Vielleicht bin ich ein Depp – BlackLivesMatter
Noch mal was zu BlackLivesMatter.
Rita, die vielleicht gar nicht so heißt, besitzt ein nahezu impressumloses Blog, auf dem es nur eine E-Mail aber sonst keine Angaben zum inhaltlich verantworlichen Betreiber gibt. Aber darum soll es hier nicht gehen. Rita hat eine Frage aufgeworfen, die durchaus berechtigt ist:
„Bringt’s was?“
Es geht um die weltweiten Proteste im Kontext der #BlackLivesMatter Debatte, allerdings nicht um die derer, die auf der Straße stattfinden sondern um die in den Sozialen Medien, die Facepook Post, Tweets, Instagram Bilder und Blogbeiträge von Tausenden weltweit. Von einfachen Leuten, Prominenten (echten und eher irrelevanten), Sportlern, Politikern, Firmen, Parteien, Verbänden…
Zitat: „Interessiert es irgend jemand in Amerika wenn die Deutschen mit einem Schild aus Pappe gegen Rassismus protestieren? (…) Um auf des Pudels Kern meines Artikels zu kommen, was mich echt nervt ist, dass jetzt jeder Depp unbedingt posten muß dass er gegen Rassismus ist. Ja, das bin ich auch, und versuche es im Alltag im Umgang mit meinen Mitmenschen zu zeigen, ich muß das nicht rausschreien.“
Und weiter: „Primär geht es wieder um Selbstdarstellung. Rassisten werden dadurch wohl kaum umgestimmt. Falls du denkst, dass ich die Situation nicht richtig erfasst habe, sage mir was sich durch eine Demo in Deutschland in Amerika verändert?“
Das kann und möchte ich so nicht stehen lassen. Daher hier eine offene Antwort (neben dem meinem Kommentar unter ihrem zitierten Blogbeitrag.
Tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!
(Konstantin Wecker)
Das sage ich als einer, der seine Social Media Kanäle ebenfalls zur Verfügung gestellt hat für #blacklivesmatter, Twitter, Facebook und dieses Blog hier.
Ich möchte das begründen, nicht rechtfertigen, aber erklären; und damit einen weiteren Baustein zu einer Debatte liefern, vielleicht einen Denkanstoß, selbst wenn er noch so klein ist, selbst wenn er über keine nennenswerte Reichweite verfügt.
Warum ich das mache?
Weil es im Einklang steht zu dem, wie ich auch sonst an Werten und Prinzipien lebe und handle.
Natürlich ist es leicht und unproblematisch, sich hinzuknien und ein Foto zu posten, einen Justice for George Floyd Tweet abzusetzen, eine schwarze Fläche auf Instagram zu posten. Das alles kostet nichts, schadet nichts, ist schnell und einfach gemacht. Lippenbekenntnisse sind wertlos, wenn man nicht dazu steht, nicht nach diesen Maximen handelt. Daran werden wir gemessen, nicht, was wir posten oder tweeten. Rassismus ist einfach scheiße und ich bemühe mich nach Kräften, das selbst zu vermeiden. Bei bewusstem Rassismus ist das kein Thema, bei unbewusstem bin ich lernfähig.
Aber das ist nur ein kleiner Aspekt.
Weil es hilft, eine Präsenz zu schaffen, dass dieses Thema relevant ist.
Medien schauen sehr genau hin, was auf Twitter passiert. Sie haben mittlerweile eine feine Sensorik und benutzen vor allem diese Plattform, um Stimmungen, Trends, Diskussionen und Diskurse aufzugreifen. Auch nach dem Prinzip: Darüber wird sehr oft und viel getwittert, dazu machen wir eine Meldung oder einen Bericht – nicht nur von den großen, prominenten Accounts.
Da möchte ich ein winzig kleiner Mosaikstein sein. Also beteilige ich mich, schreibe etwas, nutze Hashtags. Das schafft Präsenz und damit vielleicht auch Medienrelevanz. Twitter meldet Trends, zählt, welche Hashtags gerade viel verwendet werden. Auch da schauen Medien, Politiker, tatsächliche und selbsternannte Meinungsführer und Multiplikatoren hin.
