Phantasie ist eben alles…
Natürlich, ich hätte auch google befragen können. Google weiß auf alles eine Antwort; egal, ob ich wissen will, wie die kleine Straße links vom Johannishospital heißt oder wie man Hackbraten zubereitet, wie der Hauptdarsteller der Fernsehserie „77 Sunset Strip“ hieß oder was eine Gambe ist. Aber ich hab Google nicht befragt. Ich habe ja Phantasie.
Allerdings ist das mit meiner Phantasie auch so eine Sache, die ist nämlich hin und wieder ein wenig schmutzig.
Das tut mir zwar ein wenig Leid, aber das ist so.
Schmutzige Phantasien kommen in den besten Familien vor, vielleicht auch gerade dort. Und sie scheinen für Männer im fortgerückten Alter eine besondere Rolle zu spielen. Nicht umsonst gibt es für die Gattung schaler, zotiger Scherze mit sexuellen Anzüglichkeiten den Gattungsbegriff Altherrenwitz.
Dabei muss das Ganze gar nicht zwangsläufig in Zotigkeit und schalen Witzen münden. Großartige Literaten erweisen sich gerade im hohen Alter als wahrhaft von sexueller Phantasie getrieben. Man denke an die Lyrik eines Günther Grass oder das Spätwerk von Philip Roth, allen voran den Roman Das sterbende Tier. Da werd ich doch auch wohl ein wenig…
Nein, ich möchte mein, kleines Blog nicht auch nur annähernd in einem Atemzug mit Roth oder Grass nennen. Nichts läge mir ferner, als mich den Größten der Größen unserer Gegenwartsliteratur zu vergleichen. Davon abgesehen: So alt bin ich dann auch noch nicht, dass ich mit wollüstigen Texten Erinnerungen an längst vergangene Zeiten kompensieren müsste.
Zwischen Grass, Roth und mir liegen ein paar Jahrzehnte.
A propos Jahrzehnte: Genau diese liegen zwischen mir und den meisten anderen Menschen, die durch die Fußgängerzone Baden-Badens flanieren – sei es, dass sie dort wohnen, sei es, dass sie dorthin zur Kur oder in den Urlaub gefahren sind. Einmal im Jahr treibt mich ein Kongress in dieses wundersame Rentner-Städtchen am Rande des Schwarzwaldes, in den einzigen Ort, der es geschafft hat, den McDonald’s aus der Fußgängerzone wieder herauszubekommen. Wohl mangels Zulauf hat das Unternehmen den Standort aufgegeben und das sagt schon alles über die Stadt, seine Bewohner und seine Besucher aus. Hier gehört manmit 70 sicher noch zum jungen Gemüse.
Während ich während einer Kongresspause die Fußgängerzone durchquere und die Auslagen einer Parfümerie betrachte, fällt mein Blick auf ein osterliches Strohkörbchen zu meinen Füßen. Darin aber liegen nicht, wie es der Saison angemessen wäre, irgendwelche bunten Eier sondern Blechdosen. Ich gehe in die Knie, um das angebrachte Papierschild lesen zu können. Es ist etwas ungeschickt platziert. Ah ja: Vorher acht, jetzt nur noch ein Euro kostet die feilgebotene Ware. Das ist ein wahres Schnäppchen, was aber in Baden-Baden niemanden interessiert. Diese Klientel achtet nicht darauf, was sie sparen könnte beim Einkauf, Schnäppchen jagt hier niemand. Das hat man nicht nötig. Immerhin bietet sich hier die Glegenheit für eine kleine Rechenübung. Von acht auf einen Euro, das ist ein Preisnachlass von 87,5%, wie ich ganz ohne Taschenrechnerfunktion des Handies im Kopf ausrechne. Da sind Sie platt oder? Rechnen Sie ruhig nach (hab ich auch gemacht). Ich bin alt genug, das noch zu können, aber noch nicht so alt, es nicht mehr hinzubekommen.
Zurück zum Thema. Was gibt es dort Gutes?
Massagekerzen.
Eine Kollegin, die neben mir steht, wird umgehend zum Opfer eines meiner zugegebenermaßen sehr schlechten, niveaulosen Bemerkungen ohne jeden Tiefgang: „So ein Unfug… Ich wüsste niemanden, den ich mit so einer Blechdose massieren könnte. Ich wüsste auch gar nicht, wie ich das anstellen sollte, und googlen werd ich das jetzt ganz sicher nicht.“
So ganz daneben ist dieser Flachwitz gar nicht, wie ich sofort danach erfahre. Denn die Kollegin erzählt mir, dass eine ihrer Bekannten tatsächlich ein Massagekerzenerlebnis der ganz eigenen Art gehabt hätte, das genau dieser gequälten Zote entspricht: Die nämlich, also die Bekannte der Kollegin, sei in eine Parfümerie gegangen und habe nach Massagekerzen gefragt. Worauf eine Parfümeriefachverkäuferin (vermutlich über Gebühr geschminkt und beduftet – bitte, ich lasse doch kein Klischee aus) sie herablassend angeschaut und geantwortet habe: „So etwas führen wir nicht. Da müssen Sie schon zu Beate Uhse gehen…“
Womit bewiesen wäre: Schmutzige Phantasie und zotiges Gedankengut beschränkt sich nicht auf alte Männer und auch nicht auf die hohe Literatur.
Wäre dem so, müssten Massagekerzen doch der Renner in Baden-Baden sein. Bei der Klientel…
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Hat dies auf DENK-BAR?! rebloggt.