30.03.2025: Fastenkalender (26) – Man sagt

Erinnert sich noch jemand an Bettina Wegner? Das ist die, die 1976 die kleinen Hände besang, wohl ihr größter Erfolg. Damals war sie Ende zwanzig, hatte sich gerade dem öffentlichen Protest gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR angeschlossen und wurde somit selbst zur feindlich-negativen Person wegen staatsfeindlicher Hetze nach § 106 des Strafgesetzbuchs der DDR. Es war keineswegs das erste Mal, dass sie deshalb mit dem Regime in Ost-Berlin in Konflikt geraten war, schon 1968 wurde sie deshalb angeklagt und zur Haft auf Bewährung verurteilt, weil sie Gedichte zum Prager Frühling geschrieben hatte, die der SED nicht gefallen konnten.
Auf Bettina Wegner stoße ich eher zufällig bzw. werde von Spotify auf sie hingewiesen, denn der Algorithmus, der regelmäßig neue Lieder vorschlägt, die mir gefallen könnten, drückt mir Bettina Wegner in die Vorschlagsliste. Übrigens gleich mehrfach. „Schuld“ daran ist der großartige Leonard Cohen und sein Song Dance me to the end of love. Den nämlich liebe ich, höre ihn in einer Playlist sehr regelmäßig, also meint Spotify, die englisch-jiddische Fassung von Sharon Brauner und Karsten Troyke könnte mir auch gefallen, was sie auch tut. Es ist eine wunderbare Hommage an Cohen (zu hören hier).
Von Karsten Troyke habe ich noch nie etwas gehört, mache mich schlau und schwups: Nicht nur mit Sharon Brauner, auch gemeinsam mit Bettina Wegner hat er dieses Lied aufgenommen. Sehr viel spröder ist diese Fassung, härter, eindringlicher. Aber sie ist trotzdem voller Poesie.
Bettina Wegner, die zur Musiker:innen-Generation gehört, die immer wieder die reflexartige Frage aufwirft „Lebt die überhaupt noch“ wird plötzlich zu einer Wiederentdeckung. Jahrelang habe ich nichts mehr von ihr gehört, mein Musikgeschmack hat sich geändert, ihre Medienpräsenz ist eher gering, mit knapp 78 Jahren hat sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Schon 2007 trat sie von der Bühne ab, vor allem aus Enttäuschung über den Musikbettrieb.

Man sagt ist die Coverversion von The Rose aus dem Jahr 1979, geschrieben von Amanda McBoom für den gleichnamigen Film und interpretiert von Bette Midler. Seitdem wurde es schier unzählige Male gecovert und in zahlreiche Sprachen übersetzt, eben auch ins Deutsche von Michael Kunze. Auch diese deutsche Fassung gibt es von zig Interpret:innen gesungen. Bettina Wegner aber entwickelte einen anderen, einen eigenen Text, und der ist absolut hörenswert, was auch der Grund ist, sie hier mit gleich zwei großartigen Coverversionen zu Gehör zu bringen, auch wenn zumindest im Video des zweiten Songs das Bildmaterial äußerst spärlich, weil nicht vorhanden ist. Das macht aber nichts. Es geht um die Worte, nicht um die Bilder. Auch das ist Poesie in Reinform, direkt fürs Gemüt. Vielleicht ist es ja auch für Sie eine lohnenswerte (Wieder)-Entdeckung:

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