Aber noch wichtiger:
Weil es mein kleiner Beitrag dazu ist, den Diskurs in den sozialen Medien nicht immer weiter nach rechts rutschen zu lassen.
Ich finde es enorm wichtig, nicht dem rechten Mob die Straße zu überlassen – Stichwörter: Gegendemo, Demonstrationen gegen rechts.
Das Gleiche gilt allerdings auch für die sozialen Medien. Rechte wie Verschwörungstheoretiker beherrschen die Klaviatur der Sozialen Netzwerke perfekt. Schier endlos viele Bots sind im Einsatz, um Stimmung zu machen, Hassbotschaften zu verbreiten, Menschen zu manipulieren. Aber es sind auch viele real existierende Personen, die nicht müde werden, Post um Post den Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben. Sie provozieren, pöbeln, testen Grenzen dessen, was bisher schlicht aus Anstand und/oder Vernunft unsagbar war.
Wollen wir ihnen das Feld wirklich kommentarlos überlassen und ihnen das Gefühl einer Mehrheit oder sogar Meinungshoheit geben, die sie vielleicht gar nicht haben?
Oder wollen wir den Diskurs mitbestimmen, mitprägen, das öffentliche Meinungssbild und die Stimmungslage innerhalb der Gesellschaft mitformen? Dann müssen wir Präsenz zeigen und Nein! sagen.
Weil ich der Hoffnung bin, vielleicht nur ein oder zwei meiner Follower, die etwas verzagt sind, zu motivieren, mutiger gegen Rassismus zu werden
Wenn es mir gelingt, nur einen oder zwei Menschen aus einer gewissen Gleichgültigkeit oder Frustration herauszureißen, hat es sich gelohnt. Wenn nur einer bei der nächsten Wahl sein Kreuz nicht allzuweit rechts macht, sich einen rassistischen Spruch oder Witz in seiner Gegenwart verbietet, war es den Tweet, Facebookpost oder Blogbeitrag wert.
Weil es nicht darauf ankommt, ob es irgendwen in den USA interessiert, was hier zu diesem Thema gesagt wird, aber es hingegen relevant ist, was hier an Rassismus passiert
Kehren wir doch vor unserer eigenen Tür. Da liegt genug Dreck. Und nicht nur #Blacklivesmatter, das gilt für alle und jeden – egal welcher Hautfarbe, Geschlecht, Religion sexuellen Orientierung, körperlichen, seelischen oder geistigen Verfassung. Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob es auch Rassismus gegen Weiße gibt. Wir müssen nicht darüber diskutieren, welche Bevölkerungsgruppe mehr und welche weniger Opfer von Rassismus und Diskriminierung sind – und schon gar nicht diese Gruppen gegeneinander ausspielen. Es nützt auch nichts, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, #whataboutism löst keine Probleme, es lenkt nur ab.
Weil es ganz vielleicht doch eine Wirkung in den USA hat
So verblendet sind die Amerikaner nicht, zumindest längst nicht alle, dass es ihnen scheißegal ist, was die Welt über sie denkt. Amerikanische Medien, die nicht unbedingt dem Trump-Lager angehören, haben das sehr genau im Blick. Dass die #Blacklivesmatter Demonstrationen weltweit durchaus in den USA wahrgenommen werden, die demokratischen Kräfte in den USA (moralisch) in ihrem (Wahl)Kampf stärken, kann man nicht bestreiten. Auch die amerikanischen Medien durchsuchen sehr genau Twitter und Co. nach Stimmungen und Meinungen, nach Vox pop und Statements Prominenter und greifen dies auf. Warum sollte sonst US-Präsident Trump selbst bisweilen über 200 Tweets am Tag absetzen?
Wenn es hilft, die Debatte innerhalb der USA um den politischen Weg in die Zukunft dahingehend zu beeinflussen, dass im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eben doch nicht alles möglich ist, ohne dem Land immensen Schaden zuzufügen, dann ist auch das sinnvoll.
Und letztlich: Weil ich es kann und ich es will
Mein Blog, meine Accounts, mein Content, meine Meinung. Dafür bin ich gerne ein „Depp“.
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Genau so sehe ich das auch!
Da gibts nichts hinzuzufügen, eher etwas zum weglassen. Das ist kein Thema für das man sich in irgendeiner Form rechtfertigen müsste. Im Gegenteil.