Im Stadtbad Völklingen – das fremde Hallenbad (Challenge 2018/2)
Bleibt noch, etwas nachzureichen, was sich bereits vor einigen Wochen abgespielt hat:
473 km, so sagt es das Navi, liegen zwischen Tür und Tür, also meiner Haustür und dem Völklinger Stadtbad. Das ist nicht gerade der nächste Weg für ein paar Bahnen, habe ich doch normalerweise zum Erdinger Hallenbad nur 16 km zu fahren. Warum also nur mal eben zum Schwimmen nach Völklingen fahren, einmal quer durch die Republik?
Entweder ist man ein hoffnungsloser Nostalgiker oder hemmungsloser Snob. Nun trifft bei mir weder das Eine noch das Andere zu. Um Nostalgiker zu sein und in Erinnerungen zu schwelgen, müsste ich über solche verfügen. Aber da ich noch nie zuvor im Saarland war, gibt es keine Erinnerungen, in die ich mich wehmütig ergehen könnte. Als Snob würde mich vermutlich der Weg eher zum Sprizz nach Venedig führen, das ist von München auch nicht viel weiter entfernt.
Warum also Völklingen?
Die Antwort ist vielschichtig.
Zum Einen war ich sowieso wegen eines Vortrags im Saarland. Zum Anderen bot sich die Gelegenheit, die bisherige digitale Facebook-Freundschaft zu Anna, die im Saarland lebt und begeisterte Schwimmerin ist, in eine reale zu überführen. Der dritte Grund: Wie jedes Jahr gehört es zu meiner Challenge, ein Schwimmbad zu besuchen, in dem ich in meinem Leben noch nie zuvor gewesen bin. Da bietet es sich an, etwas länger an der Saar zu bleiben und ein anderes Schwimmbad kennenzulernen.
Und schließlich: Das Schwimmbad im französischen Forbach hat wegen einer Veranstaltung geschlossen. Hierhin wollte mich Anna eigentlich mitnehmen, damit ist nun nichts. Vor verschlossener Tür allerdings herrscht nur kurze Ratlosigkeit.
„Saarbrücken“, so klärt mich Anna auf, „hat gar kein Schwimmbad mehr. Nur ein Freibad und ein Spaßbad, das kann man aber vergessen, wenn man Bahnen schwimmen will. Fahren wir nach Völklingen?“
Warum nicht, also los.
Wir fahren zurück nach Deutschland, durch Saarbrücken, ich habe den Eindruck, wir fahren immer im Kreis, aber das täuscht.
Und dann kommt sie doch, die Nostalgie. Ein flüchtiger Blick von der Autobahn auf Stahlwerke, Zechentürme und Abraumhalden des längst still gelegten Kohleabbaus – Industrie, wohin das Auge blickt. So war es früher bei uns auch am Rande und im Ruhrgebiet. Das kommt mir alles sehr vertraut vor.
Auch das Völklinger Bad weckt nostalgische Erinnerungen. Es hat die typische Bäderarchitektur vergangener Zeiten, die Wände in der Schwimmhalle zitronengelb verfliest, irgendwo ein farbiges, abtraktes Fliesenmosaik, Plastikpflanzen und Plastikliegen. Dazu ein paar unvermeidliche weiße Monoblock-Stühle, die seit den 80er Jahren in Schwimmbädern, Gartenlokalen, Strandbädern und Sonnenterrassen Einzug gehalten haben und ihr Terrain vielerorts noch immer trotzig gegen wetterfeste, vermeintlich coole Lounge-Möbel behaupten.
Die Spinde im Umkleidetrakt sind vom Zahn der Zeit angenagt, die Spiegel in den Kabinen erblinden langsam. Alles ist etwas in die Jahre gekommen – so wie ich auch.
Ein paar Kinder sind im Bad, ein paar Rentner: So ist es Samstags fast überall. Nur eben nicht in den Spaßbädern, die überlaufen vor Vätern mit Kindern, die der Frau des Hauses beim Wochenendputz nur im Weg sind. Und mittags um 12 Uhr har man den Eindruck, dass jetzt alle nach Hause zum Essen müssen. So ist es wohl auch , wie Anna bestätigt.
Solche Bäder und ihre ganz spezielle Atmosphäre kenne ich von früher. Alles passt und fügt sich zusammen – samt Schwimmmeister (früher Bademeister), derdie herumtobenden Kinder zusammenscheißt und ihnen androht, sie rauszuschmeißen, wenn sie nicht sofort aufhören, sich gegenseitig vom seitlichen Beckenrand ins Wasser zu stoßen oder selbst einen Hechtsprung wagen. Egal, ob irgendwer da ist, den das stören könnte oder nicht. Hier geht es ums Prinzip. Hier wird nicht gesprungen. Aus. Ende der Diskussion.
Anna startet durch, sie legt ein Tempo vor, das ich nicht mithalten kann und auch nicht mithalten will. Und wie immer in solchen Fällen hat man als Mann eine geeignete Ausrede parat, wenn man von Frauen permanent überholt wird. Bei Anna findet das auf jeder achten Bahn statt, ich habe mitgezählt, sie nicht.
Ich schiebe die Schuld für meine Trägheit auf das Hotelfrühstück in Neunkirchen, besonders den Filterkaffee und die Säure des Fruchtsaftes. Sie führen dazu, dass ich ungefähr 50 Bahnen brauche, dem Frühstück klar zu machen, dass ich nicht mehr mir ihm sprechen will und es gefälligst dort bleiben soll, wo es ist. Über Rührei und Speck rede ich jetzt besser gar nicht.
Anna findet das witzig und fragt, warum ich überhaupt vor dem Schwimmen so viel gefrühstückt habe.
„Hallo? Hotelfrühstück? Im Preis enthalten? All you can eat? Wer weiß, wann es wieder was gibt?“
Außerdem, so argumentiere ich, war ich unter strenger Aufsicht. Die Pfauen des benachbarten Zoos bevölkern die Terrasse des Hotels (mit Lounge- statt mit Monoblock-Möblierung, der Fortschritt macht auch in Neunkirchen keinen Halt) und starren durch die großen Fensterfronten hinein in den Frühstücksraum. Da kann man doch nicht anders. Da muss an doch alles, was man auf den Teller geschaufelt hat, auch aufessen. Wenn man bei jedem Bissen penetrant und futterneidisch beobachtet wird…
Nach drei Kilometern reicht es, wir wollen noch ein Lunch in Saarlouis nehmen, bevor Anna mich am Bahnhof absetzt, damit ich den Heimweg antreten kann.
Schön war’s. Dafür kann man ruhig mal 473 km fahren…
Noch zu erledigen:
Fünf neue Seen: noch 5 / noch 4 / noch 3 / noch 2 / noch 1
Fünf Wiederentdeckungen: noch 5 / noch 4 / noch 3 / noch 2 / noch 1
Und außerdem: Jahressoll 480 km / ein fremdes Freibad / Ranking aktualisieren / Langbürgner See / Chiemsee – ein neuer Uferabschnitt / Badehosen ausmisten / Chiemsee-Querung / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser
Erledigt:
Fünf neue Seen: noch nichts
Fünf Wiederentdeckungen: noch nichts
Und außerdem: Ein 5.000er, ein fremdes Hallenbad,
Vielen Dank fürs Lesen.
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