Ich habe mich verliebt… in ein Schaf – Notizen aus dem Lenbachhaus (Teil 1)

Ja, ich gebe zu: In der langen Reihe der Skurrilitäten (früher nannte es man Schrullen), die man mir gemeinhin zuschreibt, muss ich eine Weitere addieren. Ich habe mich in ein Schaf verliebt.
Menschen meines Alters denken sicher sofort an Daisy, jenes legendäre Schaf, dass der armenische Schafhirt Milos Stavros so sehr anhimmelte, obwohl das Tier seine Liebe nicht erwiderte. Stavros unterzog sich gemeinsam mit Daisy einer Paartherapie bei Dr. Doug Ross. Doch auch dieser verfiel Daisy bedingungslos. Lange her ist das – 1972 erzählt von Woody Allen in seinem Frühwerk Everything You Always Wanted to Know About Sex * But Were Afraid to Ask.

Das Schaf aber, das mir jetzt die Sinne verdreht hat, ist noch viel älter als Daisy. Es stammt aus dem Jahr 1949 und wurde von niemand geringerem als dem Künstler Joseph Beuys geschaffen. Ein Frühwerk des später so umstrittenen und unverstandenen Meisters.

Kunstwerke von Beuys steuere ich relativ oft in Museen an. Ich finde sie interessant und faszinierend, wenn auch manchmal komplett unverständlich. Hin und wieder, wenn mir der Sinn danach ist, ich die Zeit habe und vorzugsweise allein im Raum bin (was in Museen für moderne Kunst ja durchaus passieren kann), versuche ich diese Rauminstallationen oder Plastiken zu erschließen. Das gelingt mir selten, aber gelegentlich bekomme ich eine Ahnung von dem, was der Künstler zum Ausdruck  bringen wollte und muss sagen: Es ist weitaus mehr als Filz und Fett. Es ist Kunst und kann deshalb in keinem Fall weg:

Die verbrannte Ateliertür in Wien, die Rauminstalltion „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ in London, die Capri-Batterie in München, die Filzmatten in Darmstadt… Irgendwie kreuzen sich meine Wege immer wieder mit Werken von Beuys. Und das ist gut so. Jetzt aber ist alles anders:

An einem verregneten Tag in den Pfingstferien besuchen wir das soeben wiedereröffnete Lenbachhaus in München. Besucherscharen drängt es in das Gebäude. Schnurstracks strömen die Massen in die Säle mit den Bildern des Blauen Reiters. Sie drängen und schlängeln sich vorbei an Marc, Kandinsky, Münter, Macke und Jawlensky. Gut, dass wir die Bilder alle schon öfter gesehen haben und uns dieses Mal ganz der Kunst nach 1945 widmen können. Diesen Teil des Museums nehmen die meisten Besucher eher so im Vorbeigehen mit. Zum Glück für uns.

In einem Trakt, der exklusiv den Kunstwerken von Joseph Beuys geewidmet ist, entdecke ich das Schaf, eine Stiftung von Lothar Schirmer für das Lenbachhaus.

Es ist Liebe auf den ersten Blick. Ich möchte es haben. Sofort.

schaf.jpgGoogle verrät mir, dass eine solche Bronze 2007 über ein Auktionshaus angeboten wurde. Dort hieß es: „Verkauf aus Privatbesitz. Bronze mit messingfarbener Patina 4 x 8,5 x 3,5 cm. Eines von wenigen, bekannten Exemplaren, es existieren vermutlich nur 2 Bronzen.“

Der Schätzwert  für das Los lag bei € 40.000. Für wahre Liebe sollte das eigentlich nicht zu teuer sein. Da hätte ich die Gelegenheit gehabt, einen echten Beuys zu ergattern und ihm einen Ehrenplatz in Omas alter Vitrine freizumachen. Tja, hat aber nicht sollen sein, denn die Versteigerung  ist ja sechs Jahre her. Und wie hoch die Auktion allerdings gegangen ist, weiß ich nicht. Irgendwer aber muss dieses Schaf noch viel mehr lieben als ich. So traurig.

Zwei weitere Blogeinträge mit Notizen aus dem Lenbachhaus folgen in Kürze.

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2 Antworten

  1. 10. Oktober 2017

    […] dieses Klischee aufs Vortrefflichste. Weil ich Kultur konsumiere. Was heißt: Ich gehe in Museen und Ausstellungen, schaue mir moderne Kunst und antike Artefakte an, lausche im Theater […]