ wird aber auch von Kindern oder Frauen beim Urinieren benutzt. „Ich geh jetzt mal schnell bieseln“. Bei Männern hieß das „brunzen“. Allgäu.

  6. Stephanie Jaeckel sagt:

    War „possierlich“ nicht auch immer bei Grzimek dran? Und das endoplasmatische Retikulum hatte ich auch im Biounterricht in der Schule. Tolle Sammlung!

  7. Nadine sagt:

    So viele wunderbare oder einfach nur skurrile Wörter – eine tolle Sammlung. Wobei mir bei „ER“ glatt wieder die Eustachische Röhre einfällt. Der Begriff hat ähnliche Qualitäten, man muss ihn nur oft genug aussprechen. Eines meiner Lieblingswörter aus der Biologie.

  8. Eine schöne Liste gar wohlfeiler Begriffe. Ich nutze dieses Wort übrigens häufig. ;-)

  9. Eine schöne Zusammenstellung, bei der ich mir hin und wieder ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Mir hat´s gefallen.

  10. Werner sagt:

    Eine wirklich tolle Zusammenstellung von Wörtern . Wobei das Tüpfelsumpfhuhn ein sehr scheues Wesen ist ,das man nur äußerst selten zu Gesicht bekommt. Mir ist bisher nur ein Foto davon gelungen.

  11. Ein Dienstagsarschloch. Grosse seltene Klasse. Einige andere Begriffe wie Rieselhilfe sind aber noch voll in Gebrauch. Den Abklatsch hatte ich fast vergessen. Was mir heute begegnet ist: „Verschissmus“. Könnte in den Sprachgebrauch übergehen, obwohl es sich nur um die fehlerhafte Schreibweise von Faschismus geht.

    • zwetschgenmann sagt:

      Die Liste versammelt ja nicht nur vom Aussterben bedrohte Wörter sondern all das, was zu hören/lesen ich ganz besonders fand. Aus welchem Grund auch immer.
      Schimpfwörter, Denglisch, Verwaltungssprache, Bandwurmwörter…
      „Verschissmus“ finde ich genial, ich weiß gar nicht, ob das wirklich nur ein Schreibfehler oder nicht doch ein herausragender Wortwitz war. Aber für ein Lieblingswort, das ich auch benutzen will, finde ich es etwas zu speziell.

  12. Rita sagt:

    Hallo,
    ich habe letztes Jahr in Berlin, in großen Buchstaben, an einem Restaurant das Wort „schnabulieren“ gefunden. Das habe ich bis dato schon lange nicht mehr gehört aber früher öfter benutzt.
    VG Rita

  13. Adrian Tegelbekkers sagt:

    Mir sind vor vielen Jahren bei der Bundeswehr mal 4 dicke Ordner mit Berufsbezeichnungen in die Finger gefallen. Beim durchblättern fiel mir eine Berufsbezeichnung besonders ins Auge: “ Schokoladenüberzieher „. Dies ist ein Mensch, der irgendwelche Dinge mit flüssiger Schokolade überzieht.

  14. LAW sagt:

    Ich frag mich gerade, wem in aller Welt zu der Liste „Kokelmosch“ einfallen würde? Das hat auch das Zeug zum Lieblingswort und beschreibt irgendwie 2020, oder?

  15. Lo sagt:

    Oh, ist das schön! Diese Sammlung habe ich erst jetzt entdeckt!
    Großartig!

  16. SheMe sagt:

    Sehr nice, deine Liste! Hatte beim Lesen spontane Schmunzelanfälle und Backflashes.
    Die „Arschkrampen“ gab es doch in den 90ern auch beim Frühstyxradio immer mal wieder. Dieses Wort wird in unserer Familie jedenfalls in Ehren gehalten… 🙃
    Spontan fielen mir zwei Lieblingswörter aus meiner Kindheit ein, die ich leider nur noch selten höre: Pipifax und Pustekuchen.

  17. Ganz großes Kino in Worten!

  18. Daniel sagt:

    Es gibt in der Tat viel zu viele Leute die zu viel schwadronieren.
    Diese nennen sich jedoch geschickt Schwadroneur, was dem Schwadronator die Dominanz nimmt, Eleganz ergänzt und auch zu mehr Treffern bei Google führt.
    Wie das jetzt korrekt auf alle möglichen Geschlechter umzumüntzen ist müsste noch geklärt werden.
    Schöne Liste.

  19. Babett sagt:

    Welch eine schöne Sammlung. Danke für’s Zusammenstellen und Teilen.

  20. Walter sagt:

    Tolle Sammlung, da fällt mir spontan die „Verspargelung“, also die reihenweise Aufstellung von Windrädern ein!

  21. Stefan sagt:

    Bin gerade durch Zufall über deine tolle Sammlung gestolpert, hatte den Begriff „Karnickelfangschlag“ gegoogelt.
    Viele Sachen kenne ich aus meiner Kindheit in Sachsen noch zu DDR-Zeiten und sofort kamen mir tolle Erinnerungen, muss jetzt noch schmunzeln. In Leipzig gab es beispielsweise eine Frauenmilchsammelstelle.
    Lebe seit vielen Jahren in der Nähe von Zürich, dort komme ich in einer Vorortgemeinde namens Zollikon häufiger an einem Schild mit der wunderbaren Aufschrift „Hundekotaufnahmepflicht“ vorbei. Selbsterklärend, oder? Aber nur, wenn man die deutsche Sprache beherrscht. Ich versuchte das Wort einmal einem Somalier zu erklären. Es gelang mir nicht…

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