20.03.2025: Fastenkalender (16) – Colorkey oder Kitsch
Colorkey ist eine Technik in der Fotografie und selten in Filmen, in der alles farbentsättigt wird bis auf ein Schlüsselelement. Es ist ein Stilmittel, das einem breiten Publikum vor allem durch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ bekannt wurde, durchgängig in Schwarzweiß gedreht, bis auf die Colorkey-Szenen mit dem kleinen Mädchen im roten Mantel.
Schon damals wagten einige Verwegene, Spielberg, dem Meister manipulativer Emotionalisierung, mit dieser Szene das Abgleiten in den Kitsch vorzuwerfen. Das war ein ungeheures Sakrileg, denn der Regisseur wie der Film waren (und sind) erhaben über jede Kritik. Ein Heiligtum und doch ein Musterbeispiel, wie das Publikum im Dienst der guten Sache massiv manipuliert wird.
Lange ist das her – auch die Kollegenschelte gegen die, die Spielberg mit dem Vorwurf des Hollywood-Kitsches bedachten.
So ganz falsch ist das nicht.
Colorkey hat, um zurück zum Thema zu kommen, immer etwas mit Kitsch zu tun. Ob man es zu den größten Verbrechen der Fotografie zählen darf, wie es Martin Gommel in seinem Blog Fotoflitzer tut, sei dahin gestellt. Er nennt es „die billigste Technik, das Auge zu lenken“, ordnet es ein als Kitsch und schließlich in seinem Rant „das Arschgeweih der Fotografie.“ Da muss ich dann lachen, denn das ist ein großartiger Vergleich.
Auf BlueSky in der Bubble des Fotovorschlags kommt diese Diskussion auf, als im Dezember Colorkey zum Tagesthema erkoren wird. Auch ich beteilige mich mit einem Bild, allerdings mit rein natürlichem Colorkey, denn ich habe nichts farbentstättigt. Das Ahornblatt schwimmt einfach so auf der Oberfläche im Zinneberger Seepark unter der Brücke hindurch, ich nehme es vors Objektiv. Das Wasser ist so grau wie der Himmel an diesem nebligen Tag, das Heranzoomen produziert die Unschärfe. Lange habe ich warten müssen, der kleine See hat kaum Strömung, in quälender Langsamkeit treibt es heran, nachdem schon eine erkleckliche Zahl anderer Blätter unter der Brücke aufgetaucht ist, aber keines schwamm so auf dem Wasser, wie ich es gerne gehabt hätte.
Ein Colorkey Bild entstand auf rein natürlich Art, ohne, dass ich es durch ein Bildbearbeitungsprogramm hätte schicken müssen (abgesehen vom Beschnitt). Bin ich damit frei vom Kitsch als einer Form kalkulierter Gefühlsmanipulation oder -verlogenheit?
Einmal mehr konfrontiert mich die Diskussion um Colorkey wie auch die Kommentare zu meinem Bild zum Nachdenken über den „Kitsch“-Vorwurf, der nicht mich getroffen hat, aber generell für entsprechende bearbeitete Bilder im Raum steht. Kitsch, wertfrei betrachtet, ist für mich, den (manipulativen) Effekt in den Vordergrund zu stellen, es geht nicht mehr um das Foto, um das als Beispiel zu nennen, an sich, sondern um den gestalterischen Effekt, der beim Betrachten bestimmte Emotionen auslösen soll. Das ist durchaus legitim, auch ein Geschäftskonzept, an dem zum Beispiel die Grußpostkartenindustrie gut verdienen kann. Kitsch muss nicht schlimm sein.
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Kitsch ist für mich nicht einseitig negativ besetzt. Was wären Weihnachten, Ostern, Frühling, Sommer, Herbst und Winter in meiner Wohnung ohne ihn? Und überhaupt: Dein Foto ist nicht kitschig! Finde ich. Ich kann mir nicht erklären, warum hier Gefühle manipuliert werden sollten. Ich habe mir nie überlegt, zum Beispiel einen Sonnenuntergang am Meer nicht zu fotografieren, und kommt er auch noch so „kitschig“ rüber.
Ich mag Deinen Fastenkalender! Liebe Grüße aus dem Wendland! Regine
Liebe Grüße zurück ins Wendland aus Oberbayern und danke für Dein Feedback. Ich sehe das ziemlich genau wie Du. Und ich gebe zu, dass ich auch gern „kitschig“, also auf Effekte ausgerichtet und damit manipulativ fotografiere. Was heißt, gleich beim Erstellen des Fotos zu ahnen, wie die Betrachter:innen später darauf reagieren werden und das Bild genau darum ganz gezielt zu machen.
Das finde ich auch nicht problematisch.
Wenn ich mir aber so Color Key Postkarten in der Papeterie oder im Souvenirshop anschaue, dann gruselt es mich schon. Da geht es nur noch um einen billigen Effekt. Aber nun ja: Mir muss das ja nicht gefallen und so lange es Leute gibt, die das kaufen, ist es doch in Ordnung.
Freut mich, dass das „Fastenkalender“-Projekt bei Dir gut ankommt. Es war/ist ein spannender Versuch für mich.
Colorkey in Kombination mit Kitsch zu setzen ist mir fremd. Klar kann man alles kitschig wirken lassen, aber bei Colorkey Bilder habe ich noch nie in diese Richtung gedacht.