In memoriam Eugen Roth – „Nur“

Heute vor vierzig Jahren ist Eugen Roth gestorben. Mit ihm – so gebe ich gerne zu – hatte ich es nicht so.
Eigentlich gar nicht.
Dabei gehört Roth sicher zu den meistgelesenen Dichtern des vergangenen Jahrhunderts. Vielleicht liegt es daran, weil seine Gedichte so heiter, selten mit einer Spur Nachdenklichkeit gewürzt, dafür immer ein wenig zu bieder und bürgerlich waren.
Er schrieb Gedichtbändchen, die man gerne der Großtante oder -mutter schenkte, jemandem als kleine Aufmerksamkeit mit ins Krankenhaus brachte oder statt einer überbordenden Bonboniere überreichte. Eugen Roth

Dass ich ihn heute trotzdem hier erwähne, hat nur mit einem Gedicht zu tun, das ich vor vielen Jahren auswendig gelernt habe und noch immer fehlerfrei aufsagen kann. Dazu ist es kurz genug. Denn ich war nie ein begeisterter Auswendiglerner – von Liedtexten einmal abgesehen. Das ist auch der Grund, warum ich einiger der von Achim Reichel vertonten, kilometerlangen deutschen Balladen runterrattern kann, aber ansonsten schon an jedem Sonett scheitere.

Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern, warum ich jemals ein Gedicht von Eugen Roth auswendig gelernt habe, sicher geschah das nicht, weil es Lernstoff im Deutschunterricht war. Sicher auch nicht, weil ich irgendwen damit von irgendwas überzeugen wollte. Warum also nur?
Seit Ewigkeiten befinden sich zwei kleine Gedichtsammlunen von Eugen Roth in meinem Bücherregal. Auch bei denen weiß ich nicht, warum ich die überhaupt habe. Sicher habe ich sie nicht selbst gekauft, vermutlich bekam ich sie geschenkt? Von wem? Warum?

Um der Sache auf den Grund zu gehen, nehme ich sie in die Hand. Keine Widmung hilft weiter. Aber aus einem der Bücher fällt mir ein vergilbter Zettel entgegen. Auch wieder ein Gedicht von Eugen Roth: Handgeschrieben mit Tinte von jemanden, der mir das Buch geschenkt hat und mir zum bestandenen Führerschein gratuliert. Unterschrieben ist das Ganze leider nicht. Das Mysterium ist damit nur teilgelüftet.

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Aus der näheren Bekanntschaft muss er kommen. Wer schenkt einem sonst etwas zum Führerschein?
Gut genug gekannt hat er mich, um zu wissen, dass man mir mit Literatur eine Freude machen kann, aber nicht gut genug, sonst wäre es nicht Roth gewesen. Denn das Attribut gehobener Lyrik habe ich seinerzeit Roth voller Anmaßung eines möchtegern-intellektuellen Gymnasiasten abgesprochen. Lieber verbiss ich mich in Gedichte von Brecht, Fried, Kunze oder Benn. Vollkorn statt Weißbrot eben.
Wenn man im eigenen Sturm und Drang ist, hat man wohl zudem eine natürliche Abneigung gegen alles, was als heiter oder humoristisch trägt. Vermutlich tat ich Roth damit unrecht. Er wird es verschmerzt haben.

Aus gegebenem Anlass zitiere ich das Gedicht von ihm aus dem Jahr 1948, das ich auswendig gelernt habe und das mir in den vergangenen Monaten immer wieder in den Sinn gekommen ist.

Eugen Roth – „Nur“

Ein Mensch, der, sagen wir als Christ,
Streng gegen Mord und Totschlag ist,
Hält einen Krieg, wenn überhaupt,
Nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
Weil sie des wahren Glaubens spotten!

Ein andrer Mensch, ein frommer Heide,
Tut keinem Menschen was zuleide,
Nur gegenüber Christenhunden
Wär jedes Mitleid falsch empfunden.

Der ewigen Kriege blutige Spur
Kommt nur von diesem kleinen »nur«

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2 Antworten

  1. Dieses kleine Gedicht von Eugen Roth aus dem Jahre 1948 ist heute wieder brand aktuell. Kein Wunder, dass es dir in den letzten Tagen öfter in den Sinn gekommen ist. Ist es nicht so etwas, dass große Literatur / Lyrik auszeichnet? ;-)

  2. Schließe mich der Vorschreiberin an. So ähnlich wollte ich es auch kommentieren. Dazu noch ein tiefer Sinngehalt. Mehr Satire als Humor, beschwingt zu lesen, aber eigentlich todernst. Ich kannte jenen Dichter noch nicht. Danke für den Artikel!

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