Norwegen im Frühjahr (#05) – Im Vigelandpark

An Selbstbewusstsein dürfte es dem norwegischen Bildhauer Gustav Vigeland nicht gefehlt haben. Einen mächtigen Brunnen wollte er im Park vor dem neuen Parlament in Oslo errichten, was auch hätte passieren sollen, doch wurde der Brunnen schon bei seinen Entwürfen so überdimensioniert, dass er alles gesprengt hätte.
Er durfte ihn schließlich in einem Park aufstellen lassen, dazu eine Skulpturengalerie, ein großes Monument, umgeben von weiteren schweren Steinskulpturen.
Heute ist es der Vigelandpark, einer dem Vernehmen nach schönsten Orte Oslos zum Spazierengehen und zum Flanieren. Und das machen wir dann auch.
Das Gesagte stimmt: Der Park gehört zu den besonders schönen Anlagen in Oslo, aber jetzt, da sich der Frühling noch nicht richtig Bahn gebrochen hat, ist davon noch nicht allzu viel zu sehen. Noch sind die Rosen unter sie vor Frost schützenden Tüchern abgedekckt, kaum etwas blüht, an den Bäumen fehlt es an frischem Grün.
Das hindert die Norweger:innen nicht, schon mal auf der Wiese Platz zu nehmen, picknickähnliches Verhalten an den Tag zu legen, in T-Shirt und kurzer Hose zum Joggen zu kommen, während die Auswärtigen den Schal gern etwas fester um den Hals wickeln.
Eine Allee von 58 Skulpturen Vigelands führt über eine Brücke. Die wohl laut Reiseführer bekannteste und am meisten fotografierte Skulptur ist ein trotziges Knäbelein, das wütend mit dem Fuß aufstampft: Sinnataggen heißt das Bürscherl, was in etwa als Trotzkopf übersetzt werden könnte.

Wie die Bronzestatuen auf der Brücke sind auch die Steinstatuen rings um eine Säule Sinnbilder des Lebens in allen Facetten und Altersstufen. Das finde ich beeindruckend in seiner Vielfältigkeit und vielfältigen Kombination von Jung und alt, Mann und Frau, Eltern und Kindern, Zu- und Abneigung. Es gäbe viel zu schauen, zu deuteln, zu interpretieren, auch zu fotografieren, was etwas mühselig ist. Knallhartes Sonnenlicht nehmen den Steinfiguren viel Konturen – Menschen in bunten Jacken und Pullovern bringen ungewollte Farbklekse in die Fotos.

Die Steinsäule selbst, eine 17 Meter hohe Ansammlung von Leibern, finde ich weniger gut. Der Monoith weckt Assotiationen, die von Vigeland sicher nicht beabsichtigt waren, denn das Werk stammt aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Das spricht auch die martialisch dreinblickenden Männerskulpturen frei vom Verdacht ideologisch gefärbter Kunst – trotzdem komme ich nicht weder gut klar mit aufgetürmten Menschen, die nach oben drängen noch mit einigen der markig finster entschlossen blickenden Gesichter. Ein wesenticher Bestandteil eines Kunstwerkes ist es nun mal, was es in den Köpfen der Betrachter:innen verursacht. Ein Sinnataggen lässt die Betrachter:innen wissend lächeln, andere hingegen irritieren kolossal… was der Wacholderdrossel, die munter durch den Park hüpft, ebenso egal ist, wie den Möwen, die die eine oder andere Skulptur als Lande- und Kackplatz benutzen. Das hat sowas Respektloses, Anarchisches, Subversives.
Vigeland kann das nicht gefallen. Mir schon.

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3 Antworten

  1. Jörg sagt:

    Der Vigelandpark ist wirklich ein Besuch wert. Ich habe Stunden verbracht, die Kunstwerke zu betrachten. Der ganze Lebenszyklus ist dargestellt. Freud, Leid, Höhen und Tiefen. Ich glaube, ich habe hunderte von Detailfotos gemacht, weil mich die Darstellungen so fasziniert haben.

    • Lutz Prauser sagt:

      In der Tat ein faszinierender und inspieriernder Ort – ich fand es auch sehr spannend, die Leute zu beobachten, wie sie auf die unterschiedlichen Figuren reagieren: Belustigt, irritiert, gelangweilt. Andere fotografieren sie, sich selbst oder beides. Wieder anderen ist das alles ziemlich egal. Spannend.

  2. T.Head sagt:

    Jetzt habe ich eine Ahnung, wie Fantomas wohl ohne alles aussehen würde. Danke