Challenge 2017 (Teil 10): Die Goldene Stunde – Ein Glücksmoment und ein Abschied
Bereits im vergangenen Jahr stand Schwimmen zur Goldenen Stunde auf meiner To-Do-Liste. Und schon da war klar, dass das unter sportlichen Aspekten eher eine Nullnummer wird. Die Herausforderung besteht nicht darin, eine bestimmte Strecke zu absolvieren, einen See kennenzulernen oder ein paar Kilometer abzureißen. Es geht einfach nur um das präzise Takten dieses einen Moments: Beim ersten oder letzten Sonnenlicht des Tages im Wasser zu sein. Ähnlich wie bei Vollmond-Schwimmen geht es nur darum, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein – und eben den richtigen Moment abzupassen. Dieses Jahr ist mir das nur halbwegs gelungen:
Zu viele Faktoren spielen eine Rolle:
Stimmt das Wetter oder ist es bewölkt?
Bin ich früh genug am und rechtzeitig im Wasser oder unter Umständen sogar zu früh, so dass ich noch eine Runde und noch eine Runde schwimmen muss?
Geht die Sonne über einem Ufer unter oder verschwindet sie viel zu früh hinter den Bäumen?
Hab ich die Kamera dabei und ist die auch aufgeladen?
Sind Fotobomber unterwegs?
Trotzdem klingt das Ganze nicht nach einer riesigen Herausforderung. Mehrfach habe ich dieses Jahr Anläufe gestartet, nach Feierabend die Goldene Stunde abzupassen, jedes Mal im Kronthaler Weiher, denn da verdecken keine Bäume den Sonnenuntergang.
Allerdings war ich einmal viel zu früh im Wasser und mir wurde kalt, bevor die Sonne unter ging. Einmal verschwand die Sonne, noch bevor sie alles ins goldene Abendlicht tauchen konnte, hinter aufziehenden Wolken. Und ein drittes Mal, als ich spontan nach der Arbeit zum Weiher abgebogen war, hatte ich gar nicht erst meine Kamera dabei.
Vergangenen Mittwoch aber passte alles… Na, ja. So halbwegs. Also ist damit das Schwimmen während der Goldenen Sunde auch abgehakt.
Langsam sinkt die Sonne über dem Westufer, Wolken, die zwar nicht optimale Bedingungen erwarten lassen, aber noch akzeptabel für dieses Projekt sind, machen das Licht milchig, trübe, diffus. Das Wasser ist sehr warm und fast spiegelglatt.
Noch immer tummeln sich zahlreiche Schwimmer in Ufernähe im Wasser, die Plitsch-Platsch-Badefraktion aber ist bereits gegangen. Am Ostufer liegen noch immer Menschen in der Abendsonne. Fast schon zu viele, es wird in einer Tour geredet, viele erzählen von den Urlaubsreisen, von denen sie gerade zurückgekehrt sind. Das stört mich nicht, gleich bin ich ohnehin im Wasser.
Kurz vor 19 Uhr stieg ich ins Wasser, an der gleichen Stelle wie im Vorjahr – perfekt, um der untergehenden Sonne entgegenzuschwimmen und dabei jede Menge Fotos zu machen, von denen naturbedingt der Großteil nichts geworden ist. Die Kamera kämpft unendlich gegen die Lichtverhältnisse.
Mein Schwimmstart erfolgt ein wenig zu früh, die Sonne steht noch relativ hoch, aber von Westen ziehen weitere Wolken eines Tiefdruckgebiets heran, die Gefahr besteht, dass sie sich vor die Sonne schieben, bevor diese alles golden einfärbt. Also los.
Ich kraule genau nach Westen, halte immer wieder an, schaue, genieße.
Fotos: Noch nicht. Jetzt noch nicht. Es ist noch zu früh. Oder sicherheitshalber doch?
