Wenn’s herbstelt am Weiher
„Noch nicht!“ möchte ich betteln. „Die Saison war doch sowieso nicht so lang.“
Energisch ist es Herbst geworden. Am 22. September, pünktlich zum kalendarischen Herbstanfang stehe ich am großen Pullinger Weiher. Ein wenig Trübsal mischt sich in meine Gefühle, ich würde so gern noch möglichst lange im Herbst weiterschwimmen. Heute spüre ich, dass das so nicht passieren wird.
Der Starkregen am Monatsanfang, der zu verheerenden Hochwassern geführt hat, hat in unserer Region zwar ein paar Straßen überschwemmt und Keller geflutet, aber wir sind dieses Mal glimpflich davon gekommen.
Rasant rauschten die Temperaturen in den Keller, auch die der Seen und Weiher. Der Sommer war schlagartig vorbei. Jetzt ist es Herbst, da können Tagestemperaturen von etwas über 20 °C nicht hinwegtäuschen. Das T-Shirt-Wetter gaukelt einen Spätsommer vor, der keiner ist. Frühnebel im Moos, taunasses Gras auf den Wiesen, knallrote Äpfel an den Bäumen. Viele fallen, so auch die Kastanien.
Wo die Bäume am Straßenrand stehen, matscht das Obst unter den Reifen der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Unermüdlich wird der Mais geerntet, zumindest der für die Biogasanlagen. Er ist braun, in der Morgensonne fast mit einem leichten Goldschimmer überzogen.
Dass die Tage viel kürzer geworden sind und die Nächte länger und länger – geschenkt. Das hat wohl jede/r bemerkt. Es herbstelt halt.
An den Weihern findet der große Umbruch statt, baden tut fast niemand mehr. Einige schwimmen ein wenig ohne, andere deutlich mehr mit Neoprenanzug.
Mit der Abkühlung kommt die Klarheit des Wassers zurück. Die Trübnis des Sommers ist verschwunden. Tiefer sieht man als noch vor einigen Wochen.
Spaziergänger*innen und Radfahrer:innen kommen spät in die Naherholungsgebiete, viele tragen wärmende Daunenwesten, einige tragen sogar ein Stirnband, während andere noch immer kurze Hosen und T-Shirts bevorzugen und sich auf ihren Decken in die Sonne legen. Kioske und Biergärten haben, wenn überhaupt, nur noch am Wochenende geöffnet, die Speisekarte ist deutlich reduziert. Schon bald wird auch das vorbei sein. Noch nicht; bitte, noch nicht.
Vor dem Schwimmen verstaue ich jetzt meine Garderobe immer in einem großen, wasserdichten, roten Rucksack. Nicht, dass ich Angst hätte, es könnte regnen. Aber ich möchte sie nicht aufs feuchte Gras legen und auch nicht alles auf einer Sitzbank deponieren. Ohnehin gibt es nicht überall welche – und wenn, dann sind die Bankerl zum Verweilen da und nicht als Ablagefläche für Klamotten und Handtuch. Das sieht nicht jede/r so, aber mir wäre es dann doch zu kartoffel-deutsch und außerdem rücksichtslos gegenüber den Spaziergänger:innen, die sich vielleicht gern mal in die Sonne setzen würden, lägen da nicht die Prötten von sonst wem herum.
Einige Male werde ich wohl noch ins Freiwasser gehen können. Dann war’s das.
Zwar bemüht sich die Springer-Presse einen goldenen Oktober mit Rekordtemperaturen herbeizuschreiben, was mir unter dem Aspekt des Freiwasserschwimmens sogar sympathisch wäre. Aber Rekordtemperaturen sind nun mal alles Andere als wünschenswert, sind sie doch Zeichen des rasanten Klimawandels. Für Flora und Fauna unserer gemäßigter Zonen sind sie ein Riesenproblem und sie werden zwangsläufig zu weiteren Starkregenereignissen führen. Das sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, was aber nicht bedeutet, dass es von einschlägigen Menschen nicht nach wie vor verharmlost wenn nicht ganz geleugnet wird.
Herbstschwimmen hat was: Als ich an einem späten Sonntagvormittag zu Herbstbeginn mal wieder am Ufer eines Weihers stehe, macht sich plötzlich eine ganz andere Euphorie breit. Es ist dieser Moment, wenn Du denkst: Der ganze Weiher – nur für mich. Niemand sonst auf oder in dem Wasser.
Ganz so war es natürlich nicht. Aber fast…
Im Feringasee treffe ich auf zwei Surfer. Bei wenig Wind erklärt der eine dem anderen, wie’s geht. Am Pullinger Weiher zwei Tage später sind es einige wenige Stand-Up-Paddler und ein Schlauchboot.
Dazu hier wie dort ein paar Menschen, die schnell ins Wasser gehen; oder eben gerade nicht und zögerlich im Flachen stehen bleiben. Schnell kommen sie aber auch wieder heraus. Und in beiden Seen bin ich nicht der einzige, der im Neo umher krault. Bojen haben plötzlich alle Schwimmer:innen dabei. Es scheint sich langsam aber stetig durchzusetzen. Liegt’s an der Wassertemperatur oder an den mittlerweile nicht mehr besetzten Stationen der Wasserwacht? Oder einfach an der großen Einsamkeit im Teich?
Keine Ahnung. Aber Boje finde ich gut.
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