Herr P. schreibt ein Buch und macht den Hausfrauentest

Als Herr P. sagte Fertig! war dem natürlich mitnichten so.
Herr P., der 229.099 Zeichen in ein Word-Dokument getippt hatte, druckt das Ganze aus, versieht den Stapel Papier mit einer Spiralbindung und steckt es in einen Briefumschlag. Selbigen schickt er an Frau E.

Frau E. – über 600 km von Herrn P. entfernt – hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, das Ganze zu lesen. Hausfrauentest nennt Herr P. das, was er Frau E. zu tun angeschafft hat. Dabei ist Frau E. mitnichten nur Hausfrau. Herr P., der sich einigermaßen mit Marketing, Produkteinführungen und so einem Zeugs auskennt, ist nur vernarrt in diesen altmodischen und in dem Business seltenen deutschsprachigen  Ausdruck Hausfrauentest. Der benennt Produkttests, die üblicherweise so ablaufen, dass man vornehmlich Hausfrauen in Fußgängerzonen oder vor Supermärkten überrumpelt, sie ein Produkt testen und hernach ihre Meinung dazu sagen lässt: Ob Fertigpudding, Dosenöffner oder eine neuartige Verschlusstechnik für BHs – was auch immer. Als Laien, die an der Produktentwicklung nicht beteiligt waren und nicht immer wussten, was zum Beispiel sie genau da eigentlich verköstigen, und nach was es schmecken soll, könnte eine ungefilterte Meinungsäußerung helfen, das Produkt noch vor Markteinführung zu verbessern.
Natürlich werden auch Männer gefragt: Zu Akkuschraubern, Autopolituren und Dispersionsfarben, Rasierschaum und bierhaltigem Käse.
Zielgruppenaffin eben.
Und so hat Herr P. Frau E. gefragt, ob sie nicht Lust hätte, seine 35.143 abgesonderten Wörter zu lesen und ihren Senf dazuzugeben. Frau E., so dachte Herr P. sei die richtige Kanditatin: Sie ist sehr kompetent in dem Thema, um das es im Skript geht, trotzdem nicht abgehoben oder elitär. Herr P. schätzt ihre kritische und offene Art, so erwartet er ihr ehrliches Feesback. Zugleich zählt er auf ihre Diskretion, niemandem von diesem Skript zu erzählen.

Hausfrauentest

Zur Not muss sogar Abba laufen

Denn Herr P. sorgt sich um Ideenklau. Das Internet ist enorm schnell. Vieles, was Herr P. da zusammengetextet hat, könnte ein anderer Mensch vielleicht auch tun. Vermutlich sogar besser. Schnell ist dafür eine Website aufgesetzt und all das veröffentlicht. Der schöne Plan von Herrn P., seinen Text zwischen Buchdeckel zu pressen, wäre hinfällig.
Dabei hat er sich so viel Mühe gegeben: Er hat Abba-Songlisten durchgeforstet und  recherchiert, wann und von wem die Firma Tupperware gegründet wurde. Er hat sich mit fouragierenden Soldaten beschäftigt und mit Piranhas.
Und das ist noch lange nicht alles: Er hat bei Google die Straßennamen in Wiener Neustadt überprüft, weil er sich nicht auf die Erinnerung verlassen wollte, Ossobucco gegessen und sich sachkundig über die durchschnittliche Temperatur in Gefriertruhen gemacht. Erdnägel unterscheidet er jetzt von Zeltheringen, Fleischwölfe wurden mit Hingabe beobachtet und Sommerlochverfüllungen in der deutschen Presse der vergangenen Jahrzehnte durchgeforstet. Selbst rudimentäre Kenntnise alter, mongolischer Knochenorakel mussten erworben werden.
Das alles für nur ein ein winziges Büchlein. Das setzt man nicht leichtfertig aufs Spiel, in dem man einen möglichen Ideenklauer auf seine Arbeit aufmerksam macht.
Wer meint, aus diesen soeben genannten Vorarbeiten für das Buch jetzt das Ganze erkennen zu können, der wird sich hoffentlich bei seinen Grübeleien die Zähne ausbeißen. Das alles sind nur Randgebiete – so wie Katzenfutterwerbung, Stauumfahrungsstrategien, Wildschweinbisse, Kirschlorbeer und Rosmarin. Herr P. hat sogar MobbyDick aus dem Bücherregal geholt und darin geschmökert. Aber das brachte ihn nicht weiter.
So – nun ist es genug davon. Vorerst.

recherche

Nicht jede Recherche führt zum Ziel

Einige Zeit wartet Herr P. voller Ungeduld, vertröstet seinen Verleger, mit dem das Vorgehen abgesprochen ist, Zwischenstandsberichten und ist froh, dass dieser mit anderen Projekten mehr als genug zu tun hat.
Dann meldet sich Frau E. und schickt Herrn P. ein fünfseitiges Dokument, in dem sie penibel alle von ihr entdeckten Schreibehler notiert hat, Formulierungs- und Verbesserungsvorschläge liefert, auf fehlende wie auch überzählige Wörter hinweist. Sie benennt Schwächen, für den Leser mögliche Verständnisprobleme, bemängelt Formulierungen und spart auch mit Lob nicht.

Also druckt Herr P. ihr Dokument aus und arbeitet gewissenhaft die ganze Liste ab. Lediglich über das eine oder andere eingeforderte Komma wird sich Herr P. mit Frau E. auseinandersetzen müssen. Während seiner redaktionellen Arbeit am Text verewigt er Frau E. aus lauter Dankbarkeit an mehreren Stellen, bricht aus ihren Korrekturanmerkungen sogar ganze Sätze heraus, die er ihr als Zitate in den Mund legt und gießt gleich noch weitere 8.175 Zeichen in den Text.statistikzweiBevor er das Skript an seinen Verleger schickt, leitet er ihm den Schlusssatz aus Frau E.s Anmerkungen weiter. Verleger wollen schließlich auch bei Laune gehalten werden und das Gefühl haben, einen Toptitel für ihr Programm akquiriert zu haben. Mit diesem Satz aus dem Hausfrauentest sollte das wohl gelingen…

Es ist gut geschrieben, lustig, zum schmunzeln, zum nachdenken, zum lächeln, trotzdem informativ und einige werden sich wieder erkennen und sich auch das eine oder andere Mal ertappt fühlen ;).

Was will man – in diesem Fall Herr P. – mehr?

 

Herr P. schreibt ein Buch:
Teil 1: Herr P. schreibt ein Buch und sagt „Fertig!“
Teil 2: Herr P. schreibt ein Buch und macht den Hausfrauentest


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4 Antworten

  1. Erika sagt:

    Das hört sich doch richtig gut und vielversprechend an! Viel Erfolg!

  2. Frank sagt:

    Vielen Dank und viel Erfolg.

  3. Nicht schlecht, weiter so.

  1. 28. November 2017

    […] die das Skript vor Veröffentlichung lesen sollen, denn ich halte nach wie vor sehr viel von Hausfrauentests, trotz dieses mittlerweile nur dämlichen Begriffs. Gleichzeitig sollen/müssen/dürfen zwei Leute […]