Hundert Züge weiter das gleiche Spiel. Kurz bevor ich das Westufer erreiche überkommt mich der erste Fotorausch – einige weitere werden folgen
Auf den knapp eineinhalb Kilometern, die ich im Dreieck durch den Weiher schwimme, entstehen über 80 Fotos, von denen die wenigsten vorzeigbar sind. Irgendwie will es mir heute nicht gelingen, aber ich weiß nicht, ob ich noch einmal die Gelegenheit haben werde. Der Wetterbericht kündigt für den Folgetag Gewitter und darauf folgend Dauerregen an. Der Weiher wird, wenn das Wetter wieder besser wird, soweit abgekühlt sein, dass ich vermutlich nicht mehr ohne Neoprenanzug schwimmen kann. Das aber passt meiner Vorstellung nach so gar nicht zur Goldenen Stunde. Denn es ist da dieses spezielle Licht, dass die Haut so gebräunt erscheinen lässt, als sei man gerade von einem ausgiebigen Urlaub zurückgekehrt oder sei Dauergast auf der Sonnenbank. Bei jedem Atemzug sehe ich, wie das Wasser von dem knackig braunen Arm heruntertropft. Das ist der Sommer, das is die Goldene Stunde. Im Neoprenanzug geht sowas nicht.
Also schwimmen, schauen, Fotos, schwimmen, schauen, Fotos… jede Minute auskosten. Dieser Moment ist eh viel zu kurz, schon das allein macht wehmütig. Er könnte ewig dauern. Aber das tut er nicht.
Als die Goldene Stunde langsam in die Blaue überging, wird es Zeit, das Wasser zu verlassen. Noch immer sitzen viele Badegäste am Ufer, sie alle sehen der untergehenden Sonne und der einsetzenden Dämmerung zu. Ich bin nicht der Einzige, der diesen Abend auskosten wird. Kaum jemand geht. Der Moment hat etwas ganz und gar Magisches. Etwas Besonderes. Viele Gespräche sind verstummt, die Leute schauen nur noch, machen Fotos oder beides.
Und ich bin nicht der Einzige, der spürt, dass heute etwas zu Ende geht. Das Gefühl, sich von etwas verabschieden zu müssen, liegt in der Luft. Und etwas Schwermütiges, etwas Melancholisches.
Was ist an diesem Abend zu Ende gegangen, von was haben wir uns wohl verabschiedet? War es
- der Abschied vom Tag – Ganz gewiss
- der Abschied vom Hochsommer – sehr wahrscheinlich, denn über 30° wird das Thermometer in diesem Jahr wohl nicht mehr klettern
- der Abschied vom Sommer – ich hoffe noch immer, dass es so nicht ist. Auch im September gibt es oft wunderschöne Spätsommertage
- der Abschied vom Weiherschwimmen ohne Neoprenanzug – das ist gut möglich
- der Abschied vom Freiwasser – auch höchst unwahrscheinlich. Bis die Seen und Weiher soweit runtergekühlt haben, dass ich nicht mal mehr im Neo darin schwimme, dauert es noch.
- Der Abschied vom Draußen-Schwimmen – auch das nicht. Die Freibäder haben ja auch noch offen.
Trotzdem. Irgendetwas endete an diesem Abend. Etwas, was wir alle gern festgehalten hätten, wohl wissend, dass wir das nicht konnten. Das haben wohl alle gespürt…
Alle Aufgaben im Überblick:
Erledigt: 5.000 am Stück, Fremdes Hallenbad, Erster im Erdinger Freibad, Fremdes Freibad, Langbürgner See, Chiemsee Extratour, Vollmondschwimmen, Ammersee, Goldene Stunde
mindestens 4 neue Seen: Notzinger Weiher, Bibisee, Starnberger See, Tegernsee, Hofstätter See,
Noch offen: Chiemsee Querung / Jahressoll 455 km / Rollwende üben / Drei Badehosen wegschmeißen
Vielen Dank fürs Lesen.
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Eine schöne und leicht melancholische Geschichte.
Einmal mehr bedaure ich es, mich wieder einen Sommer lang, nicht zu ernsthaftem Freiwasserschwimmen durchgerungen zu haben.
Mehr als Baden gehen, habe ich dieses Jahr wieder nicht geschafft.