Nicht nur Haie in Hellabrunn
Haie in Hellabrunn nenne ich ein Foto, mit dem ich auf Facebook in meinem eigenen Profil, aber auch in den Gruppen Traumhaftes Bayern, Münchner Buidl und Perspektiven und Streefotografie hausieren gehe – weil es irgendwie in alle drei Gruppen passt:
Haie in Hellabrunn (Könnte auch der Titel eines Films bei Tele5 sein)
Denn ich war mal wieder im Münchner Tierpark, bestens ausgestattet mit Kamera, Ersatzakku, Earplugs samt einer formidablen Playlist und mit mir selbst. Sonst niemanden. Denn ist schon eine arge Zumutung, mit mir in den Zoo zu gehen, sauge ich mich samt Kamera erst einmal irgendwo fest, ist an ein Weitergehen kaum noch zu denken und so dauert ein Rundgang dann auch fast einen ganzen Tag. So gesehen ist ein Besuch im Zoo auch für mich ein ungehöres Training der eigenen Geduld.
Die Stöpsel im Ohr beschallen mich dabei aufs Vorzüglichste, vor allem aber reduzieren sie Interaktion und Kommunikation mit anderen Zoobesucher:innen erheblich. Nur gedämpft dringen Dialoge durch, was manchmal ein waher Segen ist. „Mama, warum streiten die Tiger?“ fragt ein Kind. „Ihr streitet doch daheim auch dauernd!“ mag zwar den Tatsachen entsprechen, ist aber auf die Frage eine eher wenig hilfreiche Antwort.
Die eltern- und großelterlichen Erklärungsansätze, ob das Krokodil schläft, warum der eine Pelikan was Blaues am Schnabel hat, der andere aber nicht, und ob der Wolf wirklich böse ist, sind selten erbaulich. Meine Musikbeschallung hingegen schon.
Was der Mann da macht (er fotografiert), und dass man einen Lappen dabei haben müsste, um die Terrarienscheiben zu putzen, bevor man reinfotografieren kann und warum ich mein Handy flach gegen die Scheibe presse, statt mit der Spiegelreflexkamera durchs Panzerglas zu frografieren – all das sind Kommunikationsansätze, die ich gerne vermieden hätte, aber nun gut. Auch will ich nicht unbedingt wissen, dass die Frau vor dem Haibecken gerade ihren Handyakku leer fotografiert hat und nun zeitweillig vom Rest der Welt mehr oder weniger abgekoppelt ist. Sie zeigt mir ihr schwarzes Display, als müsse sie das soeben Augeführte beweisen. „Dumm gelaufen,“ denke ich mir, verkneife es mir aber, das auch auszusprechen. Allerdings heuchle ich auch keinerlei Interesse an fortgesetzter Konversation.
Allein durch Tierparks laufende Männer fallen für andere alleinlatschende Zoobesucher:innen offenbar ins Beuteschema anzubahnender Plaudereien. Ein „Sekunde bitte!“ und das Rauspopeln der Earplugs ist zum Glück meistens Signal genug, dass die Gespräche von sehr, sehr kurzer Dauer sind.
Das Verweilen vor den Glasscheiben und an den Zäunen der Gegege, Terrarien und Aquarien hingegen sind alles andere als von kurzer Dauer. Und mit maximaler Sponatanität entscheide ich, statt vom Flamingoeingang an selbigen, dann an Affen und Elefanten bis ganz hinter zu den Eisbären und anschließend im weiten Bogen zurückzulaufen, eine andere Wegführung zu nehmen. Erst zu den Giraffen Richtung Isarausgang und dann im Zickzack durch den Tierpark und in einem anderen Zickzack zurück – also bei den Tieren als erstes zu schauen, die sonst immer auf dem Rückweg, wenn man irgendwann doch keine Lust mehr hat, liegen.
Vieles lasse ich aus, weil es mich nur wenig interessiert oder für mich fotografisch nicht unbedingt attraktiv ist. Kamele, Waldbisons, Antilopen , Yaks… ein anderes Mal. Vielleicht.
Ich entscheide, diösende Löwen sind langweilig, aus dem neuen Gehege der Humboldpinguine mufft es, den Streichelzoo spare ich mir sowieso und durch die Mühlenhof-Anlage mit alten Arten heimischer Nutztiere schreite ich zügig hindurch. Den Ameisenbären kann ich nicht ausmachen, die Flamingos sind eingenetzt, der rote Panda ist unfotografierbar oben im Geäst, die Kattas zu weit weg, die Orang-Utans wenig motivheischend mit alten Säcken beschäftigt. Eine Reihe Gehege sind wegen Modernisierungsanlagen gerade leer, dafür freue ich mich über das Gezeter der Tiger, das maulige Stumpfkrokodil, eine Europäische Sumpfschildkrote beim Sonnenbaden, posierende Giraffen, neugierige Riesen-Blattschrecken, drollige Erdmännchen und allerlei anderes herziges Viehzeugs mehr, das sich mal mehr mal weniger erfolgreich fotografieren lässt; wenn man nur lang genug vor den Gehegen ausharrt… und man einen vollen Akku und ein wenig Glück hat, wenn der eine Sibirische Tiger dem anderen vor schussbereiter Kamera eine Backpfeife verabreicht.
Bingo! So muss das.
Vielen Dank fürs Lesen. Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freund:innen weiterempfehlen – z.B. über Facebook, BlueSky, Mastodon, in Internetforen, thematisch passenden Facebookgruppen o.ä.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld. Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.
Wenn Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat und Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier.
In meinem Webshop finden Sie ganz neu und exklusiv das Fotobuch Schmetterlinge und Wasserfälle – Bilder und Notizen einer Reise durch Bosnien und Herzegowina. Weiterhin sind im Webshop u.a. auch erhältlich: Mein Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres und die fünf Fotobücher von Ursula Zeidler: Freie Schnauze – Weideschweine, Paare, Münchner Freiheiten – Zwei Jahre Theresienwiese April 2019 – April 2021, Augenblicke, und einfach Kinder.
Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
Hallo Lutz,
ich stelle immer wieder fest, das die Allgemeinheit meint, wenn sie auf jemanden trifft der alleine unterwegs ist, würde dieser Anschluß und Gesellschaft suchen.
Vielen Dank für die schönen Fotos.
Trude
Danke, liebe Trude. Da hast Du ganz sicher recht. Und für nicht wenige Menschen ist offensichtlich nicht vorstellbar, dass allein und einsam was vollkommen Anderes ist.