Sonntag, das ist,… (21) Empörung und Wut

Sonntag, das ist, Empörung und Wut.
Also nicht bei mir. Aber bei Ella.
Ella ist vier oder fünf Jahre alt, so genau weiß ich das nicht. Und Ella hat sich so auf Pommes gefreut. Oder ein Eis. Oder beides. Auch das weiß ich nicht.
Also geht Ellas Mama, die ihrer Tochter selbiges versprochen hat, mit ihr des Sonntags nach ausgiebigem Badevergnügrn zum Kiosk am Baggersee. Soweit finde ich das nachvollziehbar. Schwimmen macht hungrig. Planschen und spielen im flachen Wasser am Ufer auch. Da gibt es wenig, was besser schmeckt, als Frei- oder Strandbadpommes, selbst wenn sie noch so matschig sind, der Ketchup noch so schmiert und klebt und von der Mayo wie immer viel zu wenig auf den Fritten landet. Ich jedenfalls liebe es. Es vergeht kein Sommer, an dem ich nicht bei erstbester Gelegenheit nach dem Schwimmen im Freibad oder Freiwasser eine Schale Pommes verdrücke. Manchmal gepaart mit Currywurst, manchmal pur. So will es nämlich das Gesetz.
Auch Ella weiß das. Es ist überhaupt erstaunlich, dass ein so kleines Kind schon so viel von den kulturellen wie kulinarischen Highlights unserer Gesellschaft versteht und danach giert.
Das Dumme ist nur, dass Ella nicht die Einzige ist, die Pommes oder irgendetwas anderes am Kiosk will. Hinter dem Fenster stehen zwei Frauen und bemühen sich redlich, die immer länger werdende Schlange abzuarbeiten. Ein Sommersonntag hat die Masssn hergelockt. Es ist nicht ihre Schuld, dass die Küche nicht nachkommt, auch nicht ihre Schuld, wenn Leute, sobald sie vorne sind, sich ein halbes Dutzend mal umentscheiden, welches Magnum sie nun aus der Eistruhe wollen und auch keinen Plan B haben, wenn das begehrte Eis mal ausverkauft sein sollte.
Das alles hält auf, das alles lässt die Schlange konstnt zu- und die Geduld der Wartenden abnehmen. Ja, man könnte effizienter arbeiten und schon mal die, die nur ein Radler oder Eis wollen, auf einer Fast Lane aus der Schlange ziehen, derweil die Pommes-, Currywurst-, Gyrosteller und sonswas Verzehrfraktion eben warten muss, bis ihr Essen frisch zubereitet wird. Oder abkassieren, Gästepager ausgeben und die Leute dann anderswo warten lassen. Zeit genug, sich zu überlegen, wie man das organisieren könnte, habe ich, auch wenn ich selbst nicht in der Schlange stehe sondern sie nur staunend beobachte. Mit nämlich würde das Warten zu lange dauern. Geschätzt dauert es mindestens 20 Minuten, gefühlt etwa so lange, wie einer wohl braucht, um Dostojewskis Gesamtwerk zu lesen. Im Original. Mit krakeliger Handschrift abgefasst.
Ellas Mama sieht das ähnlich. Ergo hat sie keine Lust, sich hinten anzustellen, noch dazu, da sie Ellas kleine Schwester auf dem Arm bzw. mehr auf der Hüfte hocken hat. 20 Minuten mit Kleinkind im Arm sich im Schneckentempo der Zielgerade zu nähern und dann noch eine unbestimmte Zeit, bis die Pommes fertig sind und noch mal so lange, bis Ella die verdrückt hat… sorry! No way!
Ella müsse das verstehen. Es gibt keine Pommes. Mama will sich nicht anstellen, Mama will heim. Auch das ist verständlich.

Da rastet Ella aus. Sie brüllt, kreischt, heult, tobt, wirft sich mit geballten Fäusten auf die Erde. Es ist das volle Repertoire von Kindern ihres Alters, das ihr zur Verfügung steht und das nutzt sie auch. Laut wird sie, dass ihre Stimme über den Baggersee hallt und das fröhliche Gekreische und Gequietsche ihrer Altersgenossen am Ufer bei weitem überschallt.

Mama geht in die Hocke: „Ich verstehe ja, dass du jetzt total enttäuscht bist, aber…“ versucht sie es mit gutem Zureden, mit Appellen an die Vernunft und Erklärungen. Aber längst haben Wut und Empörung sich Bahn gebrochen und das will kein Ende nehmen. Ella ist taub für jede Ansprache.
Ebenso für Versprechen, was es dann zu Hause Leckeres gibt. Es ist wirklich alles dabei, was Kinder gerne mögen: Nudeln, Pfannkuchen mit Nutella… nur eben keine Pommes. Ella ist das egal. Sie will Pommes! Nichts anderes! Und den Versprechen ihrer Mutter traut sie sowieso nicht mehr, schließlich hatte ihre Mama ihr ja auch Strandbadpommes versprochen, denkt aber mitnichten daran, dieses Versprechen auch zu halten.

Da kann man schon mal ausrasten.
Denn versprochen ist versprochen – und wird nicht gebrochen. Das hätte die Mama sich halt vorher überlegen müssen.
Mein Problem: Ich habe jetzt eigentlich auch einen Heißhunger auf Pommes. Aber die Schlange ist wieder um mindestens 10 Menschen länger.

Krrrrrrrrrrrrrreeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiisch!


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