Nicht schon wieder… Todesfalle Kiesweiher
Und wieder sind zwei Menschen gestorben – wieder ertrunken, wieder in einem Kiesweiher, der ganz in meiner Nähe liegt. Schon einmal habe ich im Mai zu diesem Thema etwas geschrieben, als im Haager Badesee und im Kronthaler Weiher in Erding Menschen starben.
Dieses Mal waren es zwei Austauschstudenten aus Ghana, wie ich in der Lokalpresse lese, die im Pullinger Weiher bei Freising und Leben kamen. Die beiden Nichtschwimmer wurden tot im Nordostteil des Weihers gefunden. Vermutlich sind sie dort ins Wasser gegangen – ein verhängnisvoller, ein tödlicher Fehler, begangen wohl aus Unkenntnis über das, was sich unter ihnen befindet bzw. eben nicht befindet: Ein fester Bodengrund. Und nichts und niemand hat sie davor gewarnt.
Und wieder geifert es in den einschlägigen Kommentarspalten im Internet, wie man so dumm sein könne, als Nichtschwimmer dort baden zu gehen, wo man nicht stehen kann, wieder paart sich eine gewisse Klugscheißerei mit einer kaum zu überhörenden Häme: „Selbst schuld“.
Ist das so?
Den Pullinger Weiher habe ich in diesem Jahr kennengelernt, war einige Mal dort schwimmen und möchte nun erklären, warum dieser und viele andere Weiher eine tödliche Falle für Nichtschwimmer darstellt. Noch einmal bin ich zum Schwimmen dorthin gefahren, aber auch, um die nachfolgenden Fotos zu machen, die zeigen sollen, wieso es zu solchen Unfällen kommt. Wieder und wieder.
Anders als in den modellierten Flachwasserzonen an den Liegewiesen im Naherholungsbereich fällt an der Unglücksstelle das Ufer sehr schnell sehr steil ab. Und das wurde den beiden Studenten wohl zum Verhängnis. Der Kiesweiher wurde zu einer tödlichen Falle.
Meist genügen drei oder vier Schritte und das Wasser steht einem bis zum Hals. Schon etwas mehr als einen halben Meter vom Ufer entfernt kann ein Erwachsener nicht mehr stehen.
Aber das ist noch lange nicht alles. Der Kies rutscht, kaum, dass man zu stehen versucht, durch den Druck des Körpergewichts augenblicklich unter den Füßen weg. Hier festen Stand zu finden, ist schier möglich.
Wer nicht schwimmen kann und dann in Panik gerät, ist verloren. Er hat kaum mehr eine Chance, das naheliegende Ufer zu erreichen, selbst wenn es kaum mehr als eine Körperlänge entfernt ist. Ist der Kopf erst mal unter Wasser und die Orientierung vielleicht auch verloren, dann stehen die Chancen für Nichtschwimmer sehr schlecht.
Und nicht schwimmen zu können, betrifft beileibe nicht nur Menschen aus anderen Ländern, seien sie nun als Flüchtlinge bei uns oder als Austauschstudenten. Jahr für Jahr weist die DLRG darauf hin, dass der Anteil der Kinder, die nicht schwimmen können, rapide ansteigt. Aus Kindern, die nicht schwimmen können, werden Jugendliche und Erwachsene. Die Zahl der tödlichen Badeunfälle ist dramatisch angestiegen. Und das ist nicht nur dem lang anhaltenden Sommer 2018 geschuldet.
Das oftmals trübe Wasser tut sein Übriges, dass Badegäste nicht erkennen können, wie der Grund unter ihnen beschaffen ist.
Und Ertrunkene werden oft nicht schnell genug gefunden, wenn es denn vorher überhaupt jemand mitbekommt, dass hier ein Mensch am Ende seiner Kräfte ist und um sein Überleben kämpft. Denn Ertrinken sieht mitnichten so aus, wie man es in einschlägigen Spielfilmen immer wieder sieht – hilfeschreiende Menschen, die wild mit den Armen durch die Luft rudern oder die Hand gen Himmel strecken. So, wie auf diesem gestellten s/w-Foto sieht es ganz sicher nicht aus…
Auf zwei Videos möchte ich verweisen:
Der Bayerische Rundfunk hat auf seiner Facebook-Seite ein Video veröffentlicht, in dem der leise Tod durch Ertrinken eindrucksvoll nachgestellt wurde.
