Stromlos glücklich… (Berlin 1)
Wie konnte ich nur glauben, Berlin mag mich vielleicht doch?
Ich erwähnte ja bereits, dass Berlin und ich ein gestörtes Verhältnis haben und vielleicht nimmt mir das die Hauptstadt krumm. Ich weiß es nicht.
Als ich Berlin für eine Tagung besuche und in diesem Zeitraum zwei Lesungen aus meinem Buch terminiert habe, quartiere ich mich selbstverständlich im Tagungshotel ein. Es ist ja Unsinn, ein paar Euro an Übernachtungskosten zu sparen und dafür morgens und abends quer durch die Stadt zu reisen. Das kostet Zeit, denn Tagungshotel liegt am Berliner Tierpark, also nicht am Zoo in der Nähe der Gedächtniskirche, sondern direkt gegenüber dem Tierpark in Lichtenberg, dem vormaligen Zoo der Hauptstadt der DDR. Womit ich nur bemerken will: Arschweit draußen, irgendwo zwischen Plattenbauten. Nun gut: Das allein kann ich der Stadt nicht anlasten, Berlin hat die Mauer nicht gewollt und nicht gebaut, das waren andere…
Und darum geht es auch nicht.
Was mich aber ernsthaft bekümmert, ist die Tatsache, in diesem Hotel (ebenfalls Plattenbau und nach der Wende grundsaniert) schnell energetische und finanzielle Probleme zu bekommen.
Der Grund ist dieser:
Für den irrwitzigen Preis von zwei Euro erwerbe ich gleich nach Ankunft einen WLAN-Gutschein. Der gilt 24 Stunden, dazu bekomme ich kleines Zettelchen, das zu hüten mir nicht leicht fällt. Denn das Zettlchen hat nicht mal die Größe einer Visitenkarte und enthält den Namen des WLAN-Netzs, das Login und das Password. Beides werde ich fortgesetzt brauchen, denn nach nur kurzer Inaktivität meines Laptops oder meines Handys muss ich mich wieder neu einloggen. Wenn ich denn den Zettel finde…
Nun ja. Die zwei Euro hätte man einfach auch auf den Zimmerpreis aufschlagen können, oder zumindest einen Euro, denn diejenigen, die WLAN nicht nutzen, zahlen dann eben für uns Surfer mit. Ungerecht finde ich das nicht, denn schließlich zahle ich ja auch beim Frühstück die Essensberge auf dem Teller des Vielfraßes am Tisch gegenüber mit. Mischkalkulation eben.
Vielleicht ist das aber auch so gewollt, dass man nicht fortgesetzt im Netz rumhängt, denn das spart bekanntlich auch Strom. Und das ist dringend notwendig, denn mit Steckdosen ist mein Zimmer nicht gerade gesegnet. Konkret: Als ich das Zimmer mitten in der Nacht beziehe finde ich eine. Eine Steckdose!
Und die befindet sich direkt neben der Zimmertür. Damit ist die tägliche Nutzung von Laptop und Handy schon mal ausgeschlossen, zumindest dann, wenn man beide Geräte in der Nacht aufladen will. Da ich das nun aber vorhabe, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als das Laptop auf die Erde direkt in den kleinen Flurraum hinter die Zimmertür zu legen und zu verstromen. Das Handy muss dann eben warten, und ich werde wohl mitten in der Nacht aufstehen und alles umstecken. Die Zeit, in der das Handy lädt, hocke ich immer wieder vor der Zimmertür auf der Erde, das Handy in der Hand, nur, um mal schnell etwas nachzusehen.
Am meisten entsetzt mich, dass es keine Steckdose am Bett gibt. Ich mag es, das Handy in Reichweite zu haben, abends vor dem Einschlafen noch ein wenig durch’s Netz zu wandern, Blogs zu lesen, bei Twitter vorbeizuschauen, was auch immer. Dazu wäre natürlich eine Steckdose am Bett herzallerliebst. Die aber gibt es nicht. Reisende mit elektrischen Heizdecken, Radioweckern, Beatmungsgeräten und anderen stromabhängigen Dingen, die man in Bettnähe benutzen möchte, sind ebenfalls aufgeschmissen.
Der Clou aber ist: Im Bad gibt es auch keine Steckdose. Warum auch? Der Föhn ist festverstromt, wer braucht da noch eine Steckdose?
Nun soll es Frauen (und wie ich seit kurzem weiß auch Männer) geben, die Lockenstäbe benutzen. Pech gehabt.
Nun soll es Männer (und wie ich seit kurzem weiß auch Frauen) geben, die sich morgens gerne rasieren. Mit Nassrasierer bin ich fein raus, aber die Elektrischen sind gut beraten, entweder eine Verlängerungsschnur mitzunehmen oder sie müssen sich spiegellos direkt neben der Tür rasieren… zumindest dann, wenn der Akku schlapp macht. Den aufzuladen verbietet sich, denn an der Steckdose hängt ja jas Laptop. Und wenn das fertig ist, das Handy. Ach ja: Der iPod will auch Strom…
Nun reden wir nicht von einer Bergalm, einen Hotel in Kirgisien oder einem Hausboot auf dem Amazonas. Wir sprechen von einem typischen deutschen Tagungshotel… in der Hauptstadt, wenn auch am Ende Welt.
Aber ich hab es ja gleich gewusst: Berlin mag mich nicht Ich will heim! Zu Weib und Kindern. Und zu Strom! Am nächsten Tag schreibe ich in einer Pause den Blogtext, den Sie gerade lesen, jammere Ihnen, liebe Leser, die Ohren voll und mache ein Fotos.
Und abends sitze ich mit anderen Tagungsteilnehmern zusammen. Es wird viel gelacht und geredet, gelästert und getrunken. Irgendwann äußere ich mich über die beschränkte Energiezufuhr in mein Zimmer. Damit mache ich mich selbst zum Gespött, denn man belehrt mich schnell eines Besseren. Drei weitere Steckdosen sind in den Zimmern, allerdings gut verborgen. Zwei findet man, wenn man auf allen vieren unter den Tisch krabbelt, eine weitere, natürlich im Bad, ist hinter einer Klappe, die aussieht wie ein Lichtschalter, verborgen.
Wie heißt es doch so schön?
Wer suchet, der wird finden.
Nur eben am Nachttisch nicht. Da ist jede Suche vergebens.
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