Spaziergänge (#58): Rund um die Ratzinger Höhe

Das also ist sie, die Ratzinger Höhe. Die nichts zu tun hat mit dem Ratzinger Schorsch oder seinem Bruder Seppi, der als Papst Bene eine zeitlang die katholische Kirche dogmatisierte. Die Höhe heißt ganz profan nach dem Weiler Ratzing, der verwaltungstechnisch zur Chiemgaugemeinde Rimsting gehört. An sich ist nichts Besonderes an dem Ort, wäre von dort nicht eine ganz famose Aussicht auf die Chiemgauer Alpen genießbar.

Und dann gibt es das Kuriosum von eben jenem Hügel gen Osten den Chiemsee und gen Westen den Simssee sehen zu können. Davon wird in der Familie meiner Frau seit Generationen geschwärmt. Und kaum ist ein Vierteljahrhundert vergangen, dass wir in Bayern wohnen und zuvor geraume Jahre Besuche und Urlaube im Chiemgau, schaffen wir es auch mal, die Ratzinger Höhe als Ausflugsziel zu erkunden und spaziergängerisch zu umrunden. Diesen damosen Ort mit dem Blick auf beide Seen – das muss ich nun endlich auch mal mit eigenen Augen sehen. Und tatsächlich: Es gibt genau diesen einen Punkt, an dem das möglich ist: Theoretisch zumindest vom Aussichtsturm aus.

Eine beherzte Kappung der Bäume allerdings täte Not, wollte man wirklich was vom Chiem- und dem Simsseee sehen. So aber gibt’s nur nur wenig freies Blickfeld, dass es kaum lohnt, den Deckel vom Objektiv zu nehmen.

Bei einem Rundwanderweg auf der Ratzinger Höhe stößt man auf viel bessere Aussichtspunkte, aber da sieht man eben nur entweder den einen oder den anderen See. Oder der Blick fällt auf das Dorf Ulperting, was nun wirklich niemand kennen muss, der Vollständigkeit halber aber trotzdem erwähnt werden sollte.

Ostermontag ist’s, das Wetter ist aprilig, was heißt, es könnte regnen, tut es aber nicht, es könnte ein kalter Wind gehen, tut es aber auch fast nicht, es könnte die Sonne durch dem bedeckten Himmel hindurchstoßen, was sie bisweilen auch tut. Kein Grund also, in Faust’scher Manier vom Eise befreiter Ströme oder Bäche zu schwadronieren, da war erst gar kein Eis. Aber was wusste Universalgenie Goethe halt schon vom Klimawandel?
Was auch von Trockenzeiten im April, in denen es wochenlang kaum regnet und alles staubtrocken ist?

Mag sein, dass es auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, weil alles „saftig und grün“ wirkt, aber es ist eine Frühjahrsdürre, wie wir sie lange nicht erlebt haben. Es ist nicht nur zu trocken, es ist auch zu warm. Was aber ein anderes Thema ist.

Ländlich sittlich geht’s hier zu, bilderbuchbayerisch, so wie die Urlauber:innen und Ausflügler:innen es gene mögen. Hier ein Marterl, da ein Wegkreuz, hier eine Weide mit Viecherln, da ein Kapellchen. Es ist wirklich an alles gedacht – und so wundert es nicht, dass andere viel früher aud den Trichter gekommen sind, also den Spaziergang zu machen, den wir schon vor Jahrzehnten hätten machen wollen, aber es irgendwie nicht geschafft haben.
Man grüßt sich freundlich, wenn man sich begegnet oder einander überholt, egal, ob zu Fuß oder auf dem Rad. Ein geräuspertes „Hallo“ weist die einen als Urlauber, ein „Grüß Gott“ oder „Grias Di“ als Einheimische aus. Verwegene raunen ein „Servus!“ und dann geht jede/r seiner Wege. Radfahrer:innen ächzen gern ein „Danke!“, wenn unsereiner einen Schritt zur Seite geht und ihnen den Weg freimacht.
Nur selten werden Grüße mit irritiertem Blick beantwortet. Kopfschütteln und Missbilligung hingegen ernten die Motorradfahrer, die die kurvenreiche schmale Straße hinauf- oder hinunterdonnern. Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe den Eindruck, dass die duldsame Akzeptanz gegenüber dieser Gruppe Verkehrsteilnehmer:innen vor allem in ländlichen Regionen deutlich nachgelassen hat.

Die kleine Kapelle „Zur unbefleckten Empfängnis Mariä“ , an der wir vorbei kommen, gibt es seit 1781, leider findet sich über sie nur wenig im Netz, das aber, was einst in den Samerberger Nachrichten zu lesen war, wiederholt sich wortgleich auf Dutzenden von digitalen Wanderfühern.

Von der eigentlichen Ratzinger Höhe aus auf bestechenden 694 m ü NN ist der Ausblick wirklich berauschend – über den Chiemsee, seine Inseln, die Filze südlich des Sees bis in die Berge weit am Horizont. Zu diesig für wahre Fotoexzesse und die Suche nach immer weiteren Details in der Landschaft, aber es gibt trotzdem viel zu entdecken, was ich bisher nur aus anderer Perspektive kenne.
Würde es nicht langsam Zeit, weiterzugehen, ich würde wohl noch immer da oben sitzen. Facebook nennt diesen Ort „Ratzinger Höhe mit herrlichem Blick auf den Chiemsee.“
Und das stimmt.


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2 Antworten

  1. Inga sagt:

    Das sieht nach einer sehr netten Wanderung aus. Danke für den Tipp! Hast du zufällig einen GPX Track für mich?

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