Freitag der 13. – Frust und Lust
Natürlich wäre es ein Akt jener sprichwörtlich gewordenen selffullfilling prophecy, würde man davon sprechen, dass am Freitag, dem 13, alles schief läuft. Und wenn schon nicht alles, dann wenigstens etwas. Aber eigentlich ist (zumindest bisher) heute nichts schief gelaufen. Zumindest bei mir nicht. Zugegeben, meine Frustrationstoleranz ist zur Zeit nicht besonders groß, vieles hat nicht so geklappt, wie gedacht. Manches hat unsagbar lange aufgehalten (Stichwort: Steuererklärung), und dann kündigt man großspurig an, dass man Anspruch auf Spind 157 erhebt, nur damit am nächsten Tag im Hallenbad irgendein Typ auf der Brennsuppn daher geschwommen kommt, sich den Spind kapert und dann zum Planschen, Brüsteln, Liegeplattliegen oder sonst einem unsinnigen Tun in die Halle geht.
Mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlichen andere Schwimmer, dass sie noch immer in Seen und Weihern unterwegs sind, einige sogar nur in Badebekleidung – also nicht mal im Neo. Nur ich, ich bekomm es nicht auf die Reihe.
Da soll man nicht frustriert sein….
Andererseits ist das eine vollkommene Lappalie, ich sollte mich freuen, dass der Himmel blau ist, die Sonne scheint und das Hurrikan-Tief Ophelia auf Irland zusteuert. Seine Drehbewegungen pumpen nämlich wunderbar warme Mittelmeerluft über die Alpen, der Oktober ist endgültig golden und im Wetterbericht heißt es, das bleibt auch noch ein paar Tage so. Sollte es tatsächlich noch einmal 25°C werden, und danach sieht es aus, hätten wir mitten im Oktober einen Sommertag. Da kann man seinen Frust durchaus mal hinter sich lassen.
Also verschwinde ich mittags aus dem Büro, wünsche den Kollegen noch einen schönen Restarbeitstag und ein ebensolches Wochenende und fahre zum Weiher.
Einmal noch – kein Kampf um die Spinde, kein Gedränge auf der Bahn. Das brauch ich jetzt. Den Kopf frei bekommen, Gedankenstürme unter mir versenken. Schwimmen, sonst nichts.
Aber ich zögere. Mein Badethermometer habe ich zwar ins Wasser gehängt, aber ich werde erst nach dem Schwimmen schauen, wie warm bzw. kalt das Wasser ist. Ich will das jetzt gar nicht wissen, sonst schaffe ich es nie. Wer zögert, verliert. Denn je länger man zögert umso schwerer wird es, überhaupt ins Wasser zu steigen.
Aber ich weiß, dass ich aus der Nummer ohne Gesichtsverlust sowieso nicht mehr herauskomme. Die drei Frauen, die an der Hütte der Wasserwacht picknicken und mir den Rückenreißverschluss zugemacht haben, würden es bemerken.
Welch Schmach.
Nicht weniger frustrierend ist, dass auf der anderen Seite des Weihers ein Mann wagemutig und auch nur in Badehose bekleidet ins Wasser steigt. Dann aber zögert er. Endlose Zeiten vergehen zwischen den Schritten. Und immer dreht er sich um und lässt sich ausgiebig von seiner Frau fotografieren. Dass er es irgendwann überhaupt schafft, dass er bis zu den Schultern im Wasser ist, grenzt an ein Wunder. Schwimmen tut er nicht, aber das wird man wohl später auf den Fotos nicht mehr sehen. Außer, man interpretiert seine trockenen Haare als das was sie sind: Fake. Alles Fake.
Es wird Zeit. Rein ins Wasser, Frust versenken. Ich stoße mich vom Steg ab und verfalle augenblicklich in Schockstarre.
Scheiße ist das kalt. Wesentlich kälter als beim letzten Mal. Es war richtig, nicht aufs Thermometer zu schauen, sonst hätte ich am Ende wohl doch gekniffen. Jetzt ist es zu spät.
Es fällt schwer, die Finger auszustrecken, sie ballen sich zu Fäusten – der Körper wehrt sich gegen die Kälte.
Alles versteift und verhärtet sich (ok: Fast alles), ich komme mir vor wie das Blei beim silvestrigen Bleigießen. Ich erwarte, dass die nackten Hände und Füße schlagartig blau werden, aber dem ist nicht so. Nichts geht mehr.
Doch. Langsam gelingen Schwimmbewegungen. Ich kraule los und nach ungefähr 100 Metern ist mir auch gar nicht mehr so kalt.
Das Wasser ist wieder wunderbar klar. Ich kann den Grund unter mir sehen. Ein paar Fische, die es sich an den sonnenbeschienenen Stellen gemütlich gemacht haben, schwimmen verschreckt unter mir davon. Vermutlich können sie gar nicht fassen, was sie da gerade erleben.
Nicht viel anders geht es den Spaziergängern auf der Bank am Nordufer und auch der Mann, der auf dem Steg im Osten in der Sonne sitzt, schaut mich fragend an, als ich an ihm vorbei schwimme.
Und dann müsste sie eigentlich kommen, die Lust am Schwimmen. Sie wäre längt da, würde die Brille nicht Wasser ziehen. So oft ich auch anhalte und sie neu ausrichte, immer wieder dringt unter der Silikondichtung Wasser ein.
Das nervt – und zwar so sehr, dass ich mich entschließe, sie umgehend wegzuwerfen, sobald ich eine neue gekauft habe. Es ist halt ein altes Schätzchen, die Silikonmaske schon ziemlich vergilbt. Ich bleibe in Ufernähe, so kann ich mich beim Neuausrichten der Brille auf den Kiesboden stellen, der überraschend angenehm warm ist – viel wärmer als das Wasser.
Die Füße sind immer noch nicht blau. Also geht noch was.
Als ich meine Runden beendet habe, mich aus dem Neoprenanzug gepellt und mir einen wärmenden Pullover übergestreift habe, setze ich mich in die Sonne und schaue über das Wasser. Irgendwo dort habe ich meinen Frust für heute versenkt. Und so manchen trüben Gedanken gleich mit. Lang war das Schwimmen nicht. Aber intensiv. Ganz besonders intensiv.
Endlich hole ich das Thermometer aus dem Wasser: 12°C.
Gut, dass ich nicht vorher geschaut habe. Ich muss vollkommen verrückt geworden sein.
Vermutlich – denn ich bin ziemlich sicher, dass ich am Sonntag nicht um Spind 157 kämpfen werde.
Wegen weil Weiher Wetter.
Da geht noch was.
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