Auf Bento.de kann man in einem Video den Versuch starten, in einem gut gefüllten Schwimmbad aus der Perspektive eines Schwimmmeisters den Überblick zu behalten. Ein Badegast droht zu ertrinken. Wer? Wenn Sie auf das jeweilige Bild klicken, werden Sie per Link dorthin geleitet. Es kann nicht schaden, sich die beiden kurzen Clips anzusehen. Einen spannenden Beitrag zum Thema hat auch Petra Martin, die als Chlorhuhn ebenfalls viel übers Schwimmen bloggt, für den BR-Hörfunk erstellt. Er ist hier zu hören.
Es kann übrigens auch nichts schaden, mit dem eigenen Kopf immer wieder unter die Wasseroberfläche zu tauchen und zu lernen, dass das kein Grund zur Panik ist.
Noch einmal die Frage: Selbst schuld?
Mag sein. Trotzdem:
Einige Landkreise in unserer Region haben schon vor Jahren reagiert und weisen in mehrsprachigen Schildern auf diese Gefahrenquelle hin. Im Landkreis München findet man sie ebenso wie zum Beispiel am Tüttensee in Chiemgau, wo dieses Foto entstand.
Im Erdinger oder Freisinger Landkreis sucht man solche Schilder leider vergebens. Es liegt in der Hand der Kommunen, ob solche Schilder aufgestellt werden oder nicht. Bisher hat man das wohl nicht als notwendig erachtet. Das ist mehr als beschämend.
Das ist umso trauriger, als sich die Zahl der tödlichen Unfälle gehäuft haben, und es nun wirklich keinen besonderen Arbeits- und Kostenaufwand darstellt, an einigen Stellen am Ufer diese Schilder zu platzieren.
Ob Schilder etwas nützen, lässt sich schwer beurteilen. Aber wenn nur ein Nichtschwimmer sie beherzigt und nur im aufgeschütteten, flachen Uferbereich ins Wasser geht und so vielleicht ein weiterer Badeunfall an einem Kiesweiher verhindert werden könnte, wäre es das wert.
Finden Sie nicht?
Vielen Dank fürs Lesen.
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Furchtbar. Ich denke schon, dass Schilder was bringen. Eventuell könnte man auch sowas wie Bojen für Nichtschwimmer zur Verfügung stellen. Einfach so, wären sie wahrscheinlich schnell weg, vielleicht mit Pfand? Aber Pfand ist wahrscheinlich schon wieder genau für die Zielgruppe zu teuer, umständlich oder uncool.
Danke für deine Erklärung der konkreten Umstände. Leider gibt es bei solchen Unglücksfällen immer ein paar oberschlaue Beschränktdenker, die sich noch erhaben machen müssen.
Ein sehr guter Beitrag, finde ich.
Und das mit den Schildern wäre eine gute Sache. Wenn auch nur EIN Unfall dadurch vermieden würde, hätten sie sich rentiert. „Rentieren“ ist nämlich hier keine Frage des Geldes.
Mehr noch … Kommunen die derlei nicht aufstellen, haben ihre Fürsorgepflicht, den Menschen gegenüber, vernachlässigt, was eig ein Verfahren nach sich ziehen müsste. Wozu wären die Herrschaften sonst da?
Dies ist ein guter Beitrag, aber ich finde dennoch, dass zum Überleben in unserer Gesellschaft und im Allgemeinen ein gewisses Maß an Mitdenken, Risikoeinschätzung, Eigenverantwortung etc. grundsätzlich erforderlich ist. Das gilt für den Straßenverkehr, das gilt für Seen, Flüsse, Hochgebirgstouren etc. Leichtsinn, Dummheit, Unwissen sind immer schlechte Voraussetzungen. Aber ob man deshalb überall Schilder aufstellen muss?