Wenig Neues im Münchner Westen?

Wenn ich im Westen in puncto Friedhöfe wenig Neues erwarte, liegt das vor allem daran, dass auch der Münchner Westfriedhof vom Architekt und städtischem Baubeamten Hans Grässel konzipiert wurde. Weit draußen vor den (damaligen) Toren der Stadt, eine beeindruckend imposante Aussegenungshalle, ein weiteres Gesamtkunstwerk, wie der Nord- und der alte Teil des Waldfriedhofs, zum Ostfriedhof, der auch aus Grässels Konzeptschmiede stammt kann ich bisher wenig sagen, da war ich (noch) nicht. Aber das wird noch kommen. Auf Grässel geht auch der Neue Friedhof der Israelitischen Kultusgemeinde München zurück, von dem an anderer Stelle auch noch zu sprechen sein wird. Allen gemein ist ihre Lage extra muros, also außerhalb der alten Stadtbegrenzungen, was nichts anderes heißt als am A…h der Welt. Nun also der Westfriedhof, der weit draußen (zumindest damals) in Moosach gelegen ist.

Das prominenteste, möglicherweise meistfotografierte Motiv gehört allerdings gar nicht zum Friedhof selbst sondern zur gleichnamigen U-Bahnstation und ist nun einige Male mehr auf eine Speicherkarte gebannt, nämlich auf meine:

Der Friedhof selbst hat einige reizvolle Ecken und bietet demzufolge gute Fotomotive, aber in seinen neueren Teilen ist er eher von langweiliger Beliebigkeit. Denn natürlich sind es die alten, teilverwitterten Grabsteine und Skultpuren, die efeuumrankt sind, die mächtigen Familiengräber und Mausoleen (hier gibt es nur das von Franz und Lilo von Lenbach), die sich besonders zum Fotografieren eignen.
Zwischendurch richte ich die Kamera auf Lebendiges wie Eichhörnchen und Wacholderdrosseln.

Oder ich finde etwas Ungewöhnliches Modernes, wie zum Beispiel ein Glashologramm eines Motorrades auf dem Grab von jemandem, der vermutlich mit eben so einem Fahrzeug verunglückt ist. Schlichte Sachlichkeit dominiert die Steine neueren Datums, das ist zwar weniger protizg aber eben auch fad. Zumindest engelt es hier noch etwas.

Ach ja: Es gäbe auch ein wenig Prominenz unter den hier Bestatteten. Architket und Bauunternehmer Bernhard Borst, der die nahegelegene Sozialwohnungssiedlung Borstei errichten ließ. Der liegt üppig bestattet in der ersten Reihe, Familie Borst hat es krachen lassen.
Eher spärlich das Grab von Robert Lembke, dem Dauergast per Fernsehen im Wohnzimmer meiner Großmutter, für mich eine TV-Kindheitserinnerung, wenn auch eine mächtig langweilige. Ein schlichtes Familiengrab, sein Name einer von vieren, ein Stein, der auch mal aufgearbeitet werden könnte. Aber wozu eigentlich?
Und dann gibt es noch das Grab der zwischenzeitlichen Prinzessin von Persien Soraya Esfandiary-Bakhtiary, die in den 50ern mit dem Schah verheiratet war, der sie aber in die Wüste zurück zu ihrer Familie schickte, weil sie ihm nicht den erwünschen Thronerben schenkte. Dass ihre Mutter Deutsche war und ihr Vater persischer Botschafter in Deutschland, musste ich erst wieder nachlesen um zu verstehen, warum das Familiengrab in München liegt und sie nicht in Paris beerdigt wurde, wo sie nach ihrer Scheidung vom Shah lebte, der übrigens mit seiner zweiten Frau auch in Paris war, nachdem die iranische Revolution unter Ayatollah Ruhollah Chomeini ihn vom Thron gestoßen und entmachtet hatte.
Und noch eine Frau mit tragischer Geschichte liegt auf dem Westfriedhof begraben: Doris Nefedov geborene Treitz, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Alexandra. Sie starb 1969 mit nur 27 Jahren in Folge eines Autounfalls. Es wäre wert, sich mal etwas tiefer mit dieser Sängerin zu beschäftigen, die von der Schlagerindustrie vereinnahmt und ins Klischee der „exotisch“, russischen Ausländerin gepresst wurde (sie stammte aus Ostpreußen), die nebenher ein paar großartige Cover internationaler Hits auf Englisch geliefert hat, die aber vollkommen unbeachtet blieben. Nun ja…
Die Lembke-, Soraya- und Alexandra-Gräber verraten, dass ich tatsächlich auf dem Westfriedhof auch Promigräber abgeklappert habe, denn man kommt an diesen eher nicht zufällig dabei.
Und da ich das schon zugebe, verrate ich auch, dass ich mir auch das Grab von Väterchen Timofei angeschaut habe – eine durch und durch merkwürdige Figur der Münchner Stadtgeschichte: Ein gebürtiger Russe, dieses Mal ein echter, der nach dem Zweiten Weltkrieg in München auf dem Oberwiesenfeld aus Kriegsschut eine Kapelle als Schwarzbau errichtete, dort mit seiner Frau als Eremit lebte, und sich für den Frieden einsetzte. Von ihm hatte ich noch nie etwas gehört, bevor ich mich auf den Rundgang über den Westfriedhof vorbereitet hatte.

Wie bescheiden im Vergleich dazu Angela Veiter geborene Pesl, gestorben am 12.02.1909 zwei Tage nach ihrem 28sten Geburtstag. Sie war „nur“ Kunstmalersgattin*. Aber das immerhin. So steht’s auf Stein geschrieben. Und so war das seinerzeit.

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*Kann es sein, dass Sie jetzt wissen wollen, um welchen Kunstmaler es ging, dessen Gattin sie war? Lassen Sie mich für Sie googeln: August Veiter. Zugegeben, von dem habe ich auch noch nie gehört.


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1 Antwort

  1. Jörg sagt:

    Friedhöfe, stille Geschichten. Vielen Dank für’s Mitnehmen. Total interessant.